Mujahedin unerwünscht

Der irakische Regierungsrat hat die Ausweisung einer iranischen Oppositionsgruppe beschlossen. von bernhard schmid

Wohin die aktuellen Veränderungen im Irak und in der Golfregion führen werden, ist noch unklar. Zumindest ein Verlierer steht aber schon fest. Bis zum 31. Dezember muss die iranische Oppositionsbewegung der Mujahedin-e Khalq (Kämpfer des Volkes, MKO) den Irak verlassen. Dazu wurde sie vorige Woche vom provisorischen Regierungsrat, den die von US-Amerikanern geführte Koalition eingesetzt hat, aufgefordert.

Die MKO hatte unter dem Schutz des ba’athistischen Regimes eine kleine Armee im Irak aufgebaut. Nach dem Krieg wurde diese Truppe entwaffnet, ihre Mitglieder werden nun von US-Soldaten bewacht.

Nicht nur im Irak ist die autoritäre Organisation in Ungnade gefallen. Im Mai 1989 hatte ein Votum des Europäischen Parlaments die Mujahedin und den von ihnen kontrollierten »Widerstandsrat« noch als einzig legitime Vertretung des iranischen Volkes anerkannt. Mittlerweile aber steht die MKO sowohl in der EU als auch in den USA auf der Liste der »terroristischen Organisationen«.

Der irakische Regierungsrat fasste den Beschluss einstimmig. Die Erinnerung an die Beteiligung bewaffneter Mujahedin-e-Khalq an der brutalen Niederschlagung des Nachkriegsaufstands im Frühjahr 1991 hat dazu wohl beigetragen. Aber auch, dass derzeit Abel-Aziz al-Hakim vom schiitisch-islamistischen Sciri den Vorsitz im Regierungsrat innehat, dürfte eine Rolle gespielt haben. Al-Hakim gilt als dem Iran nahe stehend.

Möglicherweise sollen die Mitglieder der MKO sogar an den Iran ausgeliefert werden. »Es ist besser für sie, den Iran um Vergebung zu bitten«, erklärte Nuredin Dara, ein Mitglied des Regierungsrats. Er erwartet eine »allgemeine Amnestie«, die iranische Regierung bezeichnete den Ausweisungsbeschluss als »sehr positiv«, mochte aber nur »Milde« im Umgang mit einfachen Mujahedin zusagen.

Es deutet sich an, dass es derzeit eine zumindest partielle Übereinstimmung der Interessen von US-Amerikanern und dem iranischen Regime in der Region gibt. Sie wird begünstigt durch die aktuelle Rolle der schiitischen Parteien im besetzten Irak. Sie haben sich vom bewaffneten Untergrund distanziert und hoffen, dass die schiitische Bevölkerungsmehrheit ihnen eine starke Position in einer zukünftigen Regierung verschaffen wird.

Ungeachtet der von beiden Seiten gepflegten aggressiven Rhetorik wurden die Beziehungen zwischen den USA und dem Iran nie vollständig abgebrochen. Faktisch war das islamistische Regime seit seiner Machtübernahme im Jahr 1979 in die US-Regionalpolitik integriert. Immerhin waren die Ayatollahs zuverlässige Antikommunisten, die nach der auch von liberalen und sozialistischen Kräften getragenen Revolution gegen den Schah die iranische Linke zerschlugen.

Da niemand wissen konnte, wer sich nach einem weiteren regime change durchsetzen würde, praktizierten die USA eine Mischung aus Eindämmung der äußeren Machtentfaltung des Iran und begrenzter Kooperation. In den achtziger Jahren ging es für die USA wie für andere westliche Großmächte darum, den Krieg zwischen Iran und Irak möglichst lange in Gang zu halten. Die Regierung der USA lieferte deshalb auf Umwegen damals sogar Waffen an das islamistische Regime.

Nach dem Tod Khomeinis im Juni 1989 schlug Präsident Ali Akbar Rafsandjani vor allem in ökonomischen Fragen einen relativ pragmatisch-liberalen Kurs ein. Allerdings kam es seit dieser Zeit zu keiner weiteren Annäherung. Denn einerseits unternahm ein Teil des US-Establishments ab 1995/96 mit den Helms-Burton-Gesetzen, die den Handel mit dem Iran einschränken sollten, einen neuen Versuch zur stärkeren »Eindämmung« des Iran. Das hinderte auch US-Konzerne nicht daran, auf dem Umweg über Lizenzen in den Nachbarländern im Iran Geschäfte zu machen, schloss sie aber vom lukrativen Ölgeschäft aus.

Andererseits hat auch bisher keiner der iranischen Machthaber den Willen erklärt, offene politische Beziehungen zu den USA zu knüpfen, deren Botschaft in Teheran seit 1979 geschlossen ist. Die französische Wirtschaftszeitung Les Echos mutmaßt allerdings, dass in Kreisen der Machthaber ein »Dialog« mit den USA allgemein als strategische Notwendigkeit gelte. Aber jede der rivalisierenden Fraktionen im Machtapparat beobachte die jeweils anderen argwöhnisch.

Zudem stehen mit den europäischen Mächten Geschäftspartner bereit, die sich bemüht haben, die von den USA hinterlassene Lücke zu füllen. Auf einem der ersten Plätze stand die Bundesrepublik. Der erste westliche Außenminister, der nach der islamistischen Konterrevolution Teheran besuchte, war im Juli 1984 Hans-Dietrich Genscher.

Die westdeutsche Industrie war dort schon bald wieder ein geschätzter wirtschaftlicher Handelspartner und Investor. Dass sie gleichzeitig den Irak aufrüstete, störte dabei nicht. Der deutsche Einfluss im Iran lässt sich den Autos im chaotischen Straßenverkehr von Teheran ablesen. Denn zahlreiche Karossen tragen noch Aufkleber vom ADAC, vom Deutschen Alpenverein, aber auch der Friedensbewegung (»Arbeitsplätze statt Raketen«), die sie vor dem Export zierten.

Frankreich dagegen war fest mit seinem geostrategischen Verbündeten Irak liiert und lange Zeit kaum im Iran präsent. Seitdem der irakische Verbündete Saddam Hussein in den Untergrund abtauchen musste, hat das Land allerdings eine Offensive im Nachbarland gestartet. Eine der sichtbaren Gesten dabei war die Auflösung des internationalen Hauptquartiers der Mujahedin-e Khalq in der Pariser Vorstadt Auvers-sur-Oise im Juni (Jungle World, 27/03).

Parallel dazu drängt Frankreich seit dem Frühjahr verstärkt auf den iranischen Markt. Mitte April wurde die Kommission für wirtschaftliche Angelegenheiten des französischen Senats in Teheran vorstellig. Am 23. April traf dann auch Außenminister Dominique de Villepin dort ein, dem einigen Wochen später der Minister für Außenhandel François Loos folgte. Vereinbart wurde unter anderem eine verstärkte Kooperation des französischen Energiekonzerns Total mit der iranischen Staatsfirma Nioc bei der Erdgasförderung und ein Einstieg von Renault in die iranische Automobilproduktion.

In der US-Regierung wird noch über die Politik gegenüber dem Iran debattiert. Im Oktober erklärte Vizeaußenminister Richard Armitage vor dem Senat, ein regime change sei nicht das Ziel der USA, es gibt jedoch auch Befürworter einer konfrontativen Politik in der Administration. Der Umgang mit den Mitgliedern der MKO, für den die USA als Besatzungsmacht verantwortlich sind, dürfte schon bald zeigen, wie weit man den Ayatollahs entgegenkommen will.