And The Winner is …

Das Scheitern der WTO-Konferenz von wolf-dieter vogel

Die Rechnung wird immer zum Schluss gemacht. Und am Ende, darin sind sich die Globalisierungskritiker zwischen Mexiko-Stadt und Seoul einig, haben »wir« gewonnen. Dass zu den Aktivitäten gegen die Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) nur ein gutes Viertel der angekündigten 20 000 Aktivisten und Aktivistinnen nach Cancún gereist war, dass einige Foren mangels Beteiligung ausfallen mussten und sich die mexikanische Linke komplett gespalten präsentierte – geschenkt. Denn spätestens nachdem die Länder des Südens die WTO-Verhandlungen abgebrochen haben, reihen sich die Aktionen der vorvergangenen Woche ein in die Erfolgsstory der globalisierungskritischen Bewegung: Seattle, Genua, Cancún.

Sicher hat die Mobilisierung der »Altermundistas« den Vertretern der Entwicklungs- und Schwellenländer ein wenig moralischen Auftrieb gegeben. Der Abbruch der Gespräche ist jedoch vor allem der penetrant harten Haltung geschuldet, mit der die USA und die EU schon bei den vorherigen Treffen ihre Interessen durchsetzen wollten. Entwicklungsländer ließen deshalb die dritte WTO-Konferenz 1999 in Seattle platzen, und auf dem Folgetreffen in Doha im Jahr 2001 verweigerten 77 arme Staaten ihr Ja zu einer weiteren Marktliberalisierung. Doch die Freihandelspläne wurden nicht ad acta gelegt. Die EU einigte sich mit Mexiko, Ägypten, Algerien und Chile auf den Abbau von Handelshemmnissen, die USA arbeiteten fleißig an der gesamtamerikanischen Freihandelszone Alca.

Dennoch halten EU-Vertreter nach dem Scheitern von Cancún mit Vehemenz am Aufbau eines multilateralen Handelssystems fest – im Gegensatz zum Konkurrenten USA. Denn die Europäer können zwar künftig weiterhin ebenso munter die heimische Agrarindustrie subventionieren wie die US-Amerikaner, während die kleinbäuerliche Ökonomie im globalen Süden zu Grunde geht. Doch das Nein der Entwicklungs- und Schwellenländer zur Verhandlung der Singapur-Themen trifft vor allem die EU. Schon seit Doha macht das Bündnis Druck, um in Sachen Investitionsschutz für ausländische Unternehmen voranzukommen. Besonders deutsche Vertreter legten sich hier ins Zeug. Dass die meisten Staaten des Südens nicht über diese Themen reden wollen, ignorierten die EU-Emissäre.

Die jetzige Absage bringt die Europäer gegenüber den US-Amerikanern ins Hintertreffen. Denn diese waren nie besonders interessiert an den Singapur-Themen. Schließlich haben die USA in Verträgen etwa mit Mexiko weit gehende Bedingungen in Sachen Investitionsschutz durchgesetzt, die durch WTO-Regeln eingegrenzt werden könnten. Die EU hatte gehofft, durch eine »Multilateralisierung« mit Washington gleichzuziehen. Nun passiert das Gegenteil: Die USA wollen ihre bilateralen Verhandlungen verstärken.

Wer also letztlich zu den Verlierern oder Gewinnern des gescheiterten Gipfels zählt, ist noch nicht ausgemacht. Die Haltung der G-21-Staaten stößt jedenfalls nicht nur bei Globalisierungskritikern auf Zustimmung. Weltbank-Präsident James D. Wolfensohn wertete den Ausgang der WTO-Konferenz beim Jahrestreffen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) in Dubai vergangenes Wochenende als Schritt hin zu einem »neuen Gleichgewicht« zwischen armen und reichen Staaten. IWF-Chef Horst Köhler war gar voll des Lobes für das führende G-21-Mitglied Brasilien. Der Staat verdiene es, zu einer »Erfolgsstory in Lateinamerika« zu werden, sagte er.

So haben sich die Globalisierungskritiker das mit dem »wir« sicher nicht vorgestellt.