Keine frohe Botschaft

Der Streit um die nicht veröffentlichte EU-Studie zum Antisemitismus. von danièle weber

Antisemitismus ist »eine anhaltende latente Struktur feindseliger Überzeugungen gegenüber Juden als Kollektiv, die sich bei Individuen als Haltung, in der Kultur als Mythos, Ideologie, Folklore sowie Einbildung und in Handlungen manifestieren – soziale oder rechtliche Diskriminierung, politische Mobilisierung gegen die Juden und kollektive oder staatliche Gewalt –, die dazu führen und/oder darauf abzielen, Juden als Juden zu entfernen, zu verdrängen oder zu zerstören«. So definiert die Antisemitismusforscherin Helen Fein das Phänomen des Antisemitismus. Eine »international wissenschaftlich anerkannte Definition«, wie Prof. Werner Bergmann vom Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA) der TU Berlin bestätigt.

Ein Punkt, dem sein Auftraggeber, das European Monitoring Centre on Racism and Xenophobia (EUMC) in Wien, noch zustimmen dürfte. Doch in der Frage, welche Äußerungen, Symbole, Taten dieser Definition zuzuordnen sind, scheiden sich die Geister in beiden Instituten. Beim EUMC in Wien sammeln im Auftrag der EU seit 1997 rund 30 Mitarbeiter Daten über Rassismus, Antisemitismus und Fremdenhass. Im März 2002 beauftragte das Institut das Berliner Zentrum mit einer Studie über Antisemitismus in der Europäischen Union. Werner Bergmann und seine Kollegin Juliane Wetzel werteten die Ergebnisse aus Berichten der 15 EU-Staaten aus, die das EUMC zuvor angefordert hatte. Ergänzt durch eigene Untersuchungen, verfassten die AutorInnen einen 105seitigen Bericht, von dem der Auftraggeber sich nun zu distanzieren scheint.

»Seit der Abgabe haben wir nichts mehr aus Wien gehört«, sagte Bergmann. Die Rückmeldung für die AutorInnen kam auf sonderbarem Wege: Seit vergangenem Donnerstag kann die Studie, die neun Monate in den Schubladen des EUMC verschwunden war, von der Homepage des Instituts heruntergeladen werden. Versehen mit einem ›disclaimer‹, der klarmacht, dass es sich hier keineswegs um eine Veröffentlichung handelt. Darin und in einigen Pressemitteilungen konnten nun endlich auch die Berliner AutorInnen nachlesen, dass »die von den Auftragnehmern erbrachte Leistung von mangelhafter Qualität war und empirische Beweise fehlten«.

Die Reaktion des EUMC erfolgte keineswegs freiwillig. Als die Financial Times im November berichtete, die EU-Behörde halte eine Studie über Antisemitismus unter Verschluss und dies von den Medien in New York über Kopenhagen, Brüssel, Berlin und Tel Aviv aufgegriffen wurde, geriet das Institut immer mehr unter Druck. Der European Jewish Congress sprach von einer »politischen Entscheidung« und von Zensur und stellte den Bericht schließlich am vergangenen Mittwoch ins Netz. Eine Fassung, die etwas enthält, was die Wiener, trotz aller Bemühung um Transparenz, der Öffentlichkeit in ihrem Web-Link vorenthalten: ein Vorwort, verfasst im März 2003 von EUMC-Leiterin Beate Winkler und dem Vorsitzenden Bob Purkiss.

Dies ist nicht das einzige Indiz dafür, dass die EUMC keineswegs von Anfang an davon überzeugt war, die Studie sei wertlos. Auch das Argument der »viel zu dünnen Datengrundlage«, das Beate Winkler immer wieder in Presse-Interviews ins Feld führt, klingt unlogisch. War es doch die EU-Behörde selbst, die den Berliner WissenschaftlerInnen die Daten für diese Untersuchung zur Verfügung gestellt hatte. Für die »kollektiv gefällte Entscheidung des Verwaltungsrats«, in diesem Jahr weitere Daten zu sammeln und eine neue Studie im Frühjahr 2004 zu veröffentlichen, dürften vielmehr andere Punkte ausschlaggebend gewesen sein.

»Unmittelbar nach dem 11. September haben wir uns primär der zunehmenden Islamophobie in der Europäischen Union gewidmet«, heißt es im nicht veröffentlichten Vorwort des EUMC. Eine Aufgabe, der sich die Mitglieder des Verwaltungsrats möglicherweise über die Maßen hinaus verpflichtet fühlen. Denn vieles deutet darauf hin, dass vor allem die Beschreibung der Tätergruppen im Berliner Bericht den EUMC-Verantwortlichen zu brisant war. In vielen Fällen konnten die Täter nicht identifiziert werden, so die Analyse des ZfA, deswegen müsse die Zuweisung zu einem politischen oder ideologischen Lager offen bleiben. Nichtsdestotrotz könne man mit Blick auf die identifizierten und identifizierbaren Täter sagen, dass antisemitische Zwischenfälle im Untersuchungszeitraum vor allem durch »Rechtsradikale, radikale Islamisten oder junge Muslime meist arabischer Herkunft« verübt wurden. Neben den antisemitischen Übergriffen von Rechtsradikalen seien viele physische Angriffe auf Juden sowie die Beschädigung und Zerstörung von Synagogen während oder nach pro-palästinensischen Demonstrationen passiert.

Solche Schlussfolgerungen wollte man in Wien nicht unterschreiben. Dem EUMC sei »nicht an der Stigmatisierung ganzer Gemeinschaften wegen der Aktionen rassistischer Einzelpersonen gelegen«, so Beate Winkler. Die Direktorin stellt weiterhin fest, dass »die EUMC kein Problem damit hat, derartige Informationen zu liefern, sofern diese fundiert sind«. Die Studie habe einzelne antisemitische Aktionen allgemeinen Kategorien zugeordnet, in der Annahme, es gebe homogene Gruppen, die gemeinsame Charakterzüge wegen ihrer ethnischen oder religiösen Herkunft aufweisen. Der konkret vom EUMC geäußerte Vorwurf, dass die Gemeinschaft der Moslems für die Taten Einzelner verantwortlich gemacht werden soll, lässt sich jedoch bei aufmerksamer Lektüre der Studie nicht halten.

Auch der Vorwurf, der Gebrauch der Definition des Antisemitismus sei nicht klar und konsistent in den Analysen der Arbeit zu erkennen, ist kaum nachvollziehbar. Denn die Berliner AutorInnen geben der Leserschaft in der Einleitung eine klar strukturierte Interpretation ihrer Grenzziehung zwischen Antisemitismus und Israel-Kritik mit auf den Weg. Zum einen seien Anspielungen oder Vergleiche der israelischen Politik mit dem Nazi-Regime als antisemitisch einzustufen, ebenso die Anwendung von antisemitischen Stereotypen auf die israelische Politik. Beispiele seien die »Beschuldigung, dass eine geheime weltumfassende zionistische Verschwörung besteht, die Isolation Israels als Staat, der sich grundsätzlich negativ von allen anderen abhebt, der deswegen kein Recht auf Existenz hat, sowie negative historische Bezüge auf die jüdische Geschichte, mit dem Zweck, einen unwiderruflichen negativen jüdischen Charakter aufzuzeigen«.

Die Aufregung der EU-Behörde über die Studie ist auch deshalb merkwürdig, weil darin Ergebnisse vorgelegt werden, die bereits in anderen Untersuchungen nachzulesen sind. Die Länderberichte bestätigen, dass es Anfang 2002 in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Großbritannien zunehmend zu antisemitischen Zwischenfällen kam. Frühere Untersuchungen zeigten, so die AutorInnen in der Einleitung, dass diese Welle bereits im Oktober 2000 mit der so genannten al-Aqsa-Intifada begonnen habe und durch die Angriffe auf das World Trade Center sowie die Eskalation des Nahost-Konflikts im Frühjahr 2002 angetrieben wurden. In Deutschland äußere sich Antisemitismus weniger in einer Zunahme tätlicher Angriffe, sondern eher in Form einer Flut antisemitischer Briefe an die jüdischen Gemeinden und an prominente Juden.

Nahezu alle Berichte bestätigen, so die Studie, dass Juden in der EU sozial, ökonomisch und kulturell gut integriert sind und dass deswegen die typischen Motive für Fremdenhass wie die Angst vor der Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, sprachliche Barrieren etc. wegfallen. Stattdessen wird darüber phantasiert, dass »Juden eine national und international einflussreiche Gruppe seien, die die Politik und die Wirtschaft kontrollieren«.

Das ZfA fand heraus, dass nach dem 11. September stellenweise die Meinung vertreten wird, der islamistische Terrorismus sei eine »natürliche Konsequenz des ungelösten Nahost-Konflikts«, für den Israel allein verantwortlich gemacht wird. Den Juden würde zudem ein maßgeblicher Einfluss auf die angeblich proisraelische Politik der USA zugeschrieben. An dieser Stelle, schlussfolgern die AutorInnen, könnten Antiamerikanismus und Antisemitismus zusammenspielen, was dazu führe, dass Verschwörungstheorien über die jüdische Weltherrschaft wieder aufkommen.

In der Linken seien Antiamerikanismus und Antizionismus zuweilen eng miteinander verbunden. Israelische Politik wird als »aggressiv, imperialistisch und kolonialistisch« angesehen. Das allein sei nicht als antisemitisch einzustufen, so die AutorInnen, dennoch gebe es oftmals übertriebene Formulierungen, die zeigen, wie die Grenze zwischen Kritik und Antisemitismus überschritten wird. Oftmals würde die Tradition der Vergangenheit, die Juden zu dämonisieren, nun auf den Staat Israel übertragen. Auf diesem Wege wird, so die Verfasser, der traditionelle Antisemitismus in eine neue Form übersetzt, der weniger die Legitimierung entzogen würde und deren Gebrauch heute in Europa Teil des politischen Mainstream werden könnte.

Dass Kritik an der Israelkritik in Teilen der Linken alles andere als willkommen ist, konnten unlängst einige Vertreter der Aktion Dritte Welt Saar erleben. Als sie auf dem Europäischen Sozialforum in Paris für das Existenzrecht Israels warben und »die andere Seite des Nahostkonflikts« per Flugblatt unter die Pariser BesucherInnen bringen wollten, wurden sie als »Rassisten« beschimpft und kurzerhand des Saals verwiesen. Eine ähnliche Stimmung beschreibt der Bericht des ZfA. In der radikalen Linken wurden antisemitische Äußerungen von den Verfassern der Studie vor allem im Kontext von pro-palästinensischen und Antiglobalisierungskundgebungen beobachtet und in Zeitungsartikeln, in denen antisemitische Stereotype zur Kritik Israels benutzt wurden. Oftmals war diese »Kombination aus Anti-Zionismus und Antiamerikanismus ein wichtiges Element beim Aufkommen einer antisemitischen Stimmung in Europa«. Israel gilt als kapitalistische, imperialistische Macht, und die USA gelten als Übeltäter im Nahostkonflikt und bei der Globalisierung. Die Konvergenz dieser Motive diene sowohl der Kritik am Kolonialismus als auch an der Globalisierung.

Wie sich solche Ergebnisse in der offiziellen Version des EU-Berichts einmal darstellen werden, ist bislang noch offen. Das EUMC bleibe »zu hundert Prozent seiner Forschung über Antisemitismus vepflichtet« und wolle im Frühjahr 2004 einen Bericht veröffentlichen, der sich auf Daten stützt, die 2002 und 2003 gesammelt wurden und auf Interviews mit Vertretern von jüdischen Organisationen basieren.

Die konfliktreiche Zusammenarbeit sei nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass kaum Wissenschaftler im Verwaltungsrat des EU-Instituts sitzen, erklärt Werner Bergmann. Deutschland wird dort vom ehemaligen Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen, Joachim Gauck, sowie von der ehemaligen Ausländerbeauftragten in Berlin, Barbara John, vertreten. Als gesichert darf wohl gelten, dass kaum eine veröffentlichte Studie so viel beachtet wurde wie die vorliegende. »Das EUMC hat vor kurzem eine Islamophobie-Studie herausgegeben, die kaum jemand kennt«, so Bergmann. »Genauso wäre es normalerweise unserer Studie ergangen.«

»Es wird keine Kooperation mit dem EUMC mehr geben«

Interview mit Werner Bergmann vom Zentrum für Antisemitismusforschung Berlin, einem Mitautor der Studie »Manifestations of Anti-Semitism in the European Union«, die das European Monitoring Centre on Racism and Xenophobia (EUMC) im März 2002 in Auftrag gab.

Das EUMC will Ihre Studie nicht veröffentlichen und moniert die wissenschaftliche Qualität der Arbeit. Was ist dran an diesem Vorwurf?

Wir haben nicht den Anspruch erhoben, das gesamte Phänomen des Antisemitismus in Europa zu untersuchen. Darauf deutet schon der Titel der Studie hin. Unsere Aufgabe war es, die Welle des Antisemitismus im Frühjahr 2002 zu untersuchen. Inzwischen sind die antisemitischen Aktivitäten wieder zurückgegangen. Doch es gibt genügend Hinweise, dass die dahinter liegenden ideologischen Strukturen latent weiter existieren.

Kollegen haben uns bestätigt, dass, etwa in Berlin, zunehmend Antisemitismus unter Migranten vor allem aus dem arabischen Raum festgestellt wird. Das und die Ergebnisse aus anderen Untersuchungen zeigen uns, dass sich an den grundlegenden Aussagen der Studie nichts geändert hat.

Waren Sie von den Ergebnissen überrascht?

Nein, eigentlich nicht. Wir forschen seit 20 Jahren zum Thema Antisemitismus in Deutschland und haben unser Wissen in die EUMC-Studie einfließen lassen.

Haben Sie im Rahmen dieser Studie etwas Neues über Antisemitismus in Deutschland herausgefunden?

Unsere bisherigen Untersuchungen wurden weitgehend bestätigt. Wir wissen inzwischen über die rechtsextreme Szene und über den Antisemitismus, der dort ein zentrales, ideologisches Element ist, relativ gut Bescheid. Dass jedoch zum Teil auch junge Muslime für antisemitische Angriffe verantwortlich sind, ist in Deutschland ein neueres Phänomen.

In der Studie benennen Sie einen Teil der Tätergruppe als »junge Muslime«, »arabische oder nordafrikanische muslimische Migranten«. Das EUMC unterstellt Ihnen in diesem Punkt Verallgemeinerungen, wie sie im Kampf gegen Rassissmus oder Antisemitismus immer abgelehnt wurden.

Diesen Vorwurf weisen wir kategorisch zurück. Wir haben nicht gesagt, »die Moslems« oder »alle Araber in Europa« sind antisemitisch. Wenn man jedoch die Tätergruppen in einigen europäischen Ländern untersucht, stellt man nun einmal fest, dass darunter Angehörige der arabisch-muslimischen Minderheit sind. Sollte man das dann verschweigen? Wie sollte man das anders ausdrücken?

Man kann nicht jeden einzelnen Täter namentlich aufführen. Wir sprechen auch von Antisemitismus in der rechtsextremen Szene und in der radikalen Linken. An solchen Formulierungen hat sich aber niemand gestört. In der Zusammenfassung einer solchen Arbeit nimmt man zwangsläufig bestimmte Generalisierungen vor.

Leisten Sie mit Ihrer Studie der Islamophobie Vorschub?

Ich hoffe nicht, verstehe aber, dass es hier Bedenken gibt. Es gibt viele Gründe, Angehörige von Gruppen, die selbst diskriminiert werden, nicht auch noch mit einem solchen Vorwurf zu belasten. Dennoch darf man deshalb nicht plötzlich einen anderen Maßstab anlegen. Das Problem des Antisemitismus in Teilen solcher Minderheiten kann man sicher nicht durch Stillschweigen lösen.

Ihnen wird vorgeworfen, dass das Datenmaterial zu dünn ist, um eindeutige Schlüsse zu ziehen.

Dieser Vorwurf ist äußerst merkwürdig. Die Daten wurden uns schließlich vom Auftraggeber geliefert. Da wäre etwas mehr Selbstkritik von Seiten des EUMC angebracht.

Das EUMC kritisiert auch die von Ihnen angewandte Definition des Antisemitismus. Würden Sie diese Definition im Nachhinein anders formulieren?

Nein, das ist eine international anerkannte Definition, die wir nicht erfunden haben. Auch dieser Vorwurf ist in unseren Augen lediglich der Versuch, unsere Arbeit im Nachhinein zu diskreditieren. Interessant ist, dass das EUMC selbst die Länderstudien in Auftrag gegeben hat, ohne eine Definition über Antisemitismus vorzugeben. Jedes einzelne Land hat sozusagen seine eigene Definition entwickelt. Das hat aber damals niemanden gestört.

Wieso will denn das EUMC jetzt nichts mehr mit den Resultaten der Studie zu tun haben?

Die Definition selbst ist nicht das Problem, sondern vielmehr die Frage, was man ihr alles zuordnet. Es gab beispielsweise immer wieder Meinungsverschiedenheiten über die Frage: Wo wird Israelkritik antisemitisch? Diese Grenze ist unklar und politisch umkämpft. Deshalb haben wir Kriterien aufgestellt, ab wann unserer Meinung nach die Grenze zum Antisemitismus überschritten ist.

Welche Kriterien zum Beispiel?

Wenn man Juden in den europäischen Städten wegen der israelischen Politik angreift, dann findet eine Kollektivierung statt. Man macht sozusagen alle Juden für das Vorgehen des israelischen Staates haftbar. Das ist für uns ein klares Merkmal von Antisemitismus.

Weil Sie antisemitische Angriffe mit Kritik an Israel in Verbindung bringen, unterstellt Ihnen das EUMC, Sie hätten kausale Zusammenhänge hergestellt, die auf unbegründeten Annahmen beruhen.

Man könnte meinen, die Vertreter des EUMC wüssten nicht genau, was sich hinter dem Begriff Kausalität verbirgt. Wir haben keine Kausalität hergestellt, wir erwähnen vielmehr, dass hier verschiedene Phänomene parallel auftreten, zum Beispiel einerseits antisemitische Angriffe und auf der anderen Seite eine scharfe Kritik an Israel in den Medien.

In der Studie stellen Sie fest, dass sich auch Globalisierungskritiker antisemitischer Stereotypen bedienen.

Dafür gibt es mehrere Hinweise. Es waren unter anderem die Diskussionen innerhalb von Attac Deutschland, die uns darauf aufmerksam gemacht haben. Auf Demonstrationen, zu denen Attac aufgerufen hatte, sind teilweise auch Rechte mit eindeutig antisemitischen Stellungnahmen mitmarschiert. Inzwischen hat man das Problem bemerkt und diskutiert darüber. Das ist ein positives Zeichen.

Die Annahme, dass die USA und Israel enge Verbündete sind, liefere Motive für weitere antisemitische Haltungen, heißt es in der Studie. Antiamerikanismus und Antizionismus seien in der Linken eng liiert. Woraus leiten Sie hier die antisemitische Einstellung ab?

Zur Anti-Bush-Demo in Berlin gab es beispielsweise ein Plakat auf dem Uncle Sam einen Jojo als Weltkugel am Finger hält. Sein Gesicht trägt zudem eine typische »Judennase« – ebenfalls ein antisemitisches Bild.

Häufig gesellen sich zur Kritik an der israelischen und amerikanischen Politik Weltverschwörungstheorien. Da wird angedeutet, die Juden würden die amerikanische Regierung beherrschen. Da werden Zusammenhänge, die wir aus der antisemitischen Propaganda kennen, etwa ein Weltbeherrschungsansatz, hergestellt.

Bei der IWF-Konferenz in Davos bauten die Weltwirtschaftskritiker ein goldenes Kalb auf, um das Rumsfeld- und Sharon-Masken herum tanzten. Da fragt man sich, wieso ausgerechnet Israel, das sicher nicht zu den reichsten Nationen gehört, herausgegriffen wurde. Wieso hat man nicht Deutschland oder Frankreich gewählt?

Wie schätzen Sie das antisemitische Potenzial in der EU heute ein?

Durch den Nahostkonflikt ist das Thema Antisemitismus zu einer Art Dauerthema geworden. Man kann sagen, dass innerhalb der Kritik an der israelischen Politik antisemitische Stereotype und Vorurteile Äußerungschancen bekommen.

Die Studie wird nun fortgesetzt, es fand bereits eine neue Ausschreibung statt. Haben Sie sich beteiligt?

Nein, es wird keine Kooperation mehr mit dem EUMC geben. Wir haben ohnehin bis heute keine offizielle Mitteilung über den weiteren Werdegang der Studie bekommen. Aus der Tatsache, dass eine neue Studie ausgeschrieben wurde, haben wir überhaupt erst geschlossen, dass unsere Studie wohl nicht veröffentlicht wird. Jetzt sind wir gespannt, was dabei herauskommen wird. Ich bin mir relativ sicher, dass das Resultat ähnlich ausfallen wird.

interview: danièle weber