Vor den Gipfeln

Eine Woche vor dem Weltwirtschaftsforum herrscht in Davos Ausnahmezustand. Die Globalisierungskritiker vermeiden dieses Jahr Großdemonstrationen und planen dezentrale Aktionen. von yves kramer, zürich

Die UBS haben wir nicht geschafft«, klagte ein jugendlicher Teilnehmer am Rande des »Spazierganges gegen WEF und Kapitalismus« vom vergangenen Samstag in Winterthur bei Zürich. Das Panzerglas der UBS-Bankfiliale hielt stand, die erste Demonstration gegen das vom 21. bis zum 25. Januar im schweizerischen Bergkurort Davos stattfindende Weltwirtschaftsforum (WEF) 2004 endete jedoch mit massiven Ausschreitungen und hohem Sachschaden. Damit stehen die Zeichen eine Woche vor dem diesjährigen WEF in Davos erneut auf Sturm.

Dass die 3 000 geladenen WEF-Teilnehmer allerdings je einen Demonstranten zu Gesicht bekommen werden, ist höchst unwahrscheinlich. In diesem Jahr wurden nicht nur die Sicherheitsmaßnahmen rund um Davos nochmals ausgebaut, es fehlt auch an einer gemeinsamen Mobilisierung gegen das WEF. Die Ereignisse vom letzten Samstag deuten auf eine Zuspitzung der Auseinandersetzungen zwischen einem hoch gerüsteten Sicherheitsapparat und vor allem jungen, militanten Demonstranten hin.

Die »globalisierungskritische Masse« scheint dagegen in diesem Jahr die Straße als Aktionsfeld zu meiden.

Bereits im September erklärte das Oltner Bündnis, in diesem Jahr keine Großdemonstration in Davos zu organisieren. Der gescheiterte Versuch, dort eine Demonstration mit freiem Zugang für alle durchzusetzen, führte zu einigen Querelen, die eine weitere Zusammenarbeit nach wie vor schwierig machen. So scheiterte schließlich auch der Versuch, in diesem Jahr wenigstens in Zürich eine breite Bündnisdemonstration durchzuführen.

Dennoch müsse mit gewalttätigen Demonstrationen, Plünderungen, Sabotageakten oder gar Terroranschlägen gerechnet werden, glauben zumindest die Behörden in Bern. Ein weiterer Einsatz des Militärs sei auch in diesem Jahr nötig. Die grüne Nationalrätin Pia Hollenstein wehrte sich vergebens gegen die »Militarisierung des Zivilen« und die Aussetzung der Versammlungs- und Bewegungsfreiheit während des WEF. Sowohl der Ständerat als auch der Nationalrat befürworteten den Einsatz von 6 500 Armeeangehörigen.

Vervollständigt werden die Sicherheitsvorkehrungen von einer unbekannten Anzahl von Polizisten, die aus der ganzen Schweiz zusammengezogen werden, und der bereits üblichen Wasserwerfereinheit aus Deutschland. Zudem wird erneut eine Luftraumsperre über Davos verhängt. Damit sollte gewährleistet sein, dass die geladenen Entscheidungsträger aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Kultur ganz im Sinne des WEF-Gründers Klaus Schwab ungestört »die anstehenden Probleme gemeinsam und zielorientiert« angehen können. Dem kommenden Jahrestreffen hat Schwab das Motto »Partnerschaften für Sicherheit und Wohlstand« gegeben.

Ergänzt wird das WEF durch das so genannte Open Forum. Dieses hat Schwab zusammen mit »Brot für alle« und dem Evangelischen Kirchenbund im letzten Jahr ins Leben gerufen, um mit der Zivilgesellschaft in den »kritischen Dialog« zu treten. Bei den außerparlamentarischen Gruppen, NGO und Parteien, die die Mobilisierung gegen das WEF in den letzten Jahren getragen haben, ist er damit aber abgeblitzt.

Das Open Forum sei eine »reine Alibiübung« heißt es, wo immer man nachfragt. Bis hin zum NGO-Bündnis rund um die Erklärung von Bern (EvB), das in diesem Jahr bereits zum fünften Mal die internationale Konferenz »The Public Eye on Davos« organisiert, besteht auch weiterhin Einigkeit darüber, sich auf keinen Dialog mit dem WEF einzulassen. »Das WEF ist keine neutrale Plattform, wo partnerschaftliche Lösungen für globale Probleme gefunden werden können«, stellt Matthias Herfeld von der EvB fest. Im Zentrum der Konferenz steht die Frage der Unternehmensverantwortung.

Die volle Unterstützung genießt das WEF dagegen bei den Schweizer Behörden. Die Bedeutung dieses »außerordentlichen Ereignisses« sei für die Schweiz unverändert, bekräftigt der Bundesrat, der mit einer Viererdelegation am Forum teilnehmen wird. Besonders gefreut haben dürfte Klaus Schwab das gewonnene Referendum im letzten Oktober. Mit großer Mehrheit stimmte damals die Davoser Bevölkerung einer Beteiligung an den Kosten für die Sicherheitsmaßnahmen zu.

Seit dem 7. Januar 2004 hat die Bündner Polizei das gesamte Gemeindegebiet zur »Kontroll- und Durchsuchungszone« erklärt. Die Polizei ist insbesondere befugt, jederzeit Kleidung, mitgeführte Behältnisse und Fahrzeuge von allen Personen zu durchsuchen und alle Gegenstände zu konfiszieren, »von denen eine Gefahr ausgeht oder die missbräuchlich verwendet werden können«. Zudem wird zwei Tage vor Beginn des WEF mit einer zusätzlichen Sicherheitszone rund um den Tagungsort die Bewegungsfreiheit in Davos nochmals eingeschränkt. Bereits jetzt sind verschiedene Streckenabschnitte aus Sicherheitsgründen gesperrt und Bushaltestellen verschoben worden.

Ein Bündnis rund um den Revolutionären Aufbau Schweiz ist das einzige, das in diesem Jahr zu einer Demo nach Davos aufruft. »Wir werden den in den letzten Jahren erkämpften Raum in Davos nicht einfach preisgeben.« Weit wahrscheinlicher als eine Demo am 24. Januar ist es allerdings, dass es vor Davos zu Blockaden kommen wird oder dass die militanten Aktivisten weiter nach Chur fahren.

In Chur ruft das globalisierungskritische Forum Graubünden »DADAvos« gleichentags zu einer »kraftvollen, aber friedlichen Anti-WEF-Demo« auf. Mit dem Ausweichen ins politische und wirtschaftliche Zentrum Graubündens wollen die lokalen Aktivisten der direkten Konfrontation mit dem Sicherheitsapparat aus dem Weg gehen und trotzdem »ein starkes Zeichen gegen das WEF, seine Politik und die Missachtung politischer Rechte« setzen.

Ganz auf »dezentrale Blockaden« setzt man in diesem Jahr bei der Anti-WTO-Koordination Schweiz. »Wir sind der Meinung, dass dezentrale Blockaden auf die derzeitige Situation die richtige politische Antwort sind: Viele Menschen können so ihre Opposition zum WEF auf sehr unterschiedliche Art ausdrücken«, ist Alice Bodenmann von der Anti-WTO-Koordination Bern überzeugt. Zusammen mit den Jungen Grünen, den Jungsozialisten und weiteren außerparlamentarischen Gruppierungen haben sie dafür das Blockadenetz »Mafalda« gegründet. Gemeinsam will man am Mittwoch, dem 21. Januar, die Anreise der WEF-Teilnehmer stören und das WEF selbst als »elitären Klub ohne demokratische Legitimität« entlarven. »Frech, fröhlich, vielfältig – und natürlich effizent« sollen die unterschiedlichen Formen des zivilen Ungehorsams zwischen dem Flughafen Zürich-Kloten und Davos sein.