Gewusst wie

ich-ag des jahres

Während andere in diesem Jahr durchaus zu leiden hatten, sei es nun, weil das Geld nicht mehr reichte, sei es, weil sich das Ökonomische derart ins Private verlängerte, dass aus so manchem Paar zwei konkurrierende Ich-AGs wurden, konnte der letzte linke Student in diesem Jahr oft wissend lächeln.

Schon im Sommer war die Stimmung unter den Studierenden schlecht, in diesem Winter aber herrscht reine Verwirrung. Jemand wie der letzte linke Student, der politisches Denken beim Lesen der rororo-Monographie über Lenin gelernt hat, weiß, dass es nun die Zeit für Hoffnung ist. So steht er täglich vor seiner Universität und macht diejenigen, die das Gebäude betreten wollen, freundlich darauf aufmerksam, dass gestreikt wird. Man merkt ihm an, dass es ihn freut, wenn die Angesprochenen peinlich berührt sind und ihm verdruckst antworten. Denn er hat eine Aufgabe. Zudem glaubt er nicht daran, dass die Streiks etwas bringen. Die derzeitigen Studentenproteste seien ihm zu zahm, soll er im kleinen Kreis gesagt haben, allenfalls könnten sie die Studierenden politisieren. Wenn man aus den Flugblättern und Artikeln des letzten linken Studenten Schlüsse ziehen kann, dann vor allem den, dass er sich weitere Einschnitte ins soziale Netz wünscht. »Nur durch Druck«, so schreibt er, lasse sich ein Volk radikalisieren und ein Aufstand gegen den Kapitalismus und die furchtbare Globalisierung herbeiführen. Der letzte linke Student hat es gut. Seine Hoffnungen werden ihm von Schröders Regierung frei Haus gebracht.

jörg sundermeier