Alliierte gegen Achse

Die »Achse des Friedens« will in Berlin gegen die Besetzung des Iraks und die israelische Politik demonstrieren. Antideutsche Gruppen rufen zum Protest gegen den »nationalsozialistischen Aufmarsch« auf. von arne norden

Kein Thema scheidet die deutsche Linke so sehr wie der Konflikt um Israel und Palästina. Der Einmarsch der von den USA angeführten Koalition in den Irak sowie die Reaktionen der deutschen Friedensbewegung haben diese Spaltung weiter vertieft. Neben dem 11. September 2001 markiert auch die zweite Intifada, mit der im September 2000 der Nahostkonflikt eskalierte, diese Trennung. Für den 27. September, den Vortag des dritten Jahrestags des Beginns der Intifada, erwartet Berlin nun eine Demonstration und eine Gegenkundgebung zu dem Thema.

Auf der Demonstration werden zum ersten Mal der Irakkrieg und die Situation in Israel in einen Zusammenhang gestellt. »Frieden statt Besatzung«, »Besatzer raus aus dem Irak!« und »Freiheit für Palästina«: Die Parolen des Aufrufs zeigen, worum es den zur »Achse des Friedens« zusammengeschlossenen Gruppen geht. Die Konflikte im Irak und in den palästinensischen Autonomiegebieten werden auf den Begriff »Besatzungsregime« reduziert.

Wer auf eine Analyse der komplexen Situation im Irak hofft, wird enttäuscht. Stattdessen werden das US-amerikanische und britische Militär als Wurzel allen Übels erkannt. Auf die Mühe, dies zu begründen, wird verzichtet: »Die Tatsachen sprechen für sich.«

Tatsächlich sind es eher die Auslassungen und Leerstellen, die diesen Text sprechen lassen. Das Ende des brutalen Ba’ath-Regimes oder der anhaltende islamistische Terror bleiben vollkommen unberücksichtigt. Entsprechend kommt auch nur eine Lösung in Betracht: »die Selbstbestimmung und Selbstregierung der irakischen Bevölkerung« gegen die »Besatzer« durchzusetzen. Die Feindbilder sind aufgestellt.

Auch der Abschnitt zur »Unterdrückung der Palästinenser« kennt nur eine verantwortliche Seite. In bester antiimperialistischer Tradition werden die Palästinenser zu bloßen Opfern israelischer Politik verklärt. Den »Nährboden der Gewalt« bzw. »die Logik der Gewalt« hätten der »permanente militärische Terror«, die »jahrzehntelange völkerrechtswidrige Besatzung« sowie die »fortwährende Demütigung der palästinensischen Zivilbevölkerung« bereitet.

Der israelischen Politik kündigen die aufrufenden Gruppen ihren »entschlossenen Widerstand hierzulande und weltweit« an. Dies am Jahrestag der Intifada zu verkünden, bedeutet, ihr zuzustimmen, zumal zum antisemitischen Charakter des Terrors gegen Israel kein einziges Wort verloren wird. Folgerichtig ist auch hier der Lösungsansatz eindimensional: Die israelische Armee soll sich aus den Palästinensergebieten zurückziehen, den Siedlungsbau stoppen und die »Vertreibungen« beenden.

Deutschland wird dazu aufgefordert, »weder politisch noch logistisch noch finanziell« die »Besatzungspolitik« zu unterstützen. Das nimmt sich, gemessen an früheren Forderungen, entschieden Druck auf Israel auszuüben oder den US-Streitkräften die Überflugrechte zu verweigern, geradezu zurückhaltend aus.

Seit den propalästinensischen Demonstrationen im Frühjahr 2002 ist bekannt, welche Formen solche Aufmärsche dann annehmen können. Zahlreiche judenfeindliche Parolen und Plakate, Sympathiebekundungen für Selbstmordattentäter und die islamistischen Terrororganisationen, Vergleiche zwischen Sharon und Hitler oder der israelischen Politik mit der Nazideutschlands haben etwa die Demonstration vom 13. April 2002 zu einem der größten antisemitischen Aufmärsche in Deutschland seit 1945 geraten lassen. Auch auf den Friedensdemonstrationen gegen den Irakkrieg waren immer wieder antisemitische Darstellungen in großer Zahl aufgetaucht.

Nichts deutet darauf hin, dass es diesmal anders sein könnte. Die Liste der Unterstützer lässt vielmehr eine Wiederholung dieser Bilder befürchten. So ist das Berliner Solidaritätsbündnis für Palästina, das schon die Demonstration des vergangenen Jahres organisierte, ebenso vertreten wie die PDS und die klassische Riege der linken Politiksekten wie Linksruck, die MLPD und die SAV.

Zusammen mit arabischen, irakischen und palästinensischen Vereinen wie der im Jahr 2002 ebenfalls federführenden Vereinigten Palästinensischen Gemeinde sowie friedensbewegten Gruppen wie dem Deutschen Friedensrat und den Antikriegskomitees ergibt das ein stattliches Bündnis. Schließlich ist auch Attac mit der AG Krieg und Globalisierung vertreten, die erst kürzlich mit einem Boykottaufruf gegen israelische Waren aus den palästinensischen Gebieten von sich Reden machte (Jungle World, 39/03).

Aber es ist auch eine Kundgebung gegen diese Demonstration geplant. Unter der Parole »Remember Ground Zero – Fight Fascism!« rufen antideutsche Gruppen, darunter die Redaktion der Zeitschrift Bahamas, die Antideutschen Kommunisten Berlin, die Gruppe Offene Rechnungen und das Berliner Bündnis gegen IG Farben, auf, den »nationalsozialistischen Aufmarsch« zu stoppen. Der Aufruf gleicht in Form und Inhalt anderen Papieren der Bahamas. Er ist ein polemischer Parforceritt durch die Aktivitäten der antiimperialistischen Linken und gelangt von der aktuellen Welle der Erinnungsveranstaltungen zum Putsch in Chile 1973 über die Verdrängung der Anschläge des 11. September zum bevorstehenden Aufmarsch. Dieser wird als »weltweiter Aufruf zum Djihad« gelesen, die aufrufenden Gruppen werden als Parteigänger Yassir Arafats und Saddam Husseins betrachtet.

Damit begnügt man sich jedoch nicht. »Globalisierungskritische Antisemiten wie die Angehörigen jener Achsenmacht« – der »Achse des Friedens« – »sind kurz und bündig: Nationalsozialisten«. Kurz und bündig wird der ideologische Feldzug gegen den »palästinensischen Nationalsozialismus« fortgeführt, der neben der Dämonisierung der Gegenseite auch die Verharmlosung der Verbrechen der deutschen Volksgemeinschaft besorgt.

Auch in Sachen Militarismus geht man in die Offensive: »Solidarität mit dem Kampf der amerikanischen, britischen, polnischen und irakischen Einheiten gegen den islamistischen und ba’athistischen Terror« und »Waffen für Israel« lauten die Empfehlungen und spiegeln damit die Parolen der »Achse des Friedens«.

Zweifellos hat der Aufruf auch lesenswerte Stellen. Dass »coole Kids kein Palituch tragen«, wäre zum Beispiel einen Aufkleber wert. Auch dass in den »Fisch- und Schnaps-Kneipen am Tigris dauernd Trinksprüche auf George Bush ausgebracht werden«, ist eine amüsante Information. Wenn sie denn stimmt.

An den entscheidenden Stellen ist der Text aber dem dichotomen Denken seiner Gegner verhaftet. Mit der Etikettierung der Demonstration als »nationalsozialistischer Aufmarsch« wird genau jene Politik fortgesetzt und radikalisiert, die von vielen antideutschen Gruppen als Relativierung des Nationalsozialismus kritisiert worden ist. Kein Wunder also, dass Teile der antideutschen Linken den Aufruf der Bahamas nicht unterstützen. So findet man etwa auf den Internetseiten des Bündnisses gegen Antisemitismus und Antizionismus nicht einmal einen Hinweis auf die Kundgebung. Offenbar spalten sich die Antideutschen auch untereinander voneinander ab.

Aufmarsch der Achse des Friedens, 27. September, 15 Uhr, Wilhelmstraße / Unter den Linden

Gegenkundgebung um 13:30 Uhr, genauer Ort wird noch bekannt gegeben auf www.redaktion-bahamas.org.