Heute keine Nachrichten

Streik bei französischen Sendern

Rund um die Uhr rieselt klassische Musik aus dem Radiosender France Info, der ansonsten 24 Stunden am Tag Nachrichten ausstrahlt. Was ist los, ein Staatsbegräbnis? Nein, es ist Streik. 18 Tage lang war die große Mehrheit der Journalisten bei France Info, einem der beiden meistgehörten Radiosender im Land, im Ausstand. Mitte vergangener Woche schlossen sich auch die anderen Sender der öffentlichen Unternehmensgruppe Radio France dem Streik an, etwa der französische Auslandssender RFI.

Radiojournalisten in Frankreich verdienen in der Regel nicht besser als mittlere Angestellte. Seit sieben Jahren hat es keine tarifliche Erhöhung der Gehälter beim öffentlichen Radio mehr gegeben, allenfalls individuelle Gehaltserhöhungen.

Zu Beginn dieses Jahres nun hatten die Radiojournalisten endgültig die Schnauze voll. Die Antwort ihrer Direktion unter Jean-Marie Cavada ebenso wie jene des zuständigen Kulturministers Jean-Jacques Aillagon war klar und eindeutig: Es gibt nichts zu verhandeln, Punkt.

Zwei Wochen später gab es dann doch etwas zu verhandeln, und am vergangenen Freitag kam es sogar zum Abkommen. Allerdings wurde den Streikenden klar, dass mehr als das Angebot vom Vortag nicht herauszuholen war. Es beinhaltet eine dreiprozentige Lohnerhöhung ab 2005, im März dieses Jahres gibt es eine einmalige Zahlung von 400 Euro, die aber nach der Lohnerhöhung 2005 wieder abgezogen werden!

Eine Krise herrscht auch beim derzeit größten öffentlichen Fernsehsender France-2. Dessen Nachrichtendirektor Olivier Mazerolle ist soeben gefeuert worden, und der Nachrichtensprecher David Pujadas wurde für 14 Tage – ohne Gehalt – vom Dienst suspendiert. Der Grund: Am Abend des 3. Februar hatten die Nachrichten auf France-2 die Sensation verkündet, der Vorsitzende der konservativen Regierungspartei UMP, Alain Juppé, ziehe sich definitiv aus der Politik zurück. Drei Tage zuvor war Juppé von einem Gericht in Nanterre wegen einer schweren Korruptionsaffäre veurteilt worden.

Doch die Nachrichensendung lag mit ihrem Titelthema voll daneben: Zur gleichen Stunde war Juppé Studiogast beim Konkurrenzsender TF1, den Jacques Chirac 1987 – er war damals Premierminister – privatisieren ließ. Juppé verkündete dort, dass er alle seine Ämter bis zum Ausgang des Berufungsverfahrens behalten wolle. Daraufhin traf sich die France-2-Redaktion zu einer Vollversammlung. 70 Prozent der anwesenden Journalisten stimmten einem Misstrauensantrag gegen ihre Leitung zu.

Die erbitterte Konkurrenz zwischen den öffentlichen und privaten Sendern hat zu diesem Fauxpas beigetragen. Aber möglicherweise auch eine Finte der konservativen UMP. Mazerolle jedenfalls schwört, er habe noch wenige Minuten vor der Nachrichtensendung aus einer »sicheren Quelle« eine Bestätigung für den Rückzug Juppés erhalten. Sollten UMP-Politiker bewusst eine Falle aufgestellt haben? Fest steht, dass sie den Privatsender TF1 offen bevorzugt haben, da Juppé diesem allein seinen Auftritt reservierte.

Denn die konservative Rechte hält mit ihren Privatisierungsgelüsten gegenüber den öffentlichen Medien kaum hinter dem Berg. Deswegen auch die stiefmütterliche Behandlung der Journalisten in öffentlichen Redaktionen.

bernhard schmid