Gemeinsam kämpfen

Die Vorherrschaft des neoliberalen Denkens macht den Zusammenschluss der linken Parteien in Europa nötig. von helmut scholz

Mit dem Vorhaben, eine europäische Linkspartei zu gründen, wollen sich verschiedene linke Parteien in der EU neue Wege für die Zusammenarbeit erschließen, die langjährig gewachsenen Strukturen der bisherigen Kooperation sozialistischer, kommunistischer, grünalternativer Parteien auf den Prüfstand stellen und fragen: Reicht das heute noch, da mit dem Verweis auf die ablaufenden Globalisierungsprozesse und die einseitige neoliberale Deklination von Politik zu ihrer Beherrschung amerikanische Schnittmuster Eingang in Theorie und Praxis in Europa handelnder politischer Kräfte finden? Angesichts der Notwendigkeit, auf die Vielzahl heutiger Fragen konkrete Antworten zu formulieren und gesellschaftliche Alternativen aufzuzeigen?

Die Linke, will sie ihren Widerstand gegen den Sozial- und Demokratieabbau in politische Alternativen lenken, muss sich künftig auch auf der Ebene der EU gemeinsam artikulieren und gemeinsam an das Erarbeiten der Alternativen herangehen. Bei der Kraft und Tradition der europäischen Arbeiter-, Frauen-, Umwelt- und Friedensbewegungen ist es höchste Zeit, dieser Verantwortung gerecht zu werden.

Es geht um das Erarbeiten der eigenen politischen Strategie. Das ist zweifellos die zentrale Herausforderung in einer Situation, in der neoliberales Denken sich in den Köpfen scheinbar immer mehr breit gemacht hat. In einer Situation der scheinbaren Alternativlosigkeit zu kapitalistischer Marktlogik, zu Kostensenkungen und deshalb notwendigem Sozialabbau, ja zur ökonomischen Marktverwertung der gesamten Gesellschaft.

Dies sind Erscheinungen, die nicht nur in den Nationalstaaten, nicht nur in den Regionen und Ländern, sondern auch in Europa, ja auf der ganzen Welt tagtäglich zunehmen. Diesen Herausforderungen steht auch die politische Linke gegenüber, die Linke in der Europäischen Union und ihren Mitgliedsländern, die Linke in West und Ost, in Nord- und Südeuropa, die Linke in Bewegungen, aber auch der Einzelne, der versucht, sich diesem Sog neoliberalen Einheitsdenkens zu entziehen.

Die Linksparteien des heutigen Europa haben einen Prozess schwer wiegender Auseinandersetzung um die Frage durchlaufen, in welchem Maße bisherige Positionen bewahrt oder eben doch tief greifende Reformen eingeleitet werden sollten. Ein Prozess, der den Zusammenbruch des Staatssozialismus in der Sowjetunion, in Mittel- und Osteuropa wie auch der internationalen kommunistischen und Arbeiterbewegung als weltweite Kraft zum Ausgang hatte und weitgehende Veränderungen der politischen Orientierung der jeweiligen Parteien in unterschiedlichem Maße zur Folge hatte. Mitte der neunziger Jahre waren die inhaltliche Differenzierung und die organisatorische Spaltung in vielen Parteien das Ergebnis dieser Umorientierung. Damit verbunden war eine erhebliche Schwächung des Einflusses, die zum Teil bis heute anhält und die sich vor den genannten grundsätzlichen Veränderungen der kapitalistischen Gesellschaft eher noch fortsetzt.

Hauptausgangspunkt war und ist: Debatten allein können die Defizite nicht ausräumen. Die europäische Linke braucht dafür neue Strukturen. Konsens ist, dass die weitere Arbeit an der Schaffung einer Linkspartei offen und transparent erfolgen muss, dass es darum geht, die Mitgliedschaft der Parteien einzubeziehen und mit ihr gemeinsam, aber auch mit SympthisantInnen die weiteren konkreten Schritte zu beraten.

Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Geschichte ist die Linke dazu aufgerufen, zu begreifen: Keiner von uns ist im Besitz der Wahrheit, der Kenntnis des richtigen Weges, der Überzeugung nur einer Antwort. Es geht um die Entwicklung der politischen Alternativen im gemeinsamen Erringen, über die sie Glaubwürdigkeit und Ausstrahlung in die Gesellschaft hinein gewinnen und vermitteln können.

Vielleicht ist der sich so langwierig gestaltende und oft ungeduldig machende Weg der europäischen Linken deshalb gerade richtig: weil er sich diesen Sichten und den abzuleitenden Erfordernissen stellt, ehrlich bleibt und deswegen langsamer läuft.

Eine starke europäische Linke ist das beste Argument für das Zusammenfinden auch der amerikanischen Linken. Dies wäre ein beiderseits des Atlantik zu vollziehender Schritt im Interesse einer anderen Welt: friedlich, sozial, demokratisch, umweltgerecht und solidarisch.

Helmut Scholz ist Leiter des Referats Internationale Politik/Internationale Verbindungen beim PDS-Vorstand. Der Text ist eine gekürzte Fassung eines Beitrages im PDS-Mitgliedermagazin Disput