Jeder haftet für alles

Urteile im Prozess gegen drei Magdeburger

»Es war ein klassisches Paragraf-129a-Urteil«, sagt Martin Poell, der Rechtsanwalt von Daniel W., »eigentlich war es ein reines Gesinnungsurteil.«

Am Dienstag vergangener Woche endete vor dem Oberlandesgericht Naumburg der Prozess gegen die Magdeburger Marco H., Daniel W. und Carsten S., denen die Bundesanwaltschaft die »Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung« nach Paragraf 129a des Strafgesetzbuches vorgeworfen hatte (Jungle World, 43/03).

Der Vorsitzende Richter sah es als erwiesen an, dass Marco H. und Daniel W. zwischen August 2001 und März 2002 unter wechselnden Gruppenbezeichnungen an vier Brandanschlägen beteiligt gewesen seien. Er verurteilte Marco H. zu zweieinhalb Jahren Haft und Daniel W. zu zwei Jahren Jugendstrafe. Der dritte Angeklagte, Carsten S., wurde aus Mangel an Beweisen freigesprochen.

Dabei sah vor wenigen Wochen auch für Marco H. und Daniel W. alles noch gut aus: Ende November wurden die drei aus der Untersuchungshaft entlassen. Das Gericht hatte entschieden, dass eine auf Mai 2002 datierte Auflösungserklärung jener Gruppierung, die als terroristisch eingestuft wurde, als echt zu werten und eine Verurteilung nach Paragraf 129a also ausgeschlossen sei. Denn die fragliche Gruppe habe zu dem Zeitpunkt, als die Angeklagten festgenommen wurden, nicht mehr existiert.

Der Haken an der Sache: Dass es die Gruppierung gegeben habe und die nun Verurteilten in ihr aktiv gewesen seien, stellte der Richter keineswegs in Frage. So gab es zwar keine Verurteilung wegen »Mitgliedschaft«, doch der Strafsenat schreibt die Taten einem Kollektiv zu. In der Logik des Gerichts sei also »jeder für alles verantwortlich, was dieses Kollektiv gemacht hat«, sagt Martin Poell. »Anders wäre ein solches Urteil nicht möglich.«

Tatsächlich konnte das Gericht keinem der Angeklagten eine direkte Tatbeteiligung nachweisen. Richter Albrecht Hennig musste in seiner Urteilsbegründung zugeben, das Urteil stütze sich im Wesentlichen auf Indizien. »Der bloße Verdacht hat in diesem Fall für eine Verurteilung ausgereicht«, sagt Poell, der gemeinsam mit seinen Anwaltskollegen in Revision gehen wird.

Unterdessen ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen weitere Personen aus dem Umfeld der Verurteilten wegen des Verdachts, eine »Straftat nach Paragraf 129a begangen zu haben«. Es zeigt sich also, dass der so genannte Antiterrorparagraf weiterhin genau den Zweck erfüllt, den er erfüllen soll und den er in Magdeburg auch seit Monaten erfüllt: Er ist die juristische Legitimation, um die dortige Szene aufzumischen.

Nachdem das Oberlandesgericht scheinbar generös von einer Verurteilung nach Paragraf 129a abgesehen hatte, offenbaren die harten Urteile gegen Marco H. und Daniel W., dass es keineswegs einen qualitativen Umschwung in der staatlichen Beurteilung militanten Widerstands gegeben hat. Das Naumburger Gericht folgte lediglich dem Gewäsch jener Liberalen, deren Mantra lautet, man müsse die Gesetze nicht verschärfen, es genüge doch völlig, sie konsequent anzuwenden.

jochen bauer