Wilder Osten mit Hightech

Ausbau der EU-Ostgrenze

»Die polnische Maginot-Linie«, so titelte die polnische Newsweek, ein Produkt der Axel Springer Polska, Ende September anlässlich der Visumseinführung für die östlichen Nachbarn Polens.

Stolz wurde präsentiert, mit welchem Instrumentarium man sich gegen so genannte illegale Migranten und Schmuggler abschottet. Dazu gehören die modernen Kleinbusse, ausgestattet mit auf dem Dach montierten beweglichen Kameras der Firma Zeiss, deren Reichweite fünf Kilometer beträgt, Wärmebildkameras mit einer Reichweite von zwölf Kilometern und Laser-Bewegungsmessern, die mit großer Genauigkeit die Entfernung des angepeilten Objektes bestimmen können. Solche Autos kosten 1,6 Millionen Zloty beziehungsweise 400 000 Euro, eine Summe, die für den armen Osten Polens aus einer anderen Welt zu stammen scheint. 17 dieser Autos wurden durch das EU-Programm Phare finanziert, weitere 46 Autos wurden im September 2003 bestellt. Allein die Beamten der Grenzstation in Podlasie erhielten durch das Phare-Programm 775 Mobiltelefone, sieben Scanner und 90 Computer. An den Grenzübergängen sind Messgeräte für den Sauerstoffgehalt in Lkw im Einsatz, mit deren Hilfe versteckte Personen ausfindig gemacht werden sollen. Außerdem finanziert die EU Motorräder, Geländewagen, Schneeroller, Hubschrauber und Observationsflugzeuge für den Einsatz in und über unwegsamem Gelände.

Wie diese Mittel eingesetzt wurden, zeigte sich am 27. August dieses Jahres. Da verhaftete die Grenzwache bei Tomaszow Lubelski an der ukrainischen Grenze zwei Kurden. Sie sagten aus, dass sechs weitere Personen mit einem cremefarbenen Auto bereits nach Polen eingereist seien. Daraufhin startete von Lublin ein Hubschrauber mit Spezialkamera, der das Auto ortete. Der Hubschrauber landete mitten auf der Strasse vor einem Supermarkt, aus ihm sprangen bewaffnete Grenzer, die die Kurden verhafteten.

Das neueste technische Prachtstück der verhaftungswilligen Grenzer ist ein so genannter Heiman, der am Grenzübergang Bobrowniki bei Bialystok an der Grenze zu Weißrussland installiert wurde. Mit ihm kann ein ganzer Lkw geröntgt werden. An diesem Grenzübergang ist zudem ein Scanner im Einsatz, der zur Analyse von Ausweisen und Visa dient und anzeigt, ob und wo eine Manipulation stattgefunden hat. Solche Geräte seien umso wichtiger, so die Grenzbeamten, da wegen der Visumseinführung erwartet wird, dass vermehrt Personen mit gefälschten oder manipulierten Visa über die Grenze kommen werden. Entlang der Grenze wurde zudem ein spezielles Kabel mit Bewegungsmeldern installiert, das z.B. auf den Druck eines Fußes reagiert.

Der von Sicherheitstechnologie nur so strotzende Ausbau der polnischen Ostgrenze wurde durch den Druck und die Finanzspritzen der EU zu einem der größten Investitionsfelder, die es in Polen gibt: Seit 1997 wurden 20 neue Grenzübergänge gebaut, und bis Ende 2004 sollen noch sechs weitere hinzukommen. Im vergangenen Jahr nahm die polnische Grenzwache mehr als 5 000 Personen wegen illegalen Grenzübertritts fest und 171, denen sie »Schlepperei« vorwirft.

In den nächsten drei Jahren wird die Grenzwache mehr als 5 000 neue Beamte einstellen, zur Zeit arbeiten dort schon 12 000. Damit die Grenzsicherung noch professioneller wird, holt man sich auch ausländische Hilfe. Im Mai 2003 kamen US-Experten, um die polnischen Grenzer fortzubilden. Weil die Delegation überwiegend aus Indigenas vom Stamm der Sioux und Navajos bestand, berichteten einige polnische Zeitungen vom »Wilden Westen im polnischen Osten«.

franziska bruder