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Rote Brigaden eingesammelt

Italien. Ganz Italien streikte am vergangenen Freitag, nur die Polizei nicht. In einer groß angelegten Operation in mehreren italienischen Städten nahm sie sechs mutmaßliche Mitglieder der Brigate Rosse fest. Außerdem wurden zahlreiche Telefonkarten, Mobiltelefone, CDs und Dokumente beschlagnahmt. Die vier Männer und zwei Frauen werden verdächtigt, 1999 an der Ermordung von Massimo D’Antona, einem Berater des damaligen Arbeitsministers, beteiligt gewesen zu sein. D’Antona hatte vor dem Attentat an einer Reform des Arbeitsrechts gearbeitet. Mit dem gleichen Thema beschäftigte sich auch der Regierungsberater Marco Biagi, der im vergangenen Jahr ebenfalls ermordet wurde. Auch zu letzterem Attentat bekannte sich ein Ableger der Roten Brigaden. Am Freitag zeigte sich Innenminister Giuseppe Pisanu zufrieden. Die Verhafteten seien auch für den Mord an Biagi verantwortlich, die Beweise seien absolut sicher. Die Operation, bei der mehr als 120 Wohnungen durchsucht wurden, beruht auf Hinweisen, die die Polizei im März bei der Festnahme zweier mutmaßlicher Brigadisten erhielt.

Ohne sie geht nichts

Schweiz. Die Schweizer Migrantenorganisation Solidarité sans frontières plant für das kommende Jahr eine Kampagne unter dem Titel »Sans nous rien ne va plus«. Die Gruppe fordert eine Kehrtwende in der Schweizer Asyl- und Migrationspolitik, die an humanitären Gesichtspunkten und völkerrechtlichen Bestimmungen auszurichten sei.

Doch gleichzeitig sonnt sich der politische Gegner im Glanze seines Wahlerfolges. Christoph Blocher von der rechtspopulistischen SVP, die als stärkste Partei aus den Schweizer Bundesratswahlen hervorging, nutzte die Gunst der Stunde und raunte, wenn sich nicht bald einiges ändere, stünde der Schweiz eine »Revolution« bevor.

»Revolutionär« sind seine Vorstöße in der Asylpolitik allemal. So forderte er vor kurzem, Asylbewerbern, deren Antrag abgelehnt wurde, zukünftig die Sozialleistungen umgehend zu streichen. Blocher gedenkt anscheinend, die Nachfrage nach billiger migrantischer Arbeitskraft zu befriedigen. Rassistischer Populismus und Standortnationalismus sind problemlos miteinander vereinbar. Blocher macht es vor.

Prekäre Störungen

Frankreich. Die intermittents du spectacle (prekäre Kulturschaffende), die Frankreich den Hochsommer über in Atem hielten, machen wieder von sich reden. Ihre letzte Aktion nahm vergangene Woche die Fernsehsendung »Star académie« – die französische Entsprechung zu »Deutschland sucht den Superstar« – ins Visier. Die Sendung hatte gerade begonnen, da gelang es mehreren Dutzend intermittents, in das Fernsehstudio einzudringen. Für den Zuschauer gut sichtbar, zeigten sie ein breites Transparent mit der Aufschrift: »Schaltet die Fernseher aus!« Es folgte einiger Tumult, dann wurden ein Werbeblock und eine Serie ausgestrahlt. Erst nach zwei Stunden konnte zu »Star académie« zurückgeschaltet werden. Zehn intermittents wurden verletzt und vier festgenommen.

Der Sender TF1 behauptete, die Eindringlinge hätten Gewalt angewendet, Türen eingeschlagen und den Moderator bedroht. Doch die Videoaufnahme eines Amateurfilmers zeigt, wie Teilnehmer an der Aktion vom Sicherheitsdienst zusammengeschlagen wurden, während keine Gewalt der intermittents zu sehen ist.

Die intermittents protestieren noch immer gegen eine im Sommer verabschiedete Reform, die vielen von ihnen die ökonomische Existenz zu entziehen droht.

Exemplarische Bestrafung

Griechenland. Beim zweiten Haftprüfungstermin der sieben in U-Haft sitzenden Demonstranten vom EU-Gipfel in Thessaloniki wurde vergangene Woche der Antrag auf Freilassung vom zuständigen Gericht abgelehnt.

Ein Bündnis politischer und gesellschaftlicher Gruppen kritisierte die Entscheidung scharf. Die Verfolgung der Inhaftierten beruhe auf »Polizeikonstrukten«, was durch Filmaufnahmen und Zeugenaussagen bewiesen sei. Dies werde von den Justizbehörden hartnäckig ignoriert. Die exemplarische Bestrafung der Inhaftierten solle schon vor den Olympischen Spielen 2004 jeglichen Widerstand einschüchtern. Um den Hungerstreik von fünf der Inhaftierten zu unterstützen, ruft das Bündnis zur Solidaritätsdemonstration am 4. November in Thessaloniki auf. Der syrische Flüchtling Suleyman Kastro ist seit 35 Tagen im Hungerstreik, zwei Spanier und ein Engländer seit 22, ein Grieche seit 20 Tagen. Die Freundinnen von drei der Inhaftierten beginnen am 31. Oktober einen Solidaritätshungerstreik im Stadtzentrum von Thessaloniki.

Hitler war o.k.

Norwegen. Der Mythos vom »Rechtsaußen-Phänomen« hat durch eine aktuelle Studie des norwegischen Komitees gegen Antisemitismus einen heftigen Schlag erlitten. Der Historiker Mikael Tossavainen untersuchte den Verbreitungsgrad von antisemitischen Ressentiments unter norwegischen Migranten und kam zu erschreckenden Ergebnissen. Gerade unter moslemischen und christlichen Arabern aus Syrien, Libanon, Irak und Palästina sei eine antijüdische Grundhaltung äußerst verbreitet.

Direktoren und Lehrer berichten vermehrt von ausländischen Schülern, die im Unterricht unverhohlen ihren Hass auf die Juden kultivieren, die Shoa leugnen oder verherrlichen und die Anschläge des 11. September entweder als »jüdisches Komplott« oder als »Heldentat« deklarieren.

Während des gesamten Zeitraums des Jahres 2002 wurden in Norwegen 133 antisemitische Straftaten polizeilich registriert, die Dunkelziffer liegt vermutlich um einiges höher.