Blutige Nase

Labour-Niederlage in Brent East von craig attkins

Es gibt nicht viel schönzureden für die britische Labour Party. Zu vernichtend war die Niederlage bei der Nachwahl in dem nördlich von London gelegenen Bezirk Brent East. Eine »blutige Nase« habe Labour sich geholt, gab Innenminister David Blunkett zu. Mit jedem weniger deutlichen Eingeständnis hätte sich Labour lächerlich gemacht.

Fast die Hälfte ihrer Stimmen hat die Partei von Premierminister Tony Blair an die Liberal Democrats verloren und deren Kandidatin Sarah Teather damit einen sensationellen Sieg beschert. Der Stimmenanteil der Liberalen ist von zehn Prozent auf fast 40 Prozent gestiegen. Labour fiel von überragenden 63 auf 34 Prozent. Die konservativen Tories liegen bei 16 Prozent.

Die 29 Jahre alte Teather wird als jüngstes Mitglied ins britische Parlament einziehen und den Platz des bisherigen Labour-Abgeordneten Paul Daisley, der im Juni gestorben ist, einnehmen.

15 Jahre lang hat die Labour Party keine Nachwahl verloren. Seitdem Blair vor neun Jahren den Parteivorsitz übernahm, gab es nicht mal die Gefahr einer Niederlage. Brent East galt als einer der sichersten Wahlkreise Labours. Auf der Zielliste der Liberalen rangierte der Arbeiterbezirk nur auf den hinteren Rängen.

Die Botschaft der Wähler scheint klar: Blair hat den Krieg der USA gegen Irak unterstützt und sogar Geheimdienstberichte aufgebauscht, um ihn zu legitimieren. Er hat den Waffenexperten David Kelly als Sündenbock ans Messer geliefert. Er privatisiert Teile des britischen Gesundheitssystems. Und die traditionelle Gefolgschaft von Labour haut ihm auf die Finger. Ist das der Aufstand der Linken gegen New Labour?

Für die Gegner Blairs in der Partei ist das keine Frage. Mit Genugtuung stellen sie fest, dass Blair verletzlich geworden ist. Schuld sei die Unterstützung für »George Bushs Krieg«, meint die Socialist Campaign vom linken Flügel von Labour. Ganz falsch liegt sie damit nicht. Brent East hat eine große muslimische Community. Die britische Muslim Association hatte ihre Mitglieder aufgefordert, die Liberaldemokraten zu wählen, um gegen den Krieg zu protestieren. Die Schlappe für Labour verkaufte die Organisation als ihren Sieg. Die Liberaldemokraten waren die einzige große Partei, die sich offen gegen den Krieg aussprach.

Der Irakkrieg war vielleicht nicht das zentrale Thema der Wahl. Wichtig aber war das politische Nachspiel. Der Eindruck, dass Blair nicht mehr geradlinig und vertrauenswürdig ist und den Kontakt zur Bevölkerung verloren hat, hat ihm geschadet. Um die Kritiker in der eigenen Partei zu beruhigen, hat die Führung bereits angekündigt, den einfachen Mitgliedern mehr Mitbestimmungsrechte einzuräumen.

»Tony Blair, ich hoffe, dass Sie heute zuhören«, sagte Teather nach der Wahl. »Die Bevölkerung von Brent hat für die Bevölkerung Großbritanniens gesprochen.« Damit könnte die junge Politikerin allerdings über das Ziel hinausgeschossen sein. Blair hat zwar gezeigt, dass er verletzlich ist, noch aber verfügt er über eine bequeme Mehrheit im Unterhaus.

Die Liberalen werden landesweit nicht punkten können wie in Brent East. Sie haben Blair zwar viele Wähler abgejagt. Um langfristig zu gewinnen, müssen sie aber auch mehr konservative Wähler gewinnen, da wird es nicht reichen, dass Parteichef Charles Kennedy auf Friedensdemos geht. Innenpolitisch haben die Liberal Democrats der Labour Party nicht viel entgegenzusetzen: Mit ihrem sozial angestrichenen Liberalisierungsprogramm hat Labour exakt die Nische der Liberalen besetzt.