Ein super Mann

Will Eisners Comicserie »Spirit« in einer Werkausgabe. von andreas hartmann

Denny Colt alias »Der Spirit«, wurde irrtümlich auf dem Wildwood-Friedhof begraben. Jetzt setzt er von seinem Grab aus seinen Kampf gegen das Verbrechen fort.« So und so ähnlich steigt Will Eisner in jede einzelne seiner »Spirit«-Geschichten ein. »Spirit« wurde Anfang der Vierziger als Teil einer Sonntags-Comicbeilage für Tageszeitungen erschaffen. Weil jede Geschichte in sieben Seiten erzählt wird, war Eisner bei jeder einzelnen »Spirit«-Story von Anfang an gezwungen, auf das Tempo drücken.

Der »Spirit« begründete Eisners Ruhm, nicht nur einer der besten Zeichner zu sein, sondern auch ein rasanter Erzähler, der den Knalleffekt immer der Story unterordnet. Die Serie war in verschiedener Hinsicht so innovativ, dass sie bis heute als eine der wichtigsten in der Comicgeschichte überhaupt gilt. Zwar geriet der Strip nach der letzten Folge Ende 1952 erst mal in Vergessenheit, wurde in den sechziger Jahren jedoch wiederentdeckt und später auch auf dem deutschen Markt immer wieder veröffentlicht. Freilich sind auch diese Reprints längst wieder vergriffen, und so ist es nur begrüßenswert, dass nun die bereits abgeschlossene mehrbändige Werkausgabe des »Spirit« sukzessive aus dem Amerikanischen ins Deutsche übertragen wird.

Der vor kurzem erschienene zweite Band der Werkausgabe enthält die zwischen Januar und Ende Juni 1941 wöchentlich erschienenen »Spirit«-Geschichten. Zu dieser Zeit waren die Storys formal und inhaltlich noch strenger aufgebaut als in späteren Folgen, in denen Eisner den »Spirit« zunehmend mit paranormalen Phänomenen konfrontierte, ihn immer aberwitzigere Abenteuer erleben ließ und auch versuchte, den Seitenaufbau zu sprengen. Wobei jedoch der vorliegende Band belegt, dass der »Spirit« von Anfang an nicht nur die übelsten Schurken der Unterwelt mit seiner stahlharten Rechten (der Spirit benutzt niemals einen Revoler) niederstreckt, sondern auch Spione ausschaltet, einer Invasion von Aliens vom Planeten Argo auf die Schliche kommt, und – in der bizarrsten Geschichte – versucht, den Amerika-Besucher Adolf Hitler wieder auf den richtigen Weg zu bringen.

»Das Märchen vom geläuterten Diktator« heißt die Hitler-Story. Der Spirit liest hier dem Führer mit Hilfe von ein paar Macchiavelli-Zitaten die Leviten, so dass dieser plötzlich im Land der Demokratie bereut und verspricht: »Ich gehe in mein Land zurück und stoppe diesen Krieg, bringe Frieden und Freiheit zurück.« Doch zurück in Deutschland will der Generalstab von solchen Faxen nichts wissen, eine Himmler ähnliche Type erschießt Hitler und ersetzt ihn durch einen Doppelgänger. Die Vorstellung, dass man selbst einen Hitler durch ein wenig gutes Zureden wieder auf den Pfad der Tugend führen könnte, mag zwar naiv sein, doch immerhin schien Eisner schon damals erkannt zu haben, dass Deutschland nicht nur allein seines Führers wegen das Reich des Bösen war.

Die Hitler-Story ist ein Beispiel dafür, dass Eisner Gut und Böse viel komplexer zeichnete, als dies bei den Superhelden-Geschichten in den Vierzigern der Fall war. Amerika war damals süchtig nach heroischen Helden, die es den Schurken als Stellvertretern für die Deutschen – und nach dem Krieg für die Russen – , so richtig zeigten. Der Spirit dagegen hat selbst mit den fiesesten Gegnern am Ende immer wieder Mitleid und versucht, deren Motivation zu verstehen. Er ist ein mitfühlender Moralist und Gutmensch, was manchmal gehörig nervt. Ein wenig aseptisch wirkt er immer wieder, er ist zwar ein Frauenschwarm, dennoch völlig asexuell, außerdem würde er bestimmt niemals einen über den Durst trinken.

Dennoch schafft es Eisner immer wieder, seine Geschichten mit Witz und den Spirit mit Selbstironie auszustatten. Und die zeichnerische Arbeit Eisners mit Licht und Schatten, sein »filmisches« Konstruieren und seine atemberaubenden Splash-Panels (oft ganzseitige Eröffungsbilder) sind immer ein ganz spezieller Genuss.

Will Eisner: Die Spirit Archive. Band 2. Eckhart Schott Verlag, Mainz 2003, 216 S., 46 Euro