LeserInnenworld

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Jungle World 41/03: Viel Raum, wenig Volk

Griff in den Nazitopf

Die Autorin übernimmt die Selbstbeschreibung der TeilnehmerInnen und spiegelt unkritisch deren Eigenwahrnehmung und Selbstdarstellung. Von einer Zeitung wie der Jungle World erwartet man doch ein wenig mehr. Das Projekt erscheint bei etwas gründlicherer Betrachtung recht unreflektiert. Dies zeigt sich besonders in der erschreckenden Oberflächlichkeit, Sorglosigkeit und Ignoranz im Umgang mit dem speziellen Gebäude. Die größte Architekturruine aus der Zeit des Nationalsozialismus ist seit den neunziger Jahren, nach dem Ende der Nutzung durch die Nationale Volksarmee, ein umstrittenes Objekt der Debatten um die so genannten Erinnerungsorte. Diese Debatten und politischen Zusammenhänge bewusst auszublenden, um einen »unvoreingenommeneren und unbefangeneren« Zugang zum Ort zu finden, befördert auch nicht unbedingt eine künstlerische Auseinandersetzung. Für die dort produzierte Kunst hat es dazu geführt, dass ein eher assoziatives Hineingreifen in den großen Topf der Naziästhetik stattgefunden hat. So viel Ausblenden und lustvolles Verwischen und Überlagern von Spuren an diesem Ort macht beklommen.

judith henning, christiane heß

Jungle World 43/03: Mutig in Mutlangen

Sich ganz mutig entsolidarisieren

Zielsicher verschwindet die Jungle World in einer solchen: Gestern wurde noch gegen Windenergie geätzt, heute muffelt es gegen die AufrüstungsgegnerInnen von einst. So ganz zu verdammen sind die zwar nicht, aber Distanz ist angebracht – die Friedensbewegung roch nach NationalistInnen und AntisemitInnen. Das war doch zu erwarten! Wieder mal ein neuer Anlass, sich ganz mutig zu entsolidarisieren. Bei den WTO-GegnerInnen ist es ja auch nicht anders, z.B. bei Attac. Haben wir alles aus der Jungle World gelernt. Wer die deutschen Verhältnisse kritisieren will, sollte stets und ständig alle Sinne auf das Teutonentum konzentrieren. Was mit dem Rückzug auf die warme Ofenbank unter der Headline »Fanta statt Fatwa« begann, erschöpft sich mittlerweile in Allgemeinplätzen ohne Analyse.

jochen cotaru

Jungle World 43/03: Home Story

Unbestimmtes Diffamieren

Natürlich sind Fairness und Objektivität nicht Sache der Jungle World, sollen sie auch gar nicht sein. Aber können Sie mir trotzdem mal verraten, was Sie mit Ihrem kryptischen Geraune über ein Streitgespräch zwischen Broder und Pohrt eigentlich mitteilen wollten? Ihre Zitatfetzen lassen mich leider nur ahnen, dass Sie Pohrt aus einem mehr oder weniger unbestimmten Gefühl heraus zu diffamieren versuchen. Und das ist in jedem Fall mehr als grenzwertig.

Das erinnert mich an einen ärgerlichen Artikel über Günter Wallraff, der vor ein paar Wochen in Ihrem Blatt erschien. Da hieß es sinngemäß, Wallraff hätte sowieso immer nur das geschrieben, was alle schon wussten. Was »alle« Anfang der sechziger Jahre wussten, als die ersten Reportagen von Wallraff erschienen, weiß ich nicht, und ich will zu Fuß von Mannheim nach Berlin in die Bergmannstraße pilgern, wenn der Grünschnabel, der das behauptet, eine Ahnung davon hat.

stefan hoffmann