Töpferkurs mit Romeo

Schlimmer als die Wirklichkeit: In »Family Date« bewerben sich Jungs bei den Eltern um die Tochter. von elke wittich

Das hatte einem die Bravo damals hinterrücks verschwiegen: Wenn der erste richtige Freund erst beschafft war, so hatte man gedacht, würde alles gut werden. Klar würde es Probleme geben, die gehörten schließlich zu so einer echten Beziehung dazu, man würde sich streiten, aber eben auch versöhnen und es würde Grund zur Eifersucht geben und Ärger um die gemeinsame Freizeitgestaltung und vielleicht auch Nervereien mit der besten Freundin. Auf einen Punkt hatte einen aber keiner der hauptberuflichen Ratgeber vorbereitet: das erste offizielle Zusammentreffen von Eltern und Freund.

Dunkel geahnt hatte man schon einige Tage vor dem großen Meeting, dass die Qualitäten, die einen dazu gebracht hatten, sich in den Star der Parallelklasse zu verlieben, für Mama und Papa eher Sekundärtugenden sein könnten. Die Fähigkeit, in Rekordzeit einen Joint zu bauen oder auf der Kirmes derart gut Autoscooter zu fahren, dass selbst die Schausteller staunten und dem Schwarm umgehend einen Job anboten, würde die Erziehungsberechtigten nicht unbedingt für den künftigen Schwiegersohn einnehmen, soviel war klar. Auch dass er unglaublich gut küssen konnte und einen fortwährend mit »mein Engel« anredete wäre für sie kein Qualitätsbeweis. Also musste der Kerl zunächst auf Linie gebracht werden: »Fall bloß nicht auf meine Eltern rein, sie tun zwar nett, aber sie sind die Hölle!« Anschließend wurde geübt: »Sag bloß nicht, dass du eigentlich nix werden willst, dann hast du gleich verschissen. Behaupte einfach, dass du studieren willst, aber noch nicht weißt, was!«

Auch die Familie wurde umfassend auf den großen Tag vorbereitet. Der kleine nervige Bruder, der ganz gern aus dem schwesterlichen Tagebuch zitierte, das man doch besser hätte abschließen sollen, soviel stand nun fest, wurde ausquartiert. Das war einfach. Papa zu überreden, auf seine geliebte schlumelige braune Feierabend-Cordhose zu verzichten, war nicht weiter schwierig, denn unerklärlicherweise hatte die seit einigen Tagen einen Riss überm Hintern. Der Vorstellungstermin geriet trotzdem zum peinlichsten Abend des Lebens. Der Kerl saß entweder völlig verstockt auf der Couch und zeigte nur wenig von der den Eltern zuvor ziemlich großspurig angekündigten Eloquenz und Intelligenz – oder er quasselte in einer Tour durch. Den größtmöglichen Unsinn selbstverständlich, wobei die eigenen Eltern auch nicht viel besser waren.

Sie erzählten im schlimmsten Fall lustige Geschichten aus dem Familienleben, die man selbst eigentlich absolut geheimhalten wollte – nun würde man für immer mit dem Typen zusammen bleiben müssen, denn sowie man sich trennen würde, erzählte er sie bestimmt überall herum. Am besten war es tatsächlich, wenn alle Beteiligten bereits nach zehn Minuten feststellten, dass man einander einfach nichts zu sagen hatte. Dann durfte man den Typen mit aufs Zimmer nehmen und ein wenig knutschen; erst später würden die Eltern taktvoll anmerken, dass sie den Kerl eher nicht mochten. Das war aber auch völlig okay, denn einen Freund zu haben, den Mama und Papa mochten, wäre derart uncool gewesen, dass man ihn sofort hätte wegschicken müssen.

Die Macher der neuen Sat.1-Show »Family Date« können solche Probleme niemals erlebt haben. Denn sonst wären sie nie auf die Idee gekommen, das US-Format »Meet my folks« fürs deutsche Fernsehen zu editieren. Alles daran ist schließlich höchst schmierlappig – und weckt traumatische Erinnerungen. Drei Männer bewerben sich in »Family Date« um die große Chance, nach umfassenden Tests mit der – meist sehr schwer vermittelbar aussehenden – Tochter des Hauses in Urlaub fahren zu dürfen. Der Glückliche wird dabei jedoch nicht von der Betroffenen ausgesucht, sondern es sind die Eltern, die täglich einen Bewerber wegschicken. Was bedeutet: Die Kerle schleimen sich nicht nur an die Tochter ran, sondern auch ganz massiv an Mama und Papa. Man wohnt unter einem Dach und entsprechend hilfsbereit und aufmerksam und freundlich und gut gelaunt präsentieren sich die Männer. Ständig.

Andauernd lassen sie sich kleine Überraschungen einfallen, die Frauen im Leben meist dazu bringen würden, laut schreiend wegzulaufen. Denn wer möchte schon auf eine idyllische Waldlichtung geführt werden, wo ein reich mit italienischen Spezialitäten bedeckter Tisch wartet? Zum einen ruiniert man sich an solchen Orten grundsätzlich die Absätze, zum anderen müsste mittlerweile wirklich jeder wissen, das es in Wäldern vor Zecken, Wespen, Spinnen, Käfern und Ameisen wimmelt und das gesammelte Viecherzeugs wahrscheinlich nur darauf wartet, auf dem Parmaschinken Platz zu nehmen, im Champagner baden zu gehen und anschließend mit schmutzigen Füßchen über die Butter zu trampeln. Romantisch ist das jedenfalls nicht, aber die zu vergebende Tochter strahlt den Wannabe-Romeo selbst dann noch tapfer an, als ein Mandolinenspieler aus dem Unterholz tritt und mit dem Abspielen absolut verbotener Schnulzen beginnt.

Die Überraschung des nächsten Kandidaten ist ebenfalls nichts für richtige Frauen. Er lädt zum gemeinsamen Töpfern ein – Töpfern! I.e: Ekliges Geschirr oder fiese Vasen herstellen! Sich dabei pausenlos mit schleimigem Matsch vollkleckern! Die Tochter tut trotzdem so, als freue sie sich halbtot, anstatt den Kerl mit dem Gesicht zuerst auf die Töpferscheibe zu werfen und diese dann einzuschalten, wie es eigentlich angebracht gewesen wäre. Denn die Frau scheint wirklich dringend ein Date haben zu wollen, schließlich erwürgt sie auch den dritten Kandidaten nicht, dessen Überraschung in einem Body-Painting besteht. Nicht etwa, dass sich nun ein international renommierter Künstler über ihren Körper hermachen würde, nein, man malt sich in Badekleidung gegenseitig an mit etwas, das schwer an Fingerfarben erinnert. Hier ein Strichmännchen, da ein Wölkchen oder ist es doch ein Herzchen, dazu wird gequält gelacht. Später dann kommen die Ex-Freundinnen und erzählen Nachteiliges über die Herren, wobei besonders die Väter sehr aufpassen. Denn natürlich sind sie es, die das letzte Wort bei der Auswahl haben. Wozu einem jede Menge Assoziationen kommen, die man aber allesamt nicht aufschreiben möchte.

Eigentlich, so hatte man eben noch gedacht, sei »Dismissed« auf MTV die schlimmste Sendung der Welt. Die sich beständig gegenseitig dissenden Typen, die all ihren Ehrgeiz daran setzen, eine blonde Schnalle zu gewinnen, sind wirklich nur schwer zu ertragen. Frauen, die einander in Grund und Boden bitchen – obwohl es objektiv dabei nur um einen dieser Kerle geht, denen man selbst auf kürzeren Distanzen wie auf dem Weg zum Zigarettenautomaten am Nachbarhaus zu jeder Tages- und Nachtzeit ungefähr bei jedem zweiten Schritt begegnet – sind sogar noch ekliger anzusehen. Aber »Family Date« schlägt sie um Längen. Denn alle Beteiligten nehmen die Sendung absolut ernst. Die Töchter glauben wirklich, dass es den Jungs tatsächlich nur um sie geht und nicht etwa um den Fernsehruhm; die Eltern diskutieren die Vor- und Nachteile der Kandidaten so intensiv, als ginge es wirklich darum, den Gewinner für die nächsten 30 Jahre als Schwiegersohn am Hals zu haben; und die Kandidaten scheinen zu glauben, dass sie sich in einer Castingshow für die Gottschalk-Nachfolge bei »Wetten dass« befinden, so schmierig versuchen sie, ihre TV-Kompatibilität und Weltläufigkeit unter Beweis zu stellen.