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Schnell weg hier, bevor sie Barrikaden bauen!« Der Inlandsredakteur hat es eilig, ins Auto zu hüpfen. Sein Kollege aus dem Ressort Internationales tut es ihm nach, der Geschäftsführer klemmt sich ans Steuer und – Flucht aus Hamburg!

Ähnliches geschieht in Essen. Der Ruhrpott befindet sich im Ausnahmezustand. Es geht nichts mehr. Die Bahn steht still, und zwar nicht wegen Mehdorn. Es sind die Revolutionäre, die wild Streikenden, die Unzufriedenen. In Frankfurt das gleiche Bild. Auch hier erheben sich die Massen wie einen Tag später in Leipzig. Der Aufstand wird ein Flächenbrand. Und in den Geschichtsbüchern wird eines Tages stehen: Schuld daran war eine kleine linke Wochenzeitung, die zu Podiumsdiskussionen über den Sozialabbau der rot-grünen Regierung geladen … äh, was?

»Ach, aus der Traum? Aber schön war er. Wo sind wir? Im Lahn-Dill-Kreis? Wo soll denn das sein?« »Irgendwo zwischen Essen und Frankfurt.« Und die Revolution lässt auf sich warten.

Auch wenn der Wunsch nach der Aufhebung des Kapitalismus von den meisten TeilnehmerInnen an den Podien der Jungle World in der vergangenen Woche geteilt wurde. Von wegen »Sozialstaat« oder »Recht auf Arbeit«: Der ganze Kuchen soll es sein und nicht der Krümel, da war man sich einig. Aber der Reihe nach.

Hamburg, an der Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP). Sie wird gerade abgewickelt, vielleicht kommen deswegen so viele junge Leute, um etwa Freerk Huisken und Andreas Baumgart anzuhören (siehe Seite 5). In Essen dagegen sind es vor allem Arbeitslose und Gewerkschafter, die sich für Bernd Beiers Bericht vom Aufstand in Frankreich, für die Gewerkschaftskritik Felix Klopoteks und die Ansichten des stellvertretenden Bezirksleiters von Verdi Dortmund, Helmut Weiss, interessieren.

In Frankfurt erfahren die Redakteure der Jungle World dann allerdings am eigenen Leib, welchen Kurs der DGB eingeschlagen hat. Die DGB-Jugend, die den Raum zur Verfügung stellt, glänzt durch Abwesenheit. Und der Hausmeister reißt noch mal schnell die Plakate ab, damit so wenig Leute wie möglich das Jugendcafé finden. Doch die Referenten lassen sich nicht irritieren und berichten von ihren Versuchen, den Widerstand in Frankfurt und Umgebung zu radikalisieren.

In Leipzig erreicht die Ideologiekritik dann ihren Höhepunkt. Die Auseinandersetzung zwischen den Antideutschen und den Anhängern der Krisis-Theorie findet auf höchstem Niveau statt. Und so soll es sein. Damit der Traum Wirklichkeit wird.