Bombige Stimmung

EU und Innere Sicherheit von anita baron

Der Mann muss es wissen. »Die Terrorismusgefahr hierzulande war seit 1945 noch nie so konkret wie heute und die Innere Sicherheit noch nie so gefährdet«, warnte Konrad Freiberg, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, in der aktuellen Ausgabe des Focus.

Wovon die Gefahr ausgeht, ob nun al-Qaida bald den Potsdamer Platz in die Luft sprengt oder Bundeskanzler Gerhard Schröder ein Paket aus Bologna bekommt, wusste er nicht genauer zu sagen. Sicher ist nur, dass nichts sicher ist. Also muss schleunigst gehandelt werden. Und zwar europaweit.

Dabei sind die europäischen Institutionen schon seit Jahren dabei, die Sicherheitsmaßnahmen exzessiv auszubauen. So sieht ein Vorschlag zum Europäischen Verfassungsentwurf vor, mit Hilfe eines »technischen Komitees« eine umfassende Koordination von Innerer Sicherheit und der Verwaltung der Außengrenzen zu schaffen, und an eine wenigstens halbwegs demokratische Kontrolle dieses Gremiums ist natürlich nicht gedacht.

Dieses neue Komitee könnte die Arbeitsgruppe fortsetzten, die bereits auf dem EU-Gipfel in Tampere im Oktober 1999 vorgestellt wurde. Die damals gegründete Operative Task Force der Polizeichefs (PCOTF) sollte ursprünglich nur als »Denkfabrik« funktionieren und Anregungen für eine Integration der europäischen Polizeidienste liefern.

Doch nach den Protesten in Genua und Göteborg kam eine ganze Reihe brisanter Aufgaben hinzu. Demnach gehört heute auch die nachrichtendienstliche Datensammlung und der Zugang zum Schengener Informationssystem zu ihren Aufgaben. Zu Beginn befasste sich das System nur mit gestohlenen Autos sowie mit abgewiesenen Migranten. Mittlerweile wurde es um »Verdachtspersonen« aus dem Bereich »Terrorismus und öffentliche Ordnung« erweitert.

Zudem soll die Arbeitsgruppe für die Sicherheit auf Flughäfen, bei internationalen Foren sowie bei EU-Gipfeltreffen sorgen. Die Task Force ist auch für die Koordination von Antiterror-Maßnahmen zuständig, wie jetzt in Italien bei der Suche nach den Briefbombenattentätern.

Außer dem Aufbau des europäischen Sicherheitsapparates, der weitgehend der öffentlichen Kontrolle entzogen ist, wurde in den vergangen Jahren auch das Bedrohungsszenario ausgedehnt. Neben den üblichen Verdächtigen wie der spanischen Eta oder der nordirischen IRA kamen in den vergangenen Jahren neue Gefahren hinzu.

So beschäftigen sich die europäischen Sicherheitsbehörden mit dem so genannten »anarchistischen Terrorismus« in Italien und einem angeblichen Öko-Terrorismus. In einem bereits vor zwei Jahren von Europol verfassten »Trendbericht« wird davor gewarnt, dass die »terroristischen Aktivitäten im Süden« nach dem G 8-Gipfel in Genua als Beispiel für linksradikale und anarchistische Gruppen in den restlichen Mitgliedsländern funktionieren könnten. Bei dieser vagen Definition verschwimmen die Grenzen zu sozialen Bewegungen und radikaleren Protestformen.

Die Nachricht ist nun angekommen. Die Innere Sicherheit ist gefährdet. Nun wird die EU bombensicher. Und das bekommen bald nicht nur Anarchisten zu spüren.