Kultur am Täterort

Der nordrhein-westfälische Bauminister Michael Vesper schlägt vor, die Wehrmachtsausstellung dauerhaft auf der Ordensburg Vogelsang zu zeigen, in einer ehemaligen NS-Kaderschule. von jörg kronauer

Erdrückend liegt die Ordensburg Vogelsang auf dem Bergrücken südlich des Urftsees in der Eifel. 210 Meter lang ist die einförmige Steinfront, am Berghang darunter gruppieren sich monotone Wohnbaracken. Parteikader werden hier ausgebildet, verkündet die Lokalpresse im November 1936 stolz, der ideale Mann: »Nationalsozialist im Denken, Glauben, Fühlen und Handeln, der das Geheimnis von Blut und Boden als oberstes Gesetz anerkennt, niemals an sich, immer nur an sein Volk denkt.«

70 Jahre nach der Grundsteinlegung ist die Ordensburg Vogelsang erneut Gegenstand der öffentlichen Aufmerksamkeit. Denn der nordrhein-westfälische Bauminister Michael Vesper (Grüne) schlug vor, die Wehrmachtsausstellung dauerhaft auf der Ordensburg zu zeigen. Möglicherweise hat er damit die deutsche Neonaziszene erst daran erinnert, dass die NS-Kaderschmiede eigentlich zu ihren Kultstätten gehören könnte.

»Wir denken beispielsweise an ein Jugendgästehaus oder eine Jugendbegegnungsstätte«, erklärte Vesper und verwies auf die Rolle, die die Erinnerungskultur dabei spielen solle. »Entscheidend ist, dass die Ordensburg kein Wallfahrtsort für Nazis wird und sich das Konzept harmonisch in den Nationalpark einfügt.« Doch kaum etwas haben alte und junge Nazis in den vergangenen Jahren so konsequent angegriffen wie die Wehrmachtsausstellung. Erst kürzlich wurde der Initiator des Projekts, Jan Philipp Reemtsma, bei einem Vortrag in Duisburg von Neonazis mit Eiern beworfen; am 31. Januar wollen die Kameraden in Hamburg demonstrieren, der letzten Station der Wehrmachtsausstellung. In der Eifel dürfte sich die Demonstrationsserie fortsetzen, sollte Vespers Vorschlag verwirklicht werden.

US-Truppen nahmen die Ordensburg im Februar 1945 ein, im Jahr 1950 erhielt das in Nordrhein-Westfalen stationierte erste belgische Corps das Gelände als Truppenübungsplatz. Im Laufe des Jahres 2005 will die belgische Armee nun den südöstlich von Aachen gelegenen Ort räumen, er soll in den Nationalpark Eifel integriert werden, der am 1. Januar eingeweiht worden ist. Die Diskussion über die zukünftige Nutzung der ehemaligen NS-Kaderschmiede ist in vollem Gange.

Vielerlei Möglichkeiten böte das riesige Areal. Vergnügungspark, Wellnesstempel, Quartier für Massentourismus – manche der öffentlich genannten Vorschläge erinnern an die Gedanken Robert Leys, der Führer der Deutschen Arbeitsfront (DAF) und NSDAP-Reichsorganisationsleiter war und der neben der Ordensburg ein »Kraft durch Freude«-Hotel errichten wollte.

Die Ordensburg Vogelsang, die neben den Ordensburgen Sonthofen im Allgäu und Crössinsee (damals Pommern) eine der drei Ausbildungsstätten für den Führungsnachwuchs war, ist schon architektonisch ein Dokument nationalsozialistischen Größenwahns. Der Kölner Architekt Clemens Klotz, der spätere Erbauer des KdF-Seebades Prora, orientierte sich bei der Auswahl des Bauplatzes und der Gestaltung der Bauwerke zudem an der damals gängigen Ideologie des Heimatschutzes, derzufolge die Architektur sich den landschaftlichen Gegebenheiten anpassen sowie auf regionale Baustoffe zurückgreifen müsse.

Auch dem Führerprinzip hat Klotz einen steinernen Ausdruck verliehen. Hoch oben auf dem Bergrücken steht die Ordensburg mit der Kommandantur, darunter, an den Hang gepresst, befinden sich die Wohnbaracken der Schüler – ganz entsprechend dem Prinzip von Befehl und Gehorsam.

1934 hatte der aus dem Rheinland stammende Robert Ley den Bau der drei Ordensburgen in Auftrag gegeben. In ihnen sollte die höchste Form nationalsozialistischer Menschenformung praktiziert werden, elitärer noch als in den Adolf-Hitler-Schulen und den so genannten Nationalpolitischen Erziehungsanstalten. Aufgenommen wurden nur deutsche Männer, die Arbeits- und Militärdienst geleistet und sich in der Partei hervorgetan hatten. »Die höchsten Führerstellen in Staat und Bewegung«, so versprachen Werbeschriften, sollten nach der Ausbildung den »Junkern« offen stehen, wie die Schüler in Anlehnung an den mittelalterlichen Deutschen Orden genannt wurden, der auch für die Bezeichnung Ordensburg das Vorbild abgab.

»Alle männlichen Tugenden des Mutes, der Entschlusskraft, der Kühnheit, der Selbstzucht, des freiwilligen Gehorsams, der Kameradschaft und der Treue« verlangte der alkoholabhängige Chemiker Ley von den »Junkern«, die meist im Alter zwischen 20 und 30 Jahren die dreijährige Ausbildung begannen. Je ein Jahr waren sie in den 1936 eröffneten drei Ordensburgen stationiert, die jeweils Schwerpunkte hatten: Crössinsee die »charakterliche« Ausbildung, Sonthofen den Unterricht in den Fächern Verwaltung, Diplomatie und Militär. Vogelsang, das »Bollwerk des Westens«, spezialisierte sich auf die »Rassenlehre« und die NS-Geschichtsphilosophie.

»Es ist ganz wichtig, darauf zu achten, dass die Burg nicht zu einer Pilgerstätte für Nazis wird«, mahnte der Kölner Regierungspräsident Jürgen Roters (SPD) schon im vergangenen Jahr. Die Befürchtung ist begründet. »Die Nazis haben bisher zwar noch keinen Anlauf genommen, an die Tradition der Junkerschulen anzuknüpfen«, erklärt Kurt Heiler von der VVN-BdA in Aachen. »Aber mehrfach haben die Republikaner gegen die belgische Armee protestiert und ›Besatzer raus!‹-Flugblätter verteilt.« Wenn die Abriegelung des Geländes durch das belgische Militär aufgehoben wird, steht die Ordensburg mit ihrer historischen Thingstätte ungeschützt da.

Einen angemesseneren Vorschlag, wie mit ihr dann zu verfahren sei, machte im Dezember Paul Spiegel, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland. »Die Ordensburg ist ein reiner Täterort«, rief er in Erinnerung. »Muss man sie unter immens hohen Kosten sanieren, während man gleichzeitig die KZ-Gedenkstätte Lichtenburg mit dem Argument hoher Kosten verfallen lässt?« Andersherum wäre es richtig, meint Spiegel. »Die Ordensburg Vogelsang bewusst verfallen lassen und sie in diesem Zustand als Lernort nutzen, dafür aber die KZ-Gedenkstätte Lichtenburg sanieren.«