Hessische Verhältnisse

Der CDU-Landesverband steht hinter Martin Hohmann. In Fulda und Umgebung hatte man mit seinen extremen Ansichten sowieso nie ein Problem. von jesko bender

Kurs halten! Unerschütterlich Kurs halten!« Dies forderte Martin Hohmann von der CDU, und zwar in seinem Nachruf auf den im Jahr 2002 verstorbenen Parteifreund Alfred Dregger. Zumindest in Hessen muss sich Hohmann über die Standhaftigkeit seiner Partei keine Sorgen machen. Hier befindet er sich in guter Gesellschaft. Weder sein Ortsverein Neuhof noch die hessischen Christdemokraten bereiteten ihm bisher Schwierigkeiten, wenn er, wie jedes Jahr am 3. Oktober, gegen Schwule, Linke oder Ausländer hetzte.

Es war eigentlich ein Zufall, der Hohmann in die Schlagzeilen brachte. Seine Rede war schon drei Wochen alt, die über 200 Zuhörer, darunter nach Presseberichten auch einige Sozialdemokraten, hatten an ihr genauso wenig auszusetzen wie der Mitarbeiter der Fuldaer Zeitung, der in seinem Artikel kein Wort über den antisemitischen Gehalt verlor. Doch dann stießen US-amerikanische Juden im Internet auf die Rede, die auf der Homepage der CDU Neuhof abrufbar war, und leiteten sie an Journalisten weiter. So begann die Affäre.

Hohmann vertritt seit 1998 den Wahlkreis, den vor ihm jahrelang Alfred Dregger im Bundestag vertrat, der immer wieder dazu aufrief, »den Sozialismus zu Wasser, zu Lande und in der Luft« zu bekämpfen, und der eine Rehabilitation deutscher Kriegsverbrecher forderte. So setzte Dregger sich für die Freilassung des SS-Hauptsturmführers Ferdinand Hugo ein, der für die Deportation von mehr als 100 000 niederländischen Juden verantwortlich war.

Dregger, der von 1967 bis 1982 Landesvorsitzender der hessischen CDU war und davor Oberbürgermeister der Stadt Fulda, prägte den hessischen Landesverband maßgeblich. Er sei ein »Frontoffizier, Patriot, Kämpfer« gewesen und habe die hessische CDU zu einem »Kampfverband« mit »kameradschaftlichem Zusammenhalt« gemacht, sagte Hohmann voller Anerkennung in seinem Nachruf auf Dregger.

Dass die hessische CDU dieser Linie treu geblieben ist, zeigt auch ein Blick in ihre jüngste Geschichte. So führte der hessische Ministerpräsident Roland Koch im Wahlkampf 1999 eine rassistische Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Im Jahr 2000 rief der CDU-Abgeordnete Clemens Reif dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Landtag, Tarek Al-Wazir, zu: »Geh doch zurück nach Sanaa!« Das Schwarzgeld in den Kassen der hessischen CDU sei ein »Vermächtnis von in der Schweiz verstorbenen Juden«, meinte der damalige Schatzmeister der Partei, Prinz Casimir zu Sayn-Wittgenstein, im selben Jahr. Und im Dezember 2002 machte Koch mit seinem Judenstern-Vergleich von sich reden. (Jungle World, 46/03)

In der osthessischen Region um Fulda verstärkt sich die rechte Ausrichtung der CDU zusätzlich durch das Bistum Fulda. Dessen erzkonservativer Bischof Johannes Dyba war bis zu seinem Tod im Jahr 2000 ein Garant für christlich-reaktionäre Ausfälle.

Knut Krusewitz vom Fuldaer Netzwerk gegen Rassismus hält diese beiden Institutionen, die CDU und die an Dyba orientierte Kirche, für meinungsbildend in der Gegend. Beide prägten diese »besonders rechtslastige Region«. Krusewitz fasst es in die Formel: »Wer hier etwas werden will, muss in beiden sein.« Es ist nur folgerichtig, dass Hohmann in dieser Gegend politische Karriere machte und 1998 in den Bundestag einzog.

Man lässt in Fulda und Umgebung auf »unseren Martin« nichts kommen. Er habe vor allem ausgesprochen, was alle denken. »Das sind die reichsten Leute, die Juden«, und Hohmann stehe »für ein neues Zeitalter der Freiheit für unser Volk«, heißt es in Neuhof, wie der Spiegel berichtet.

Die hessische CDU und erst recht der CDU-Kreisverband Fulda unterstützen Hohmann nach wie vor. Der CDU-Kreisvorstand formuliert es in seiner Presseerklärung so: Man sei »davon überzeugt, dass Martin Hohmann kein Antisemit ist. Dessen ungeachtet haben Teile seiner Rede vom 3. Oktober Protest hervorgerufen und Empörung ausgelöst.« Das Thema sei aber erledigt und der Kreisvorstand erwartet nun von Hohmann, »dass er sich verstärkt solchen Themen zuwendet, die zukunftsorientiert sind«. Gleichzeitig verhinderte die Landtagsfraktion der CDU in der vergangenen Woche eine Missbilligung der Äußerungen Hohmanns durch den hessischen Landtag.

Damit habe sie die Chance verpasst, sich klar gegen die Rede zu stellen, sagt der Vorsitzende des Landesverbands der jüdischen Gemeinden in Hessen, Moritz Neumann, der Jungle World. »Das Maß alles Erträglichen ist längst überschritten.« Von Seiten der CDU habe es keinerlei Kontaktaufnahme, geschweige denn eine Entschuldigung gegeben. Er sei der Auffassung, dass Hohmann mit seinem »widerwärtigen Antisemitismus« Möllemann bei weitem übertreffe. Es sei eine Illusion zu glauben, dass alle Mitglieder demokratischer Parteien jüdischen Menschen »wohlwollend gegenüberstehen«.

Auch die jüdische Gemeinde Fuldas registriert von allen Seiten ein »absolutes, eisiges Schweigen«. Die Stimmung in der Gemeinde ließe sich am treffendesten als »defätistischer Fatalismus« beschreiben, sagt die Vorsitzende, Linde Weiland. Der hessische Landesverband stellte inzwischen Strafanzeige wegen Volksverhetzung gegen Hohmann und weitere 17 Mitglieder der CDU Neuhof .

Es ist nicht die erste Anzeige gegen Hohmann. Schon im Juni 2001 zeigte ihn der Fuldaer Kreisverband der Grünen wegen Volksverhetzung an. Hohmann hatte in einer Rede unter anderem vom »überproportionalen Einfluss« der Juden in den USA gesprochen. Eine Sprecherin des Kreisverbandes sagt, sie sei »sehr erschrocken über den tiefsitzenden Antisemitismus« und halte es für »absolut notwendig«, diesen in der öffentlichen Debatte zu thematisieren.

Auch dem Fuldaer Netzwerk gegen Rassismus ist Martin Hohmann schon lange ein Begriff. Seine rechte Einstellung und das Wissen um Hohmanns Rückhalt in der Bevölkerung waren ein wichtiger Grund für den Aufbau des Bündnisses. Hohmann sagte 1998 in einer Rede zum »Tag der Heimat« des Bundes der Vertriebenen: »Das Unrecht der Vertreibung ruft nach Vergeltung.« Auch schürten er und die CDU im Jahr 2002 die Stimmung gegen einen türkischen Metzger in Neuhof, dessen Geschäft schließlich verwüstet und mit einem Hakenkreuz beschmiert wurde. Die CDU decke in der Region das gesamte rechte Spektrum politisch ab, meint Krusewitz. Sowohl er als auch die Grünen weisen darauf hin, immer wieder erfolglos gegen Hohmann protestiert zu haben.

Aber nicht nur in der Region war schon lange bekannt, wie Hohmann denkt und spricht. Karl Brozik von der Jewish Claims Conference beschwerte sich bereits im Sommer 2001 beim damaligen Vorsitzenden der Unionsfraktion im Bundestag, Friedrich Merz, über Hohmann. Die Claims Conference hatte befürchtet, Hohmann würde als Vertreter der Union in das Kuratorium der Stiftung zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter entsandt.

»Herr Hohmann benutzt Formulierungen und Stereotypen, die bereits in der Weimarer Republik von Rechtsradikalen verwandt worden sind und von dieser Seite bis heute instrumentalisiert werden«, schrieb Brozik. Merz ging damals in seiner Antwort nicht auf die Vorwürfe ein und versicherte lediglich, Hohmann habe nur in Vertretung an einer Sitzung des Kuratoriums teilgenommen.

Hohmann hatte keine Konsequenzen zu befürchten. Dabei war seine Meinung zur Entschädigung hinlänglich bekannt. Er hielt die Forderungen für »wahrheitswidriges Übertreiben und übermäßiges Moralisieren« und forderte, die katholische Kirche solle sich nicht an der Entschädigung beteiligen, da sonst »unsere Kirche quasi durch die Hintertür auf die Anklagebank« gesetzt werde. Bis vorige Woche war Hohmann Berichterstatter der Union in der Frage der Entschädigung von Zwangsarbeitern.