Gespaltene Meinung

Wahlen in Nordzypern

Auch allerlei Manipulationen vor den Parlamentswahlen haben dem türkisch-zypriotischen Volksgruppenführer Rauf Denktas nichts genützt. Die Oppositionsparteien erhielten bei der Wahl im türkisch besetzten Nordzypern am 14. Dezember mit 48 Prozent die meisten Stimmen, und da sie auch als Abstimmung über den UN-Plan zur Wiedervereinigung der Insel galt, könnte nun eigentlich Bewegung in den Prozess kommen.

Trotzdem bleibt alles beim Alten, da aufgrund des komplizierten Wahlsystems beide Lager über die gleiche Anzahl der Parlamentssitze verfügen. Und Denktas, der nur von der Türkei und von keinem anderen Staat dieser Erde als Staatspräsident anerkannt ist, lehnt den UN-Plan ohnehin ab. Der Plan sieht zwei föderale Bundesstaaten vor, die locker miteinander verbunden sein sollen.

Denktas mobilisierte gegen den Plan mit der Behauptung, bei einer Wiedervereinigung müssten alle türkischen Siedler das Land verlassen. Und damit nichts schief geht, händigte er etlichen Türken, die auf dem Festland leben, Wahlscheine aus. Wie vielen, ist nicht bekannt.

Die Oppositionsparteien wollen Denktas als Verhandlungsführer absetzen und die Gespräche zur Wiedervereinigung erneut aufnehmen. Er sieht allerdings bisher gar nicht ein, warum er den Posten räumen sollte. »Ich bin noch weitere zwei Jahre im Amt«, erklärte er nach der Wahl.

Das ist schlecht für alle türkischen Zyprioten, die sich Hoffnung auf einen schnellen EU-Beitritt machten. Denn der ist nur mir der Wiedervereinigung zu haben. Am 1. Mai 2004 wird der griechische Teil der Insel der EU beitreten, und da wollte man doch mit dabei sein.

»Präsident« Denktas wird den Wahlsieger Mehmet Ali Talat von der Türkisch-Republikanischen Partei allerdings nur dann mit der Regierungsbildung beauftragen, wenn der eine Koalitionsregierung mit der Partei von Regierungschef Derwis Eroglou oder der Partei von Denktas’ Sohn eingeht, die beide die Blockadepolitik von Denktas unterstützen.

Unabhängig von allen Parlamentsmehrheiten in Nordzypern werden die letzten Entscheidungen jedoch weiterhin in Ankara getroffen. Zwar betreibt die jetzige türkische Regierung keine derart nationalistische Politik wie ihre Vorgängerinnen, aber das Thema Zypern ist noch immer mit vielen Emotionen besetzt.

Gleichzeitig verbindet die EU die Aufnahme der Türkei in die Gemeinschaft mit einer Lösung des Zypern-Problems. Wenn es bis Ende 2004 keine Lösung gibt, könnte das ein ernstes Hindernis für den türkischen Beitritt sein. Vergangene Woche hieß es in Ankara, dass die türkische Regierung ihre Vorstellungen für neue Verhandlungen über eine Wiedervereinigung Zyperns und den EU-Beitritt darlegen will, sobald in Nordzypern eine neue Regierung gebildet ist.

Da bleibt der Opposition in Nordzypern fast nur noch die Möglichkeit eines Volksaufstands, um bereits im Mai ins ersehnte EU-Paradies zu gelangen. Bei etwa 65 000 Zyperntürken, ebenso vielen Siedlern aus der Türkei und 40 000 türkischen Besatzungssoldaten sind die Voraussetzungen für so etwas jedoch nicht gerade günstig.

ralf dreis, kerstin eschrich