Sicherheit plus X

Auf seinem Delegiertentreffen fordert der Bundesgrenzschutzverband erweiterte Befugnisse für den BGS und jammert über die rot-grünen Sparmaßnahmen. Grün ist eben nicht gleich grün. von jan süselbeck

Wer hätte das gedacht. Sogar der Bundesgrenzschutz (BGS) braucht dringend mehr Geld. Anlässlich des Festakts zum 20. Ordentlichen Bundesdelegiertentag des Bundesgrenzschutzverbands (BGV), der am 19. September im DBB-Forum in der Berliner Friedrichstraße stattfand, reichte der stellvertretende Bundesvorsitzende, Rüdiger Reedwisch, schon einmal den Klingelbeutel herum. »Die Kollegen gefährden ihre Gesundheit in verschimmelten Diensträumen. Hier gibt es noch viel zu verbessern.«

Doch der Berliner Senator für Inneres, Ehrhart Körting (SPD), machte in seinem Grußwort schnell deutlich, dass es an diesem Vormittag durchaus um mehr gehen sollte, als nur um die nötige Renovierung der einen oder anderen Bahnhofswache. Nichts weniger als »die Herausforderung der inneren Sicherheit in einem erweiterten Europa« stand zur Debatte. Angesichts der zu erwartenden »Schleusung« von »illegalen« russischen Einwanderern in Folge der Ost-Erweiterung der Europäischen Union (EU) werde es für den BGS in Zukunft »an Arbeit nicht mangeln«, bemerkte Körting süffisant.

Der BGV, die Gewerkschaft des Bundesgrenzschutzes, betonte in einer Presseerklärung, zur effektiven Bekämpfung »der grenzüberschreitenden Kriminalität« und der »irregulären Migration« in Europa sei eine »Fortentwicklung des Bundesgrenzschutzes zu einer Bundespolizei BGS« nötig. Diese neue »Bundespolizei« müsse erweiterte Befugnisse im Rahmen eines neudefinierten »Grenzschutzes unter europäischen Vorzeichen« erhalten. So sollen etwa die »lagebildabhängigen Kontrollen zur Bekämpfung der illegalen Einreise«, die der Paragraf 22 Absatz 1a des BGS-Gesetzes vorsieht, erleichtert werden. Polizeiliche »Zugriffe« könnten dann schneller und unkomplizierter durchgeführt werden.

Geplant sind zudem verschiedene »Aufgabenvermehrungen«, etwa im Bereich der Luftsicherheit, der Bahnpolizei, beim Schutz von Bundes- und Verfassungsorganen bis hin zur Sicherung der Seegrenzen durch den BGS. Damit soll dieser zukünftig die »alleinige Zuständigkeit an den EU-Außen- und Binnengrenzen« erhalten und stärker als bisher in einen »gesamteuropäischen Grenzschutz« integriert werden. Schließlich will man seine bestehenden Kompetenzen an den östlichen Grenzen Deutschlands nicht verlieren, wenn diese mit den EU-Beitritten Polens und Tschechiens zu Binnengrenzen der EU werden.

Der einstimmig zum Vorsitzenden des BGV wiedergewählte Knut Paul versuchte diese Reformvorschläge in seiner Rede nicht etwa mit Hinweisen auf den rechtsextremistischen Terror zu begründen. Vielmehr verwies er darauf, dass »ethnische Zentren« Illegalität wie von selbst erzeugten: »Unter 100 000 Türken in Berlin fallen 10 000 Illegale kaum noch auf.« Stolz zitierte Paul eine Statistik, wonach derzeit auf hundert Personenkontrollen durch den BGS eine Festnahme eines »illegalen Einwanderers« falle. Dies sei ein hoher Erfolgswert, an den es in Zukunft anzuknüpfen gelte.

Die vom BGS erwünschte neue Superpolizei soll die »Sicherheitsarchitektur in Europa« maßgeblich verändern. Wohl deshalb konnten sich die Veranstalter des diesjährigen Festakts des BGV über ein erhöhtes Interesse der politischen Prominenz freuen. Als Vertreter des Innenministers Otto Schily (SPD) ergriff der Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, Lutz Diwell (SPD), das Wort, und sogar Petra Pau (PDS) war als Mitglied des Deutschen Bundestages zur sichtlichen Belustigung vieler uniformierter Herren erstmals auf einer Veranstaltung des BGV zugegen.

Während der Bundestagsabgeordnete Hartmut Koschyk (CSU) die Bundesregierung für ihre Streichungen besonders im Sozialhaushalt des BGS angriff und versprach, die Union werde sich weiter intensiv dafür einsetzen, den »BGS für Europa tauglich zu machen«, verwies Diwell darauf, dass Deutschland Dank der »SPD-Sicherheitspakete I und II immer noch eines der sichersten Länder Europas« sei. Dies werde gerne »kleingeredet«. Man dürfe die bewilligten Zuwächse im Haushalt des BGS nicht übersehen oder gar als selbstverständlich betrachten. Schließlich befinde sich die ganze Welt in einer wirtschaftlichen Krise.

Das hielt den stellvertretenden Bundesvorsitzenden des Deutschen Beamtenbundes (DBB), Peter Heesen, nicht davon ab, die sozialpolitischen Forderungen des BGV zu unterstreichen. Heesen wies den Vorwurf zurück, der Beamtenbund sei geprägt von »Betonmentalität und Besitzstandsdenken«. Allein die Gewerkschaften seien heute noch in der Lage, den sozialen Frieden zu wahren und das Nachdenken über die Kernfragen einzufordern: »Welchen Staat wollen wir eigentlich? Was sind seine künftigen Aufgaben? Wer soll sie erledigen? Wie müssen die Menschen, die diese Aufgaben erfüllen, behandelt werden?« 

Die Sparmaßnahmen der Bundesregierung seien »perspektivlos«. Statt die dringenden Probleme zu lösen, wisse »offensichtlich keiner derer, die am öffentlichen Dienst herumreformieren, wohin die Reise eigentlich gehen soll.« Vollkommen unerträglich sei das »Reformgequatsche« der Grünen, weshalb Heesen die anwesende grüne Bundestagsabgeordnete Silke Stokar mit der direkten Frage konfrontierte: »Könnte es sein, dass das Adjektiv grün neuerdings zum Synonym des Adjektivs dumm avanciert ist?« Und er meinte nicht die zahlreichen grünen Uniformen der Anwesenden.

Stokar versuchte, dieser Attacke in ihrem Grußwort etwas entgegenzusetzen. Die Grünen seien keineswegs »dumm«, vielmehr fungiere gerade ihre Partei als »Reformmotor im öffentlichen Dienst«. Unter den spöttischen Lachern des Saalpublikums betonte Stokar, dass sich die bereits beschlossenen Mehrausgaben für den BGS auf 90 Millionen Euro beliefen. Diese Zahl belege, wie ernst die Bundesregierung den Themenbereich der inneren Sicherheit nehme.

Dennoch monierte Stokar, die Bedeutung der geplanten »Bundespolizei BGS« sei noch nicht geklärt. Die Erweiterung der Kontrollbefugnisse, etwa im Bereich der Bahnhöfe, sei strittig. Schließlich zeigten die Beispiele größerer Bahnhöfe wie in Hannover oder Leipzig, dass diese öffentlichen Bereiche nicht mehr länger typische Brennpunkte der Kriminalität seien, sondern sich zu normalen Erlebnis- und Einkaufszentren der Städte wandelten. Dafür erntete Stokar nur Kopfschütteln.

Zum Abschluss spielte das BGS-Orchester Berlin, das die Veranstaltung mit klassischen Evergreens begleitet hatte, die Nationalhymne. Der gesamte Saal erhob sich, um einzustimmen. Auch Petra Pau. Doch die lautesten Sänger trugen grüne Uniformen.