Schiebt ab!

Flüchtlinge in den Niederlanden von alexander fröhlich

26 000 Flüchtlinge sollen in den nächsten drei Jahren aus den Niederlanden abgeschoben werden. Wer von ihnen nicht mit den Behörden kooperiert, wird ins Abschiebegefängnis oder auf die Straße geworfen. Den Kommunen ist jede Unterstützung dieser Menschen verboten.

Das beschloss die rechtskonservative Regierungskoalition zusammen mit den rechten Oppositionsparteien am Dienstag vergangener Woche. Den Einwand, diese Behandlung sei unmenschlich, kann Einwanderungsministerin Rita Verdonk nicht verstehen. Denn: »Die Niederlande sind ein Rechtsstaat, und die Gerichte haben die Asylanträge dieser Menschen abgelehnt.«

Abgeschoben werden sollen alle Flüchtlinge, die vor dem Inkrafttreten der neuen Einwanderungsgesetze im April 2001 erfolglos Asyl beantragten. Nur etwa 2 300 Asylbewerber, deren individuelle Situation als besonders schwierig beurteilt wird, sollen als Härtefälle eingestuft werden und können, unter Vorbehalt, im Land bleiben. Anderen Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien, dem Irak und Afghanistan, die oft schon seit etlichen Jahren in den Niederlanden leben und dort Arbeit und Familie haben, droht die Verbringung in extra eingerichtete Abschiebezentren, wo sie an ihrer Abschiebung mitwirken sollen.

Die linken Oppositionsparteien verurteilten die geplanten Abschiebungen. Sie forderten großzügige Bleiberechtsregelungen vor allem für die Flüchtlinge, die seit fünf Jahren oder länger in den Niederlanden leben. Es war allerdings die sozialliberale Koalition unter Wim Kok, die vor vier Jahren dem Parlament Entwürfe zu verschärften Einwanderungsgesetzen vorlegte. Auch die Erweiterung der Grenzkontrollen, die Intensivierung der polizeilichen Jagd nach Illegalisierten und die Errichtung zusätzlicher Gefängnisse für Flüchtlinge ohne Papiere gehen auf das Konto der damaligen Regierung.

Die regierende Mitte-Rechts-Koalition führte die rassistische Flüchtlingspolitik mit Härte fort. Die Regierung von Jan Peter Balkenende war kaum im Amt, als sie die Ausgaben für Flüchtlinge rigoros um 90 Prozent kürzte. Im vergangenen Jahr ließ sie zudem Internierungslager für Flüchtlinge nach deutschem Vorbild einrichten, in denen ganze Familien bis zu ihrer Abschiebung festgehalten werden. Zudem initiierte die Regierung so genannte Sammelabschiebungen in Zusammenarbeit mit den Abschiebebehörden des Nachbarlandes Belgien.

Ob die nun beschlossenen Abschiebungen durchgeführt werden können, ist jedoch bisher nicht sicher. Erstens ist es fraglich, ob die Behörden in der Lage sind, den organisatorischen Aufwand zu bewältigen. Überdies könnte der Widerstand der Flüchtlinge und ihrer Unterstützer die Abschiebungen verhindern. Nach Einschätzung der BBC-Korrespondentin in Den Haag, Geraldine Coughlan, sind zwei Drittel der Holländer mit dem Vorgehen gegen Flüchtlinge nicht einverstanden. Sie fügt hinzu, dass mit einer breiten Unterstützung für Asylsuchende gerechnet wird, die sich dem Befehl widersetzen, in ihre Heimatländer zurückzukehren. Umfragen belegen, dass mehr als die Hälfte der Niederländer die Abschiebungen ablehnen und sich eine humanere Asylpolitik wünschen.

Diese schönen Wünsche mündeten aber noch nicht in Taten. Während der parlamentarischen Debatte demonstrierten nur etwa 2 500 Menschen gegen den Abschiebungsbeschluss.