Da kommt kein Zug mehr

Die BVG streicht Stellen

Ungefähr 4 500 Beschäftigte der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) fanden sich in der vorigen Woche im ICC zur Betriebsversammlung ein. Ihnen schwante wohl nichts Gutes. In dem raumschiffartigen Vielzweckbau, dessen möglicher Abriss immer mal wieder besprochen wird, bekam die versammelte Belegschaft dann auch zu hören, dass es um ihre Zukunft nicht besonders rosig bestellt sei.

Zwar beschäftigen die Verkehrsbetriebe mittlerweile nur noch 12 500 Mitarbeiter, während es im Jahr 1991 noch 27 000 waren. Auch werde mit »der halben Mannschaft die gleiche Leistung« wie vorher erbracht‚ wie der Vorstandsvorsitzende der BVG, Andreas Graf von Arnim, anerkennend feststellte. Aber das reicht alles noch nicht.

Die BVG will ihr Angebot »optimieren«. Übersetzt heißt dies, dass das Angebot mittelfristig um bis zu 20 Prozent verringert werden soll. Am Ende des nunmehr unverzagt anvisierten Schrumpfungsprozesses sollen allenfalls noch 9 500 Mitarbeiter beschäftigt sein. Und die bekommen dann nur noch zwölf statt wie bisher runde 18 Euro durchschnittlichen Stundenlohn. Damit ja kein sozialer Unfriede unter den gebeutelten Arbeitermassen verbreitet werden konnte, wurden die Ausweise der BVGler am Eingang von kräftigen Männern vorsorglich ganz genau kontrolliert.

Schuld an der Finanzmisere der BVG ist natürlich der Wettbewerb, die Konkurrenz und die Berliner Misswirtschaft im allgemeinen. Ein düsteres Zukunftsszenario malte der Vorstandsvorsitzende. Die Firmen Connex, die Hamburger Hochbahn und die Deutsche Bundesbahn stünden schon vor den Toren Berlins und warteten nur darauf, sich das Berliner Streckennetz unter den Nagel zu reißen. Zudem müssten vom Jahr 2008 an die Linien sowieso europaweit öffentlich ausgeschrieben werden.

Trotz der angekündigten Zumutungen für die Belegschaft sind größere Proteste wohl nicht zu erwarten. Streiks nach französischem Vorbild sind in der Bundesrepublik unbekannt. Deutsche Arbeiter verzichten lieber auf das Geld als auf die Arbeit. Vermutlich werden die BVGler eher der gut gemeinten Empfehlung des Wirtschaftssenators Harald Wolf (PDS) folgen. Einem Pastor gleich ermahnte er die Lohnabhängigen und die Vorständler »aufeinander zuzugehen«.

Stehen dann alle beisammen, könnten die Arbeiter stutzig werden. Möglicherweise würden sie bei genauem Hinschauen erkennen, dass von Arnim sein Jahresgehalt in Höhe von 250 000 Euro zuzüglich diverser Prämien erklärtermaßen nicht als disponibel ansieht. Bloß keine Neiddebatte! Den hoch geschätzten Mitarbeitern soll schliesslich mit »Speedprämien« beim Abgang eingeheizt werden. Damit sie möglichst schnell das Unternehmen verlassen, werden bis zu 100 000 Euro Abfindung für die Fachkräfte in Aussicht gestellt.

Vielleicht reicht das ja, um die Macht der störrischen Personalräte zu brechen. Die Belegschaftsvertreter hatten nämlich die Auftragserteilung an eine Unternehmensberatung abgelehnt. Die Firma sollte bei der geplanten Abrissaktion mithelfen und veranschlagte dafür auch gleich 30 Millionen Euro an Kosten.

richard rabensaat