Die Fahne schwenken!

Das Zeigen der Israelfahne ist konkreter Antifaschismus. von leo ginster

Hamburg, Januar 2004: Ein paar blauweiße Fahnen mit dem Davidstern, getragen auf einer Demonstration gegen Rechtsextreme, provozieren den Eklat: Antisemitisches Gebrüll leitet den Sturm auf Flaggen und Flaggenträger ein, es wird getreten und geprügelt, die Fahnen Israels sollen zu Boden gehen. Die Täter sind keine Neonazis. Es sind deutsche Antifaschisten.

Und was ist unser Thema? Nicht der Bruch mit dem antisemitischen Mob in den eigenen Kreisen und nicht die Kritik an denen, die das Bündnis weiter propagieren. Das Thema ist, zur Unzeit selbst ein Skandal, ob die israelische die richtige Fahne auf linken Veranstaltungen sei.

Der Vorwurf, mit den Symbolen des jüdischen Staates Identitätspolitik zu betreiben, ist absurd und wird von denen erhoben, die ein notorisch gestörtes Verhältnis zu einem konkreten Antifaschismus haben. Israel, historisch und politisch verstanden, ist aber Maßstab eines Handelns im Ursprungsland der Shoa. Mehr noch: Wegen der Interessensgleichheit - von der Ablehnung antimoderner und kollektivistischer Tendenzen bis zum Bekenntnis zur Aufklärung als permanenter Aufgabe - ist ein Bündnis mit Israel im eigenen Interesse.

Dabei ist den politischen wie militärischen Fähigkeiten der Israelis zu vertrauen, sie sind der beste Schutz vor den aggressivsten Bedrohungen. Unser dirty job ist es, dem dreifachen Elend in Europa, das sich antiwestlich, antimodern und antisemitisch geriert, entgegenzutreten. Die Mittel dazu sind vielfältig. Eines davon ist die israelische Fahne. Warum?

Erstens: Diese Fahne ist ein Symbol dafür, dass wir uns als Bündnispartner Israels verstehen, eine sichtbare Absage an Bettlaken mit Pace-Schriftzug und ähnliche politische wie ästhetische Grausamkeiten.

Zweitens: Israels Fahne ist innerhalb einer symbolverliebten Linken die wohl eindeutigste Bekundung eines konkreten Antifaschismus, wo doch so viel dort seinen falschen Platz hat: die bekenntnishaften Aufnäher, die Halswickel des palästinensischen Terrors und natürlich Sowjetflaggen, die bestenfalls die revolutionäre Utopie, doch meist nur das Historie gewordene Elend des Moskauer Regimes meinen.

Drittens: Nach dem Skandal um die Kündigung eines Mietvertrages wegen einer am Balkon befestigten Israelfahne in Berlin im vergangenen Sommer gab es nach Reportagen in israelischen Medien hunderte Mails der Art: »Herzlichen Dank für euren Mut.« Unsere Verwendung dieser Fahne wird von jenen, denen unsere Solidarität gilt, sehr richtig verstanden.

Viertens: Die israelische Fahne zwingt dort zu Entscheidungen, wo sie anstehen, nämlich in einer Linken, die sich als antifaschistisch versteht, aber über Floskeln der Art: »Ich habe nichts gegen Israel, aber...« nie hinauskommt.

Aufklärung als politisches Programm schließt die Bewusstmachung von Mißverständnissen über sich selbst ein. Ein solches wird im Streit um die israelische Flagge offengelegt. Denn ein nicht geringer Teil der israelsolidarischen Linken hat keine entsprechende politische Praxis und wird dem eigenen Anspruch nicht gerecht. Dabei ist nicht gemeint, dass Flaggezeigen zum Pflichtprogramm erklärt wird.

Aber wenn die Fahne Israels zu Boden geworfen, zertrampelt und verbrannt werden soll, ist sie zu verteidigen. Zwar ist nicht gleich Antisemit, wer nach den Vorfällen von Hamburg immer noch an den alten Antifabündnissen festhalten möchte oder wer tatsächlich über die Fahne und nicht über die Angreifer glaubt diskutieren zu müssen. Aber der Brückenschlag zum antisemitischen Mob, gern als Fähigkeit zum innerlinken Diskurs verniedlicht, scheint wichtiger als eine politische Praxis, die dem moralischen Minimum genügte. So sieht es fast so aus, als stritten linke Antifaschisten mit den Nazis um das Vorrecht auf palästinensische Symbole und Attacken auf die des jüdischen Staates. Diese verkommene Linke perpetuiert ihren Verrat an Aufklärung und Emanzipation.

So verleugnen antinationale Ideologen bewusst, dass die Kritik der Nation nur als utopisches Programm sinnvoll ist und tagespolitisch genau das Gegenteil bewirken muss: Sie sprechen konkret Israel die Existenzberechtigung ab. Es sei dabei daran erinnert, dass die nationale Verfasstheit des jüdischen Staates, Grenzzäune, Geheimdienste und die israelische Armee eingeschlossen, eine Versicherungspolice für diejenigen ist, die nach 1933 fast niemand schützen wollte.

Die Fahne Israels nicht als Utopie, sondern als Konkretes, ist ein starkes politisches Statement. Ein unzweideutig antifaschistisches allemal.