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Sonic Jihad

Pop At War. Auch die amerikanische Popkultur macht sich so ihre Gedanken über den 11. September und dessen Folgen. Beim Rapper Paris sieht das Ergebnis seiner Grübeleien dann ungefähr so aus wie das oben abgebildete Cover seiner letzten Platte »Sonic Jihad« erahnen lässt. Was al-Qaida nicht geschafft hat, spukt wenigstens weiter in der Fantasie von Paris herum. Seine letzte Platte ist zudem noch entstanden unter Beihilfe einiger Prominenter aus der politischen Hip-Hop-Fraktion Amerikas, so sind auch Dead Prez und Public Enemy mit dabei.

Bei Paris ist die Sache also völlig klar. Der wahre Feind sitzt im Weißen Haus. Im Booklet beschwört er seine Hörerschaft dann auch nochmals eindringlichst: »We Are At War. Know Your Real Enemy.«

Dichter wird der Wald aus Zeichen dann jedoch bei der neuen Compilation des Brooklyner Dub-Hip-Hop-Labels Word Sound. Auf diesem Label wurden bislang fast ausschließlich Platten veröffentlicht, die irgendwelche mythologischen Bezüge, sei es zu den Illuminaten, sei es zum Satanisten Aleister Crowley herstellten. Alles, so das Weltbild, das Word Sound herstellt, ist eine riesengroße Verschwörung. Doch just in dem Moment, in dem von Mathias Bröckers bis Paris die beklopptesten Verschwörungstheorien zum 11. September in Stellung gebracht werden, scheint sich Word Sound – zumindest auf den ersten Blick – oppositionell zu diesen zu positionieren. Der neue Word Sound-Sampler »Crooklyn Dub outernational presents: Certified Dope, Vol. 4 – Babylon’s Burning« zeigt auf dem Cover einmarschierende GIs im brennenden Irak. Auf der Rückseite dann geht Bagdad in Flammen auf. Dazu passt der Plattentitel »Babylon’s Burning«. Scheint zu passen. Denn natürlich könnte mit dem brennenden Babylon Bagdad gemeint sein, das ganz in der Nähe des antiken Babylon liegt. Doch andererseits ist eigentlich im jamaikanischen Dub Reggae, dem sich »Word Sound« verpflichtet fühlt, mit »Babylon« ganz abstrakt immer der verachtete, dekadente Westen gemeint, im Sinne des Dub Reggae müsste mit »Babylon’s Burning« also auf das einstürzende World Trade Center angespielt worden sein. Ja, was denn nun? Worauf will Word Sound mit seinem Zeichenwirrwarr hinaus? Nimmt man dann die CD aus dem Schuber, sieht man ein Bild mit einer brennenden US-Flagge. Wahrscheinlich ist Word Sound doch näher an der Ideologie eines Paris dran, als es den Anschein hat.

Penisvasen

Kunst. Der Turner-Preis, der wichtigste Preis für moderne Kunst überhaupt, wurde an den töpfernden Transvestiten Grayson Perry verliehen. Dieser stellt Töpfe, Vasen und Urnen her, betreibt also scheinbar biederes Kunsthandwerk. Doch seine Tonwaren haben es in sich. So bemalt Perry diese nicht etwa mit Blümchen, sondern mit Penissen, Sadomasochismus-Szenen und mit Bildern über Kindesmissbrauch und Familiengewalt.

Perry erregte mit seinen Arbeiten die wohl größten Kontroversen vor der Preisverleihung. Erfahrungsgemäß wirkt sich dies beim Turner-Preis jedoch immer positiv aus. Wer am stärksten die Gemüter erregt, gewinnt den Preis. So war es auch dieses Jahr.

Sir Mick

Rolling Stones. Mick Jagger darf sich nun Sir nennen. Zwar wurde er nicht von der Queen höchstpersönlich zum Ritter geschlagen, sondern bloß von Prince Charles, doch Jaggers Kollege von den Stones, Keith Richards, findet auch das schon peinlich genug. Er äußerte sich anlässlich der Adelstitelverleihung recht despektierlich über seinen Kollegen. Dieser trat dann zur Zeremonie, um nicht als der größte Spießer zu erscheinen, wenigstens in Turnschuhen an.

So tot wie die Revolution

Ruben Gonzales. Wim Wenders’ Film »Buena Vista Social Club« machte den über 80jährigen kubanischen Pianospieler Ruben Gonzales auch bei deutschen Jugendlichen von heute nochmals zum Superstar. Einer wie er, eine Legende der kubanischen Musik, war plötzlich Kult.

Gonzales vermochte es, auf ziemlich einzigartige Weise Cha-Cha-Cha, Mambo und Son mit Jazz zu kombinieren und so einen ziemlich eigenwilligen Stil zu kreieren. Ohne ihn hätten der kubanischen Musik im letzten Jahrhundert so manche Impulse gefehlt. Letzte Woche erlag der 84jährige Gonzales der Arthrose, die ihn bereits seit einem halben Jahr an sein Bett fesselte.

My Adidas

Markenwelt. Die Süddeutsche Zeitung meldete, dass in den USA das Benennen von Kindern nach Markennamen absolut im Trend der Zeit liege. Demnach ist es äußerst beliebt, seine Neugeborenen wahlweise Chanel oder Armani zu nennen. Aber man kann seine Tochter ruhig auch Ikea oder Lexus – nach der Automarke – nennen.

Immer angesagter werden Namen, die Glück und Reichtum verheißen. So nennen manche ihre Sprößlinge inzwischen gar Dior oder L’Oréal, aber auch Porsche.

Doch eigentlich ist der Fantasie kaum eine Grenze gesetzt. Auch Fantas und Evians wurden bereits registriert, sowie Chardonnays und Chiantis. Was sagt eigentlich Naomi Klein zu diesem Trend? Adidas, kannst du mir bitte antworten?