Ankunft der Strategen

Die Bundesakademie für Sicherheitspolitik zieht nach Pankow. Antifagruppen machen gegen den Think Tank mobil. von frank brendle

Berlin wird immer sicherer. Der Bundesnachrichtendienst drängt vom beschaulichen Pullach in die Hauptstadt, das Bundeskriminalamt soll, wenn auch eher im Rahmen einer Zwangsvorführung, dorthin umziehen, und in der kommenden Woche feiert die Bundesakademie für Sicherheitspolitik die Einweihung ihres neuen Berliner Domizils. Das Schloss Niederschönhausen im Stadtteil Pankow soll künftig der Ort sein, an dem die bislang wenig beachtete Akademie, die in der Bonner Rosenburg ansässig war, die Grundzüge der deutschen Sicherheitspolitik gestaltet.

Bei der im Juni 1992 gegründeten Bundesakademie handelt es sich um die »zentrale Fortbildungsstätte des Bundes auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik«, wie die hauseigene Homepage verrät. Politisch kontrolliert wird sie von den Mitgliedern des Bundessicherheitsrates, von jenem stets geheim tagenden Kabinettsgremium, das auch über Rüstungsexporte zu entscheiden hat.

Die Akademie, deren Leitung vornehmlich aus höheren Militärs besteht, soll »Führungskräfte aus Bundes- und Länderressorts« fortbilden, aber auch Persönlichkeiten aus dem »sicherheitspolitischen Umfeld« erreichen, um ihnen die Interessen der BRD zu vermitteln. Zur Zielgruppe werden Vertreter der Kirchen, der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Medien gezählt – all jene, welche die im Sinne der Akademie »erforderliche Meinungsführerschaft« übernehmen können, um in der Bevölkerung für die Akzeptanz der deutschen Sicherheitspolitik zu sorgen.

Zu diesem Zweck veranstaltet die Akademie regelmäßig Seminare, Kurse und Regionalkonferenzen. In den ersten Jahren nach 1990 widmete man sich vorzugsweise dem Osten der Republik. Einmal im Jahr findet ein zweitägiges »Forum zur Sicherheitspolitik für Chefredakteure und Ressortleiter Außen-/Innenpolitik« statt. Journalisten, die sich auf dem »Gebiet der Vermittlung sicherheitspolitischer Zusammenhänge im deutschsprachigen Raum« besonders gut bewährt haben, werden mit dem Karl-Carstens-Preis ausgezeichnet.

Kommen die Meinungsführer nicht zur Akademie, so werden sie von deren Mitarbeitern aufgesucht. In Vorträgen und Diskussionsrunden erläutern sie die Grundprinzipien deutscher Machtansprüche: die Schaffung eines »Stabilitätsraums« in Europa und das »Fernhalten« von Krisen. Der Krieg gegen Jugoslawien wird dabei als Lehrstück gehandelt. »Europas« Aufgabe sei es, »eine einheitliche, glaubwürdige und auch machtbewusste Politik« zu betreiben, schrieb der Präsident der Bundesakademie und Vizeadmiral Hans Frank in der Bundeswehrzeitschrift Informationen für die Truppe. Wer dagegen aufmuckt und »Verursacher von Instabilität« wird, müsse »mit dem konsequenten und solidarischen Widerstand« der europäischen Staatengemeinschaft rechnen.

Neben dem »Kampf gegen den Terrorismus« wird auch darüber nachgedacht, welche Rolle Europa – in der Diktion der Bundesakademie häufig synonym mit der BRD gebraucht – im pazifischen Raum spielen oder wie es in China Fuß fassen kann. Antiamerikanische Konnotationen sind dabei nahezu unvermeidlich. Erst im Januar nutzte Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), Kuratoriumsmitglied der Akademie, eine Tagung, um heftige Kritik am »aggressiven Unilateralismus« der USA zu üben und der US-Regierung vorzuwerfen, »der Willkür Tür und Tor« zu öffnen.

Wie bei Militärs nicht unüblich, fehlen die Kontakte zur rechtsextremen Szene nicht. Präsident Frank erschien im vergangenen Jahr zu einem Vortrag bei der garantiert ausländerfreien Kölner Burschenschaft Germania (Wahlspruch: »Ehre, Freiheit, Vaterland«), um über den Irakkrieg zu sprechen. Der frühere Präsident, Vizeadmiral Dieter Wellershoff, gab im Jahr 2000 der Jungen Freiheit ein Interview, in dem er die Politik der rot-grünen Koalition kritisierte.

Dem Studienleiter der Akademie, Kapitän Matthias Friese, warf sogar die nicht gerade linkslastige Konrad-Adenauer-Stiftung vor, in seinem Buch über den Militär Oskar von Niedermayer den Lebenslauf dieses früheren NSDAP-Mitglieds »verniedlicht und verharmlosend« dargestellt zu haben.

Vom Umzug aus dem verlassenen Bonn aufs Pankower Schlossgelände erhofft sich die Akademie einiges, nicht zuletzt einen besseren Ruf als zentraler deutscher Think Tank in Sachen Sicherheitspolitik. Bislang kam sie im Vergleich mit Einrichtungen der Nato-Partner stets schlecht weg.

Kritisiert wurde das Fehlen der Möglichkeit, Seminare von mehr als zwei Monaten Dauer anzubieten. Außerdem galt der bisherige Bonner Sitz als zu schmuddelig. Die Akademie war in der dortigen Rosenburg untergebracht, die zwar eine stolze Silhouette, aber kaum Infrastruktur vorzuweisen hatte – ein typisches Bonner Provisorium eben. »Die Armseligkeit der höchsten deutschen Aus- und Fortbildungseinrichtung im sicherheitspolitischen Bereich« habe den Kooperationsmöglichkeiten mit Sicherheitsakademien der Partner jegliche Basis genommen, hieß es aus der Akademie selbst.

Ob es in Pankow weniger armselig zugehen wird, ist noch keine ausgemachte Sache. Ins eigentliche Schloss zieht die Akademie jedenfalls nicht ein, denn das ist akut vom Verfall bedroht. Dass es überhaupt noch steht, ist dem »Verein für Pankow« zu verdanken, der sich am 18. Januar den anrückenden Baggern mit 500 Anhängern in den Weg stellte.

Der Sicherheitsakademie wollen sich nun einige Antifagruppen mit einer Demonstration unter dem Motto »Keine Sicherheit für Deutschland« entgegenstellen. Seitdem die Pace-Fahnen der Regierung wieder eingerollt seien, habe die Bundesregierung das Ziel, die »deutsch-europäische Einflusssphäre auszubauen«, heißt es im Aufruf gegen die »Kaderschmiede der zur Interventionsarmee umstrukturierten Bundeswehr«. Der Antiamerikanismus wird darin als zentral für das deutsche Großmachtstreben bezeichnet. In der Analyse der Antifas sind es in Europa vor allem Polen und Großbritannien, die sich der deutsch-französischen Achse und ihrem Modell von einem »Kerneuropa« entgegenstellen. Dass die britische Regierung darauf beharre, die EU-Eingreiftruppe müsse unter Nato-Kommando stehen, durchkreuze die deutschen Pläne.

Wenn am 19. März die Bundesakademie für Sicherheitspolitik feierlich eingeweiht wird – Bundeskanzler Schröder soll auch kommen –, wollen die Antifas die Gelegenheit nutzen, »vor der eigenen Haustür zu demonstrieren«. Das scheint wörtlich gemeint: Zu den bislang genannten Unterstützergruppen gehören nur solche aus dem Berliner Norden und Osten, wie etwa die Pankower Antifaschistische Offensive, der Bund der Antifaschisten Pankow und die Autonome Antifa Nordost (AANO).

Dass die einschlägigen antimilitaristischen Gruppen in Berlin, etwa die Kampagne gegen Wehrpflicht in Prenzlauer Berg und die DFG-VK in Treptow, nicht zur Demo aufrufen, liegt jedoch nicht am Ort des Geschehens, sondern an der Schlussbemerkung des Aufrufs: »Vom Erfolg oder Nicht-Erfolg der US-geführten Streitkräfte im Irak« hänge es ab, ob sich das deutsch-französische Interesse innerhalb Europas durchsetzen werde. Dem sei das Bemühen der US-amerikanischen und der britischen Fraktion vorzuziehen, einen »progressiven Prozess im Irak« einzuleiten.

Die Demo »Keine Sicherheit für Deutschland« findet am 19. März um 18 Uhr ab S- und U-Bahnhof Schönhauser Allee statt. Im Kurt-Lade-Klub, Grabbeallee 33, gibt es anschließend ein Konzert. Infos: http://pankow.piranho.com