Wir spielen Sozialismus

Multifunktionales, Didaktisches, Ideologisches und Schönes zeigt die Ausstellung »Spielzeug in der DDR«. von silke kettelhake

Ein schönes Jubiläum: Vor genau 50 Jahren veranstaltete das Ostberliner Institut für angewandte Kunst, das aus dem vom Bauhäusler Mart Stam gegründeten Institut für industrielle Gestaltung hervorgegangen war, die programmatische Ausstellung »Schönes Spielzeug«. Die aktuelle Ausstellung in der Sammlung Industrielle Gestaltung zeigt die Geschichte der ostdeutschen Spielzeugherstellung von den Nachkriegsjahren bis zu den Industrieerzeugnissen der achtziger Jahre – ein thematisches Sammelsurium aus dem bunten Kinderzimmer der DDR.

Auch in der Spielzeuggestaltung drückte sich die offizielle Ideologie der DDR aus. Die »Volkskunst« habe als Maßstab und Vergleich für die Produktion der Gegenwart zu gelten, denn im »Zeitalter des Kapitalismus« sei es auf dem Gebiet des Spielzeugs zu einem »spürbaren Verfall und Niedergang« gekommen, heißt es im Ausstellungstext von 1953. Doch die meisten Spielzeugmacher interpretierten den sozialistischen Realismus anders. Hein Köster, der Kurator der Ausstellung und ehemalige Chefredakteur der legendären Designzeitschrift des Ostens, form und zweck, erklärt: »Ganz wichtig war es uns zu zeigen, dass gleich nach Kriegsende die Gestalter didaktisches Spielmaterial entwarfen: zum Formen und Basteln, zum Spielen im Freien oder Musikinstrumente.«

Mit der Teilung Deutschlands gingen die Hersteller von Metallspielzeug und mechanischen Spielgeräten in den Westen. An der Fachschule für Spielzeug im thüringischen Sonneberg dagegen entwarfen die Gestalter nicht nur neues Holzspielzeug. »Was dort hergestellt wurde, war didaktisch hervorragend. Das Spielzeug unterschied sich wohltuend von europäischen Trends. Plastik oder Plaste, wie es dann später hieß, wurde wenig verwendet.«

Da sind zum Beispiel die berühmten »Fröbelgaben«, benannt nach dem Pädagogen und Sinnspruchtexter Friedrich Fröbel. Der Erfinder des Kindergartens ließ Kugel, Walze und Würfel aus Holz entwickeln, die heute noch für konstruktives Lernen, Arbeiten und Spiel stehen. Hein Köster meint: »In der BRD wurden die Legestäbe für Kleinkinder aus Plastik hergestellt. Die waren aber viel zu glatt und rutschten. Und in der Architektur der Städte kann man heute immer noch sehen, womit die Architekten als Kind gespielt haben: mit Klötzen und Kugeln. Und dann haben sie ihre Häuser gebaut.«

Multifunktional sollte es sein, das neue Spielzeug. »Alles musste wandelbar sein, mit wenig Spielzeug viele Funktionen erfüllen: die so genannten Mehrzweckspielgaben.« Paradestück ist der Schaukelwagen. Er fährt, und wenn man ihn umdreht, kann man in ihm schaukeln. Oder einfach ein Brett drauflegen, schon hat man einen Tisch, und packt man unter die Räder Kufen, geht’s schon los zum Schlittenfahren! Der Schaukelwagen, 1953 von Hans Brockhage unter Anleitung von Mart Stam entworfen, wurde bis 1990 gefertigt.

Oder da ist der weiße Reisekoffer für die kleine Puppe »Kuck in die Welt« mit dem weich gestopften Körper und dem handgemalten Kopf aus Holz von Hildegard Schulze-Krahmer: Turnbeutel, Schultasche mit Schulheften, Schuhputzmittel, Bürste, kleine Stifte, alles drin für einen erfolgreichen Tag. Hein Köster erklärt hierzu: »Diese Puppe aus der DDR ist kein niedliches Kleinkind, das beschützt werden muss – nein, es ist eine selbstbewusste Persönlichkeit.« Und Spielzeug sei nicht geschlechterspezifisch eingesetzt worden, schließlich sollten die Mädchen auch Traktoristinnen werden wollen.

»In der Hauptstadt, in den Großstädten und Industriezentren verfolgen wir mit Interesse die Errichtung neuer, moderner Wohn- und Hochhäuser, Kulturzentren, ja ganzer Stadtteile«, heißt es in der Anleitung eines DDR-Baukastens. Die Nachkriegskinderwelt forderte eine völlig neue Spielzeugwelt, funktional und didaktisch. Fahrzeuge und Baukästen signalisierten den Wiederaufbau nach Not und Zerstörung. Das Kind sollte »spielend die Gemeinschaftsarbeit aller Beteiligten als Voraussetzung für die große Leistung erlernen«, textete das Werbeblatt eines Spielzeugautoherstellers 1952.

Spiel war in der DDR nicht einfach Spiel. Ein erzieherischer wie auch ein propagandistischer Ansatz waren meist nicht nur in der Packungsbeilage zu entdecken. Davon, »in Ruhe zu spielen«, oder gar von Schillers Gedanke, der Mensch sei »nur da ganz Mensch, wo er spielt«, konnte in der straff organisierten Gesellschaft der DDR keine Rede sein. Hein Köster, Jahrgang 1940, spielte am liebsten im Wald. In der Revolutionsstimmung während des Arbeiteraufstands im Juni 1953 rockte seine Klasse die Schulbaracke in Falkensee: »Die Stalinallee aus Holz und zum Kleben war ein wichtiges Souvenir, die Teile kosteten eine schöne Stange Geld. Unsere Schule war voll davon. Wir haben die ganzen Spanholz-Stalinalleen demoliert, das war unser Aufstand!«

»Eine wunderschöne Erinnerung für uns Ossis!« schrieb eine Familie ins Gästebuch. »Und wo sind die Panzer und das andere Spielzeug, mit dem wir auch so schön spielen sollten und konnten?«, schreibt ein anderer. Hein Köster sagt: »Seit 1953 wurde wieder Kriegsspielzeug hergestellt, ein bis zwei Prozent des gesamten Spielzeugbestandes. Offiziell tat man sich schwer mit der Einführung der Panzer und Soldaten, denn die NVA war ja keine aggressive Armee, wie sollte man da denn Angriff und Verteidigung spielen? Aber hiermit versprach man sich ein noch stärkeres Heimatgefühl.«

In den Krippen, Kindertagesstätten oder Wohnheimen, in denen 90 Prozent der Kinder untergebracht waren, spielten die lieben Kleinen mit Weichplastesoldaten und sangen das schöne Schlaflied »Der kleine Trompeter«: »Da kam eine feindliche Kugel, bei einem so fröhlichen Spiel, mit einem mutigen Lächeln, unser kleiner Trompeter, der fiel. Schlaf wohl, du kleiner Trompeter, wir waren dir alle so gut, du lustiges Rotgardistenblut.«

Für Albert Rennoch, den Mann an der Kasse der Ausstellung, war die DDR das bessere Deutschland mit dem besseren Spielzeug: »Die Möglichkeiten für Pädagogen waren unvergleichlich größer als heute.« Im Berliner Pionierpalast, heute das Freizeit- und Erholungszentrum in der Wuhlheide, arbeitete der gelernte Dreher mit Kindergruppen: »Die Teile kamen vorgefertigt aus der Tischlerei. Die Kinder setzten sie so zusammen, wie sie es sich intuitiv dachten. Und wenn es gut war, dann haben sie es geleimt oder mit kleinen Nägeln befestigt.« Neben Knobel- und Legespielen war vor allem beliebt, was fährt. »Es gab Mädels die sind janz scharf gewesen auf Autos«, seufzt Rennoch. »Heute sind die Jugendlichen in erster Linie ein Problem und keiner weiß wohin damit.«

Hirsch Heinrich, Alfons Zitterbacke, Buratino, die schöne Wassilissa, Bummi und natürlich der Sandmann warten auf Besucher aus Ost wie West, denen in dem klar geordneten Ausstellungskonzept mit einem originalen Kindergarten und einer Schmökerecke eine spannende Zeitreise durch Design und Grafik, Politik und Gesellschaft geboten wird. »Es gab viele hoffnungsvolle Ansätze«, meint Hein Köster.

Einzig das knuffige Nashorn und die Ente für bewegungsbehinderte Kinder nach dem Entwurf von Renate Müller unter der Anleitung der berühmten Lehrerin Hanne Haeusler werden heute noch in der ehemaligen Spielzeughauptstadt Sonneberg hergestellt.

Die Ausstellung ist bis zum 28. März mittwochs bis sonntags von 13 bis 20 Uhr in der Sammlung Industrielle Gestaltung in der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg, Knaackstr., zu sehen.