Lob der Muße

Die Alternative zur Arbeit von thomas blum

Was ist das? Zuerst ist man nur mäßig aktiv, denn man lässt es bevorzugt langsam und bedächtig angehen, dann folgt häufig eine Phase stumpfsinniger, Geist und Körper gleichermaßen erschöpfender Betriebsamkeit, bei der die Aufmerksamkeit außergewöhnlich gefordert ist, und am Ende fühlt man sich benutzt, müde, ausgezutzelt, verbraucht und betrogen. Nein, ausnahmsweise ist hier nicht der Koitus gemeint, sondern die Arbeit.

Arbeit ging früher so: Man hatte einen Beruf, dem man nachging, und nach Feierabend hatte man zu wenig Geld in der Tasche. Das war nicht immer ein Honiglecken, und wer pfiffig war, ließ sich krankschreiben oder zählte die heiteren Stunden nur.

Heute ist das anders. Heute hat man mindestens drei Jobs oder gar keinen, und wer Glück hat, kann sich von seinem Verdienst oder von der Sozialhilfe zum Abendbrot ein Päckchen Kaugummi leisten. Das hat mit Kapitalismus zu tun und soll an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden.

Betrachtet man demzufolge die Arbeit grundsätzlich als notwendiges Übel, dem man sich nur mit äußerster Mühe einigermaßen entziehen kann (was wiederum in Arbeit ausarten kann), sollte man zu dem Schluss kommen, dass Arbeit prinzipiell abzulehnen ist. Schon der Lateiner wusste: Non servitus turpior est quam voluntaria. Was zu Deutsch etwa so viel heißt wie: Arbeit ist eine schlimme Sache. Oder um es mit Nietzsche zu sagen: »Die Arbeit ist eine Schmach, weil das Dasein keinen Wert an sich hat.« Daher sollte man Arbeit unbedingt zu vermeiden suchen.

Die Frage wäre nun: Gibt es eine Alternative zur Arbeit? Die Antwort ist: Ja. Die Alternative heißt Muße und geht so: Morgens ausschlafen, sich vom Mitbewohner das Frühstück ans Bett bringen lassen, dann Adornolektüre, sich nachmittags auf der Demonstration blicken lassen und abends auf der Party vorbeischauen. Wer Leute kennt, die noch ein Einkommen haben, kann sich von diesen bei Bedarf ein wenig Geld leihen und den Alltag mit gelegentlichem Genussmittelkonsum und Drogengebrauch abrunden. Sexualität ist auch nicht schlecht und sollte nach Möglichkeit regelmäßig praktiziert werden.

Wenn man nun aber darüber hinaus den unwiderstehlichen Drang verspürt, überschüssige Energie loszuwerden, wie wär’s dann mit uneigennütziger Nächstenliebe? Diese ist zum Beispiel dann gegeben, wenn man hie und da einem guten Freund einen kleinen Gefallen tut, indem man beispielsweise in einem Anfall von impulsiv aufwallendem Edelmut dessen Büroräume sauber macht, und infolgedessen der Freund, weil er sich so darüber freut, einem spontan ein Bündel von seinem bedruckten Lieblingspapier schenkt. Und weil es so viel Freude bereitet, sich gegenseitig zu beschenken, kann man diese von Selbstlosigkeit zeugenden Gesten bei Bedarf ja wöchentlich wiederholen.

Böse gesinnte Menschen denunzieren diese in unseren Zeiten sozialer Kälte leider in Vergessenheit geratene Form des Alltagswichtelns als so genannte Schwarzarbeit. Man möge nicht missverstehen. Nicht etwa, dass ich nun zu kollektiver Schwarzarbeit aufriefe. Überdies wäre das illegal und verboten und des Teufels, denn Vater Staat wäre um das Seine betrogen, und welcher brave Bürger wollte das? Ich rege lediglich dazu an, dass man stets nett zueinander ist und sich gelegentlich über das gewöhnliche Maß hinaus behilflich ist, wenn Sie verstehen, was ich meine. Und bescheiden, wie man ist, muss man es ja nicht gleich an die große Glocke hängen.