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Stürmische Sitzung

Afghanistan. Malalai Joya ließ es an der nach Ansicht der zahlreich anwesenden islamistischen Patriarchen nötigen Demut fehlen, als sie am Mittwoch der vergangenen Woche vor der Loya Jirga sprach, der Ratsversammlung, die über eine neue Verfassung entscheiden soll. Joya möchte die Mujahedin-Kommandanten lieber vor einem internationalen Gericht sehen und wollte wissen: »Warum habt ihr wieder diese Kriminellen gewählt?« Statt diese berechtigte Frage zu beantworten, stürmten islamistische Delegierte mit »Gott ist groß«-Rufen zum Podium. Joya erhielt kurz darauf mehrere Morddrohungen.

Der strittigste Punkt der Verhandlungen ist die Machtverteilung. Die islamistischen Warlords wollen durchsetzen, dass die Befugnisse des Präsidenten durch einen einflussreichen Premierminister eingeschränkt werden. Das klingt demokratisch, würde den relativ gemäßigten Präsidenten Hamid Karzai aber noch stärkerem Druck der regionalen Machthaber aussetzen und es den Islamisten erleichtern, ihre Vorstellungen über Frauenrechte und die gesellschaftliche Rolle der Religion durchzusetzen.

Verspätete Zündung

Pakistan. General Pervez Musharraf weiß, dass er nicht bei allen Bürgern beliebt ist. Deshalb lässt er immer drei gleich aussehende Autokonvois starten, um Terroristen im Unklaren darüber zu lassen, in welchem er sich gerade befindet. Dieses Rätsel hatten die Attentäter gelöst, die am vorletzten Sonntag versuchten, ihn in die Luft zu sprengen. Sie verfehlten ihn dennoch, weil seine Limousine nach Angaben pakistanischer Ermittler über eine elektronische Vorrichtung verfügt, die die Zündung der Bombe um entscheidende Sekunden verzögerte.

Eine nicht überprüfbare Angabe, und so kam bei manchen der Verdacht auf, dass Musharraf selbst den Anschlag inszeniert haben könnte, um repressive Maßnahmen zu legitimieren und sich als mutigen Kämpfer gegen den Terror zu präsentieren. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Täter in islamistischen Kreisen oder unter unzufriedenen Militärs zu finden sind. Sie kritisieren die Preisgabe des lange von Pakistan unterstützten Taliban-Regimes und das Bündnis mit den USA. Besonderen Umwillen erregt, dass Musharraf möglicherweise ernsthaft mit Indien verhandeln will. Am Freitag deutete er an, dass Pakistan auf die Forderung nach einem Referendum über die Unabhängigkeit Kaschmirs verzichten könnte. Wenn Indien auf diese Offerte eingeht, könnte das den Weg für eine Autonomielösung und ein Ende des jahrzehntelangen Konflikts ebnen.

Strahlende Mullahs

Iran. Der frühere Vertreter des Iran bei der IAEA (Internationale Atomenergieagentur), Ali Akbar Salehi, hat am Donnerstag nach monatelangem Druck der USA und Europas das so genannte Zusatzabkommen zum Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet. Dieser Vertrag erlaubt der internationalen Atombehörde eine unangemeldete Kontrolle der iranischen Atomanlagen. Sie kann jedoch noch nicht beginnen. Denn der Iran hat sich tatsächlich durch dieses bedingte Zugeständnis eine Legitimation seines Atomprogramms erkauft und vor allem den Druck der USA abgewürgt. Der diplomatische Kunstgriff des Iran bestand darin, das Programm zur Urananreicherung zeitweise zu stoppen. Der iranische Verhandlungspartner Hassan Rohani hatte einschränkend versprochen, dass der Stopp der Urananreicherung »einen Tag oder ein Jahr dauern könne«. Damit hatte er einerseits diejenigen, die einen Austritt aus dem gesamten Nicht-Proliferationsvertrag verlangten, beruhigt, andererseits ist der Iran den Europäern einen Schritt entgegengekommen. Rechtskräftig ist die Unterschrift noch lange nicht. Denn ihr muss vom iranischen Pseudo-Parlament zugestimmt werden. Diese Zustimmung muss schließlich auch noch vom Wächterrat und vom religiösen Führer abgesegnet werden.

Schleppende Untersuchung

Argentinien. Zwei Jahre ist es her, dass der argentinische Präsident Fernando de la Rúa seinen Rücktritt erklärte. Tags zuvor hatte er den Ausnahmezustand ausgerufen, um einer Revolte, die sich über das ganze Land ausbreitete, entgegenzutreten. Nach neuen Recherchen der linken argentinischen Tageszeitung Pagina 12 beläuft sich die Zahl der während dieser Unruhen Getöteten auf 37. Fünf Polizisten und ein Militär a.D. sitzen deswegen im Gefängnis, zwei ehemalige hohe Funktionäre sind wegen Totschlags angeklagt. Aber die Untersuchungen über die Repression kommen nur langsam voran, nicht zuletzt weil es nach Angaben von Pagina 12 diverse Versuche gab, sie zu torpedieren, »wie das Auftauchen eines angeblichen Heckenschützen« – ein polizeilicher Klassiker, um von der Verantwortung der Sicherheitskräfte für die Morde abzulenken.

Fremde Länder, fremde Sitten

Vereinigte Staaten. Um den Export deutscher Kulturwerte in die USA haben sich in der vergangenen Woche drei Männer aus Frankfurt/Oder verdient gemacht. In der New Yorker Karaoke-Bar »Eggy« pöbelten sie die Prominenten-Masseurin Dorothy Stein alias Dr. Dot an, die einen Davidstern an einer Kette um den Hals trug. »Bist du sicher, dass du keine Judensau bist?« sagte einer zu ihr. Dr. Dot knallte ihm eine und rannte auf die Straße. Die Typen liefen hinterher, einer schlug ihr mit der Faust ins Gesicht. Als die Schläger sich vom Acker machen wollten, geschah das Unerwartete: kein stillschweigendes Einverständnis, kein betretenes Wegschauen – nichts, worauf die Urlauber aus der ostdeutschen Brown Zone in solchen Situationen traditionell vertrauen können. Vielmehr rannten ihnen einige Barbesucher hinterher, hielten die deutschen Kulturträger fest und riefen die Polizei. Die New Yorker Staatsanwaltschaft ermittelt.