Duell der Peinlichkeiten

Zur österreichischen Präsidentenwahl treten Ende April ein sozialdemokratischer Langweiler und eine konservative Kampflächlerin gegeneinander an. von martin schwarz und heinz erdmann

Ich habe heute im Bauernhof-Hotel Unterberger-Wirt, einem Feng-Shui-Hotel, übernachtet. Dort waren wir gestern spät am Abend angekommen, wurden mit einem Schnapserl begrüßt. Es wurde noch ein schöner Abschluss eines langen Tages. In Werfen war ich zu Besuch bei den Brüdern Obauer, 4-Hauben-Köchen, die mich nach einem Rundgang durch die Küche zu einer kleinen Verkostung von Schmankerln in ihrem Familienbetrieb einluden. Wir hatten, als ich klein war, einen Schäferhund, den ich besonders gern hatte, der aber dann leider wegkam, weil wir ihn nicht mehr in der Wohnung halten durften. Der Vermieter hatte es uns nicht mehr gestattet. Dann hatten wir noch einen Dackel, den ich auch besonders gern gehabt habe.« Diese Zeilen stammen nicht aus dem Aufsatz eines Grundschülers zum Thema »Mein schönstes Ferienerlebnis unter besonderer Berücksichtigung meiner Liebe zu Kötern«, sondern aus dem Weblog (www.benita.at) einer 55jährigen Frau, die sich anschickt, am 25. April zur österreichischen Bundespräsidentin gewählt zu werden: Benita Ferrero-Waldner, derzeit Außenministerin und für die Präsidentschaftswahl von Österreichs Konservativen nominiert.

Wie sie schreibt, so sieht sie auch aus: immer adrett gekleidet, das rötliche Haar zu einem protokollarisch korrekten Nackenschutz zusammengebunden und vor allem gesegnet mit einem penetranten Dauerlächeln, das den Blick auf ein erstklassiges 55-Zähne-Set freigibt. Stefan Raab könnte nicht besser lächeln als Benita Ferrero-Waldner, im folgenden »Schwertfisch der österreichischen Innenpolitik« genannt.

Auf der anderen Seite steht Heinz Fischer, seit Jahren Nationalratspräsident und Parteigänger der Sozialdemokraten, der ebenfalls den derzeitigen Amtsinhaber Thomas Klestil ablösen möchte und dessen Web-Auftritt (www.heinz-fischer.at) viel weniger spektakulär doof daherkommt als jener seiner Gegenkandidatin. Heinz Fischer, ein notorischer Langweiler, versucht auf seiner Website, staatstragend zu wirken, schönste Ferienerlebnisse fehlen völlig. Stattdessen geht es um Dialog, den Ausbau der Demokratie, das Beharren auf der österreichischen Neutralität und anderen politischen Schnickschnack, den ein österreichischer Bundespräsident wegen seiner beschränkten Machtfülle ungefähr genauso massiv beeinflussen kann wie Horst Köhler die Befindlichkeit Wolfgang Schäubles.

Immerhin hat Heinz Fischer auch in der Vergangenheit ähnlich segensreich Außenpolitik betrieben wie Außenministerin Schwertfisch: Er war bis vor wenigen Jahren Vizepräsident der österreichisch-nordkoreanischen Freundschaftsgesellschaft. Zumindest die innere Balance dürfte er mit Nordkoreas ebenfalls unablässig vom Volk gewählten Kim Jong Il gemeinsam haben.

Das Duell zwischen dem Langweiler Fischer und der Dauerlächlerin der österreichischen Innenpolitik verzückt dementsprechend die Medien, denn schillerndere und unterschiedlichere Kontrahenten hätten sie sich nicht wünschen können. Vor allem Ferrero-Waldners medial inszenierte Selbstüberschätzung, die sie bis an die äußerste Grenze der Peinlichkeit steigert, löst in Österreichs Redaktionsstuben chronische Heiterkeit aus. »So soll sie die erste Frau sein, die mit 101 Staatsmännern in deren Sprache redet. Endlich ein Pfingstwunder in Permanenz! Die Zahl dürfte aus einem Dalmatinerfilm abgeleitet sein, aber das kann die Leistung nicht schmälern«, freut sich die österreichische Tageszeitung Kurier über Ferrero-Waldners auf Wahlplakaten präsentierte Sprachenvielfalt.

Dessen nicht genug, ist die bürgerliche Sauberfrau nach eigener Überzeugung auch hauptverantwortlich für die Reintegration Österreichs nach den verhängten EU-Sanktionen gegen das Kabinett Wolfgang Schüssel eins im Jahre 2000. »Ferner soll sie seinerzeit in Brüssel gegen die von der EU über die schwarz-blaue Regierung verhängten Sanktionen gekämpft haben, und zwar nicht nur irgendwie, sondern wie eine Löwin.« Kein Wunder also, dass das angriffslustige Polittier und Zahnarztkind Ferrero-Waldner auch im Kampf um das Präsidentenamt sein Gebiss in die Kamera hält, wo immer es eine solche ausmacht. Anders hingegen Gegenkandidat Heinz Fischer. Der dienstälteste Berufspolitiker Österreichs – 40 Jahre im Dienste der Sozialdemokraten– präsentiert sich der Öffentlichkeit als staatstragende Alternative und versprüht mit seiner echsenhaften Bedächtigkeit den Charme eines ehemaligen DDR-Politikers.

Das hat große Überzeugungskraft. Denn in fast allen Meinungsumfragen sieht man den Egon Krenz Österreichs im Rennen um den Präsidentensessel in der Favoritenrolle. Dass zweieinhalb Wochen vor dem Urnengang dennoch Spannung aufkommt, dafür sorgen die beliebten Präsidentenwetten. Tageszeitungen verlosen bis zu 3 000 Euro, wenn man die prozentuelle Stimmenverteilung des Wahlausganges bereits im Vorfeld errät. So schwierig ist zumindest der Gewinner des präsidialen Duells angesichts des Vorsprungs Fischers nicht zu erraten. Allerdings: Ferrero-Waldner kommt näher und betont das bei jeder auch noch so unpassenden Gelegenheit in den Medien. Dem Österreichischen Rundfunk (ORF) antwortete sie auf eine entsprechende Frage, sie glaube, »dass Heinz Fischer meinen Atem im Nacken spürt, ich komme näher«. Ein zweifelhaftes Vergnügen für Fischer, den Atem der Herausfordererin im Nacken zu spüren.

Und weil Ferrero-Waldner eben in Interviews nur kultivierten Schwachsinn wie diesen zum Besten gibt, gilt Heinz Fischer trotz höherem Langweiligkeitsfaktor als beliebterer Gast in diversen Talkshows des ORF. Im Februar durfte er in den Fernsehnachrichten des ORF knapp doppelt so lange sprechen wie die Frau, deren Atem sanft sein Nackenhaar aufwirbelt.

Um in den Medien möglichst staatstragend zu erscheinen, scheuen sich die beiden Kontrahenten übrigens auch nicht, Staatsgäste zu penetrieren. Neulich weilte UN-Generalsekretär Kofi Annan in Wien, um mit den Chefs der dort ansässigen UN-Organisationen zu konferieren. Doch natürlich hatten sowohl der Langweiler als auch der Schwertfisch von der Sache Wind bekommen und ließen nichts unversucht, um wenigstens auf ein paar Fotos mit dem UN-Chef abgelichtet zu werden. Widerwillig ließ sich Annan zu Gesprächen mit Fischer und Ferrero-Waldner überreden, gestand beiden aber nur die Anwesenheit jeweils eines Fotografen zu. Aber ein echter Wahlkämpfer lässt sich durch solche kleinlichen Limits nicht erschüttern. Fischer rauschte mit einer ganzen Meute an Fernsehkameras an. Gleich nach dem Termin Fischers mit Annan wartete Ferrero-Waldner im Foyer von Annans Hotel und bahnte sich mit den lautstark ausgestoßenen Worten »Ich bin die Außenministerin!« ihren Weg zum UN-Generalsekretär.

Aber an derartige Penetranz des binnenländischen Schwertfisches haben sich die Österreicher schon längst gewöhnt. Letztes Gustostückerl: Die Kandidatin zum Kleben. Auf der eilig gebastelten Internetseite »Der rotweissrote Österreichshop« (www.oesterreichshop.at) kann man eine 55 Cent teure Briefmarke mit dem Schwertfisch-Konterfei für »nur« einen Euro erstehen. Wem das nicht reicht, der entscheidet sich für eine safrangelbe »Für Benita«-Schirmkappe oder greift zu dem günstigen »Für-Benita«-Gilet für wohlfeile 65 Euro. Heinz Fischer will da in keinem Fall das Nachsehen haben. Und so gibt es unter www.heifi.net Heinz-Fischer-Sweat-Shirts, mit oder ohne Kapuze. Nicht nötig zu erwähnen, dass sich Träger dieses Kleidungsstückes in Sekundenbruchteilen in eine immerwährende soziale Isolation befördern. Nur eine eigene Briefmarke kann Heinz Fischer noch nicht für sich in Anspruch nehmen. Vielleicht sogar zu seinem Glück. Denn für Österreichs Medien ist Fischer bereits auf dem Weg in die Präsidentenvilla. Ferrero-Waldner dürfte hingegen auf dem Postweg verloren gehen.