Arbeitsplatz an der Sonne

Die von Präsident Bush geplante Reform der Immigrationsgesetze soll die Unternehmen mit billigen Arbeitskräften versorgen, aber auch mehrere Millionen illegalisierte Migranten amnestieren. von william hiscott

Kaum hatte das Wahljahr begonnen, verkündete die US-Regierung hoch fliegende Pläne. Das Raumfahrtprogramm soll wieder intensiviert werden, George W. Bush möchte eine Basis auf dem Mond errichten und eine bemannte Mission zum Mars schicken.

Offenbar möchte der Präsident mit solchen ambitionierten Vorhaben den USA wieder ein paar höhere Ziele geben. Wahlen aber werden immer noch auf der Erde gewonnen. Derzeit liegt Bush bei Umfragen um sieben Prozentpunkte vor Wesley Clark, dem populärsten Präsidentschaftsanwärter der Demokraten. Doch der Präsident muss damit rechnen, dass seine Wiederwahl im kommenden November durch unerfreuliche Nachrichten aus dem Irak, vor allem aber durch die Unzufriedenheit vieler Amerikaner mit der wirtschaftlichen Entwicklung gefährdet wird.

Um Wählerschichten anzusprechen, die bislang überwiegend für die Demokraten stimmten, plant Bush nun eine Reform der Immigrationsgesetze. Sie soll, wie er offen zugibt, die »konservativen und christlichen« Latinos für seine Wiederwahl gewinnen. Dass die Reform nicht zuletzt die Unternehmen mit billigen Arbeitskräften versorgen soll, ist ebenfalls kein Geheimnis. Dennoch könnten die neoliberalen Pläne Bushs die Lebensbedingungen für mehrere Millionen Migranten verbessern.

Die geplante Reform der Immigrationsgesetze sieht die Einführung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis vor, also eine Art Gastarbeitermodell. Allerdings würden die Migranten keine Aussichten auf eine Green Card haben. Dieses begehrte Dokument garantiert eine in der Regel unbefristete Aufenthaltserlaubnis und gute Aussichten auf die zügige Einbürgerung nach etwa sieben Jahren. Die bisherigen Erfahrungen mit »Gastarbeitern« sprechen jedoch dafür, dass es vielen Migranten doch gelingen kann, aus dem befristeten einen permanenten Aufenthalt zu machen und sich letztlich sogar einbürgern zu lassen. Bush schlägt zudem vor, die Einwanderer per Green Card um eine Millionen Menschen pro Jahr zu vermehren.

Wichtiger noch ist die geplante Amnestie. Bush will die acht bis vierzehn Millionen illegalisierten Migranten in den USA legalisieren, allerdings nur, wenn sie einen Arbeitsplatz nachweisen können. Diese Migranten sowie eine noch nicht spezifizierte Zahl von Neuzuwanderern würden die in der Reform vorgesehene Aufenthaltserlaubnis für zunächst drei Jahre bekommen und hätten anschließend die Chance, den legalen Status zu verlängern.

Diese bislang weitgehend rechtlosen Migranten wären damit US-amerikanischen Lohnabhängigen gleichgestellt. Ihnen müsste der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn gezahlt werden, sie würden Rechte wie Kündigungs- und Diskriminierungsschutz genießen. Sie wären zudem in der Lage, ein normales Leben zu führen, könnten legal ein- und ausreisen, einen Führerschein erwerben und ein Bankkonto einrichten. Nicht geklärt ist allerdings bislang die Frage, ob auch ein Familiennachzug möglich sein wird.

Das neue Immigrationsgesetz ist vor allem auf die Bedürfnisse der amerikanischen Wirtschaft zugeschnitten. Die Verbände der Agrarwirtschaft und der Industrie reagierten in der vergangenen Woche allesamt erfreut auf die Reformpläne. Die Essential Worker Immigration Coalition (Ewic), ein Lobbyverband von Handels- und Industrieorganisationen, der seit langem den Mangel an Arbeitskraft in den USA beklagt, »gratulierte« Bush zu seinen Initiativen. »In der Gesamtansicht hat der Präsident die großen Dinge richtig dargestellt«, lobte der Ewic-Vorsitzende John Gay.

Die Wirtschaftsliberalen in der Republikanischen Partei stimmten ihm zu. Orrin Hatch, ein einflussreicher, liberalkonservativer Senator aus Utah, sprach sich für die »wichtige und überfällige Immigrationsreform« aus. Er mahnte gleichzeitig die Bedeutung des Kongresses im Entscheidungsprozess an und rief nach einer »überparteilichen Zusammenarbeit«. Die Befürworter der Reform bei den Republikanern wissen, dass Bush anders als bei der im Dezember 2003 beschlossenen Gesundheitsreform ohne die Zustimmung des wirtschaftsliberalen Flügels der Demokraten seine Ziele diesmal nicht erreichen kann.

Denn sowohl Republikaner als auch Demokraten haben seine Pläne heftig kritisiert. Im Kongress ist Widerstand aus zwei Richtungen zu erwarten. Der protektionistische Flügel der Demokratischen Partei fürchtet Lohndrückerei, vor allem durch die Anwerbung billiger Arbeitskräfte aus Mexiko. Seine Vertreter stimmten gegen die vom demokratischen Präsidenten Bill Clinton ausgehandelten Nafta-Verträge über den Freihandel, sie werden wohl nicht zögern, ihre Interessen gegen einen republikanischen Präsidenten noch offensiver zu vertreten. Der prominenteste Sprecher dieses Flügels, Dick Gephardt, einer der Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur für die Demokraten, bezeichnete Bushs Pläne als »eine bestenfalls halbherzige Maßnahme, die möglicherweise mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen wird«.

Bush muss auch mit Widerstand vom reaktionären und rassistischen Flügel der Republikanischen Partei rechnen. Etwa 70 Republikaner im Repräsentantenhaus sind dafür bekannt, dass sie jede Immigrationsreform ablehnen, die Illegalisierte besser stellen könnte. Neben der schon länger bekannten Forderung, dass »sie in ihre Heimatländer zurückkehren sollen«, wie der republikanische Kongressabgeordnete Virgil Goode meint, bemühen sie vor allem Sicherheitsbedenken. »Gastarbeiterprogramme und sukzessive Amnestien stellen eine Deckung für Terroristen bereit«, erklärte Lamar Smith, ein Republikaner aus Texas. Bush allerdings argumentiert, dass die Amnestie effektivere Personenkontrollen gestattet. Auch die Kontrollen an der Grenze zu Mexiko sollen verschärft werden.

Aus diesen und anderen Gründen wurden Bushs Pläne auch von der Linken, von vielen Liberalen und von Teilen der Einwanderer-Communities kritisiert. Senator Edward Kennedy beschreibt die Pläne als »falsch« und »nicht ausreichend« für eine ehrliche und migrantenfreundliche Einwanderungspolitik, und die sogenannte ethnische Presse in den USA hat mehrheitlich die Pläne zwar als Hoffnung begrüßt, bezeichnet sie jedoch gleichzeitig als zu restriktiv und für künftige illegale Einwanderer als regelrecht gefährlich.

Besonders das Gastarbeitermodell, die Etablierung einer neuen Kategorie von Einwandern, die keinen geregelten Zugang zum Einbürgerungsprozess haben werden, kritisierte die American Immigration Lawyers Association in einer ersten Stellungnahme. Aber selbst dieser liberale Think Tank begrüßte gleichzeitig die Initiative Bushs nach dem Motto: Amnestie ist immer gut. So schrieb auch David Brooks etwas pathetisch in der New York Times, dass Millionen von Illegalisierten aus dem Schatten »in die Sonne treten« und die USA von der »Arbeit, Initiative und Kreativität« dieser Menschen profitieren würden.

Sicherlich ist weniger der von Bush propagierte »mitfühlende Konservatismus« als der Wunsch der Unternehmen nach billigen Arbeitskräften die Triebkraft der Reformpläne. Die geplante Amnestie würde jedoch die Lebenslage von Millionen Migranten in den USA schlagartig verbessern. Der in Europa meist als Erzreaktionär dargestellte Bush hätte dann eine Politik durchgesetzt, die unsere rot-grüne Koalition und die »stupid white men« in den meisten anderen europäischen Regierungen nie wagen würden.