Lektion gelernt

Einigung in der Metallindustrie von freerk huisken

Im Ergebnis deutet sich der Beginn einer neuen Tarifpolitik an. Die IG Metall hat bei den jüngsten Tarifverhandlungen nicht nur einer effektiven Lohnsenkung (was sind nach der Einführung des Euro die circa 2,45 Prozent auf mehr als zwei Jahre Laufzeit?), sondern vor allem einem »Grundsatzbeschluss« über die »Erhöhung und Absenkung der Arbeitszeit mit oder ohne (!) vollem Lohnausgleich« für die Betriebe zugestimmt, der die Streichung von Sonderzahlungen und Mehrarbeitszuschlägen ohnehin erlaubt. Der Beschluss tritt »probeweise« in Kraft, und später soll überprüft werden, ob dadurch Arbeitsplätze gerettet worden sind. Das Ergebnis der Überprüfung steht jetzt schon fest: Klar sind welche gerettet – immer genau so viele, wie es noch gibt.

Nur auf den ersten Blick schien auch die jüngste Tarifrunde in der Metallindustrie dem klassischen Drehbuch gefolgt zu sein. Auf den zweiten Blick stellt sich alles anders dar. Das beginnt bereits damit, dass es plötzlich die Metallarbeitgeber waren, die Forderungen stellten. So als würde die jährliche Tarifrunde nicht der sich immer wieder als untauglich erweisende Versuch der Gewerkschaften sein, mit neuen Forderungen zu kompensieren, was die Unternehmer nach dem Tarifabschluss im Betrieb mit dem Lohn-Leistungverhältnis zu ihren Gunsten anstellen.

Die Unternehmer forderten, dass ab sofort Mehrarbeit auch einmal ohne Lohn zu haben sein müsse. Das Prinzip, dass jede Arbeit bezahlt gehört, wird für null und nichtig erklärt, wenn die Unternehmer der Metallindustrie die bedarfsweise Verlängerung der Arbeitszeit von 35 auf 40 Stunden wünschen und dabei die Frage der Bezahlung den Betrieben überlassen wollen. Der Höhepunkt jedoch ist, dass die IG Metall diesen Angriff auf die Arbeitszeit und den Lohn, der um 14 Prozent schrumpfen könnte, überhaupt für verhandelbar hielt.

So will der Arbeitgeberverband seinem Ziel ein Stück näher kommen, die Einmischung der Gewerkschaften, die er prinzipiell nicht leiden kann, noch weiter zurückzudrängen und den Flächentarifvertrag durch einen einfachen Rahmenvertrag zu ersetzen, der von Betrieben und ihren Räten in »betriebsnaher Entscheidungsfindung« zu erfüllen sei.

Nicht die örtlichen Tarifverhandlungsführer sollen das Ergebnis auskungeln, sondern die Verbandschefs sollen sich zu einer politischen Einigungsrunde zusammensetzen, die einer doppelten Vorentscheidung Rechnung zu tragen hat: Zum einen ist klar, dass Streik nicht sein darf. Was Deutschlands Wirtschaft nützt und was ihr schadet, haben die IG-Metaller im abgebrochenen Stahlstreik im Osten gelernt. Das einzige Kampfmittel der Arbeiter ist von ihrer Gewerkschaft vorerst aus dem Verkehr gezogen worden.

Zum anderen sitzt immer der Kanzler Gerhard Schröder virtuell mit seiner Drohung mit am Tisch, notfalls die Tarifautonomie per Gesetz auszuhebeln, wenn die IG Metall nicht von sich aus in ihrer Tarifpolitik auf seinen Kurs einschwenkt.

Die größte und eigenem Bekunden zufolge stärkste Einzelgewerkschaft der Welt hat ihre Lektion gelernt. Zwischen den Alternativen, als Gewerkschaft vom Gesetzgeber kaltgestellt zu werden oder als nationale Arbeiterlobby weiterhin Beachtung zu finden, hat sie sich für die letzte entschieden und einen Preis gezahlt, der den Metallabeitern so einiges deutlich macht: Was die nationalen Anstrengungen in der Standortkonkurrenz den Lohnarbeitern zumuten, das bekämpft die Gewerkschaft nicht, sondern das setzt sie zusammen mit Politik und Unternehmern und natürlich immer ganz streitbar durch – für Deutschland und gegen die Arbeiter.