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Verschworen und verloren

Gerhard Wisnewski. Lange Zeit hatte der WDR eine schützende Hand über seinen gelegentlichen Autoren, den Verschwörungstheoretiker Gerhard Wisnewski, gehalten. Schließlich ist sein alter Kollege Wolfgang Landgraeber, mit dem er das »RAF-Phantom« geschrieben hatte, dort inzwischen zuständig für Kultur und Dokumentationen.

So konnte Wisnewski zusammen mit Willy Brunner einen kruden Beitrag zum 11.9. unterbringen, in dem letztlich den USA unterstellt wurde, die Anschläge selbst inszeniert zu haben (Jungle World, 27/03). Nun jedoch bekommen die beiden zunächst keine Aufträge mehr vom WDR. Das beschloss der Rundfunkrat in der vergangenen Woche.

Nachdem zunächst Jungle World und später die Jüdische Allgemeine Zeitung nicht nur auf den antisemitischen Gehalt jener Verschwörungstheorien, sondern auch auf die antisemitischen Ausfälle auf Wisnewskis Homepage aufmerksam machten, hagelte es Protestschreiben bei WDR-Intendant Fritz Pleitgen.

Als dann das NDR-Magazin Panorama und der Spiegel auch noch die gesamte »Recherche« Wisnewskis und anderer Verschwörungstheoretiker Stück für Stück widerlegten, sah sich der WDR endlich zu Maßnahmen gezwungen. Eine Hand voll Journalisten wurde verdonnert, Wisnewskis Behauptungen aufwändig nachzurecherchieren, was auch geschah und einer Demontage gleichkam. Jetzt distanzierte sich Pleitgen von dem Wisnewski/Brunner-Film, der »kein Ruhmesblatt« für den WDR gewesen sei. Man fühle sich »getäuscht«.

Hinter den Kulissen soll es beim WDR jedoch weiterhin heftig rumoren. Ob auch Wisnewskis Patron Landgraeber mit Konsequenzen rechnen muss, ist nicht bekannt. Für Wisnewski und Brunner jedoch ist der Fall klar: »Berufsverbot« wettern sie im Internet. Dabei sind sie nur miese Handwerker, die man sich nicht noch mal ins Haus holt.

Edward Said gestorben

Nachruf. Wenn ein Literaturwissenschaftler stirbt, greift die Uno normalerweise nicht ein, und das Sprechen von Urteilen bleibt Sache des Feuilletons. Wenn Edward Said stirbt ist das jedoch anders. Kein Geringerer als Kofi Annan erklärte zum Tod des palästinensischen Essayisten, die Welt habe »eine wichtige Stimme verloren«, denn Said habe sich »enorme Verdienste damit erworben, den Westen mit der arabischen Welt vertraut zu machen«.

Das West-Ost-Crossover war nicht nur Thema seiner Werke, sondern sein Lebensthema, und das nicht unbedingt aus freien Stücken. Als christlicher Araber 1933 in Jerusalem geboren, musste er mit seiner Familie ins Exil gehen und lebte fortan in den USA. In New York lehrte er seit 1963 in den Fächern Anglistik und Komparatistik.

Mit seinem Buch »Orientalism«, einer Kritik an den herkömmlichen Sichtweisen der westlichen Orientalistik, gelang ihm international der Durchbruch. Auch in Deutschland kannte ihn bald jeder Student, zumindest dem Namen nach. Im Vergleich zum anglo-amerikanischen Raum setzte die Rezeption in Deutschland allerdings verspätet ein und blieb bruchstückhaft.

Said amalgamierte verschiedene Theorieschulen, Phänomenologie, Strukturalismus, Semiotik, Dekonstruktivismus und eine kontrapunktische Geschichtsauffassung, womit er sich natürlich eine Menge Feinde machte. Vor allem aber gibt es politischen Streit um seine Bücher und sein Engagement, u.a. als langjähriges Mitglied des palästinensischen Exilparlaments und als Unterstützer von Yassir Arafat, von dem er sich jedoch zuletzt abwandte. Allerdings nicht wegen dessen Beziehungen zu Terroristen, sondern wegen dessen angeblich pro-israelischer Haltung. Die wollte Said seit dem Friedensabkommen von Oslo bei Arafat ausgemacht haben.

Saids theoretisches wie politisches Engagement allerdings lässt sich nicht auf einen Nenner bringen, weder war er der »Terror«-Prof noch der ideale Gesamtpalästinenser. Zuletzt entwickelte der leukämiekranke Said gemeinsam mit dem Dirigenten Daniel Barenboim ein Projekt, in dem junge israelische und arabische Musiker zusammen arbeiteten.

Halb Bild, halb taz

25 Jahre taz. Ein halbrundes Jubiläum stand auf der Agenda der taz, die ihr 25jähriges Bestehen zu einem schrägen Echtzeit-Experiment nutzte und einen Tag lang »feindliche Übernahme« spielte. Und das hat der Zeitung, die sich ansonsten nie entscheiden kann, ob sie witzig sein will oder das nicht darf, ziemlich gut getan. Denn diese von den »Lieblingsfeinden der Zeitung« voll geschriebene Ausgabe war komisch und schlau und lesenswert, ergab das Durcheinander von allerlei Publizisten und publizierenden Politikern doch ein Vexierbild deutschen Streits. Mit dabei waren u.a. Guido Westerwelle, Helmut Markwort, Gabi Zimmer, Frank Schirrmacher, Franz Josef Wagner und last not least der göttliche Rudolf Scharping.

Der schlichte Titel in fetten Lettern, »Heute gibt’s Kohl«, trug ganz eindeutig die Handschrift von Bild-Boss Kai Diekmann, mit dem sich die taz bis vor kurzem noch in einem »Penis-Prozess« genannten Rechtsstreit befunden hatte, in dem es um die Grenzen der Satire ging, aber, siehe da, die Bild-taz-Synthese ergab eins der besten Titelbilder der jüngeren Zeit.

Diekmann, zum Interimschef der taz aufgestiegen, hatte sowohl den ansonsten mundfaulen Altkanzler angeschleppt und ihm ein interessantes Gespräch abgetrotzt als auch den in seinem Redefluss nicht mehr zu stoppenden Ex-Modern-Talking-Mann Dieter Bohlen angekarrt und ihn über sein Leben als Juso schreiben lassen. Was einen vergleichsweise originellen Text ergab. Gleich unter Dieter Bohlens Aufsatz gab’s einen Beitrag des ehemaligen B.Z.-Chefs Georg Gafron, der irgendwas zum Thema Sex und Politik zu sagen versuchte und sich am Ende der grottenschlechtesten Kolumne, die je in der taz erschienen ist, mit dem verbotenen Satz »Ich persönlich mag die Frauenbewegung – besonders wenn sie rhythmisch ist« selber richtete. Halleluja, und schon deshalb hat sich das Feind-Experiment gelohnt.