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Aneignung von oben

Schnitte der Woche VIII. Was die Linken mit ihrer Umsonst-Bewegung können, können wir schon lange, denkt man sich offenbar bei der CDU. Fordern sie den kostenlosen Zugang zu öffentlichen Räumen wie Bädern und Parks bzw. wie es in ihrer Sprache heißt: »Alles für alle, und zwar umsonst«, so fordern wir einen unbezahlten Arbeitstag für alle.

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU, Christoph Böhr, spricht sich für die Einführung eines »Solidaritätstages« aus, an dem alle Beschäftigten unbezahlt arbeiten sollen. »Das wäre ein Beitrag, um Jobs zu schaffen«, meint Böhr, so würden die »Kosten der Arbeit« gesenkt. Denn, so lernen wir, wenn sich das Heer der Beschäftigten tagein, tagaus plagt, verursacht das nichts als Kosten und nicht etwa einen Gewinn, wie die Ewiggestrigen noch immer glauben. Und Solidarität heißt, wie wir nun auch erfahren haben, vor allem Solidarität mit den geschundenen Unternehmern, die die hohen »Kosten der Arbeit« nicht mehr bezahlen können. Doch reicht die Umsonst-Kampagne der CDU wirklich aus? Wäre es nicht an der Zeit, eine Spendensammlung für die deutsche Wirtschaft zu beginnen oder einen Notgroschen zu erheben? Nur das Denken ohne Scheuklappen kann den deutschen Unternehmer retten.

Unterschreib’ mal wieder!

Gewerkschaften. Die Gewerkschaften haben die Gefahr erkannt und werden immer radikaler. »Die Quittung, die wir der Politik mündlich gegeben haben, bekommt sie jetzt auch schriftlich«, drohte der Vorsitzende der IG Metall, Jürgen Peters, in der vergangenen Woche auf einer Pressekonferenz in Frankfurt. Der Großdemonstration gegen den Sozialabbau vom 3. April soll ein »Arbeitnehmerbegehren« folgen, das auch diejenigen bequem im Internet unterzeichnen können, die am Tag der Demonstration lieber ihr Wochenende genossen oder arbeiten mussten (www.arbeitnehmerbegehren.de).

Ein gerechteres Steuersystem und die Bürgerversicherung werden ebenso gefordert wie »humanere« Arbeitszeiten, was immer das heißen mag. Immerhin will die IG Metall, dass die verschärften Zumutbarkeitsregelungen für Arbeitslose vollständig zurückgenommen werden. Mit der Sammlung der Unterschriften wollen sich die Gewerkschaften in der Sommerpause beschäftigen, im Herbst wollen sie die Liste der Regierung dann auf die Schreibtische knallen, dass es nur so wackelt.

In and out

Bundeswehr im Innern. Argumente des politischen Gegners sind immer schlecht. Sobald er sich jedoch mit anderen Dingen beschäftigt, kann man seine Argumente getrost selbst verwenden. Denn die eigenen Argumente sind immer gut.

Noch im April erklärte Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD), Bundeswehrsoldaten dürften nicht »zu Hilfspolizisten werden«, und spielte damit auf ihren möglichen Einsatz im Innern an, den die Verfassung verbiete. Das ist nun Schnee von gestern. Auf einer Wehrpflichttagung des Beirats Innere Führung in der vergangenen Woche in Berlin lobte Struck die skandinavischen Länder dafür, ein »hinreichendes Potenzial schnell verfügbarer Kräfte für alle denkbaren Einsätze im Innern« bereitzustellen, für Katastrophenhilfe, Terroristenabwehr und vieles mehr. Auf der gleichen Tagung, von der der Spiegel berichtete, war auch vom »Objektschutz« die Rede, wie ihn die Union immer wieder vorschlägt. Das alles steht übrigens bereits in den neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien, die Struck vor einem Jahr präsentierte: »Auch wenn (der Schutz der Bevölkerung und der lebenswichtigen Infrastruktur des Landes) vorrangig eine Aufgabe für Kräfte der inneren Sicherheit ist, werden die Streitkräfte im Rahmen der geltenden Gesetze immer dann zur Verfügung stehen, wenn nur sie über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen.« Die entsprechenden Aufgaben sollen vor allem Wehrdienstleistende und Reservisten übernehmen. Die Bundeswehr, die Polizei und der Bundesgrenzschutz sollen schon bald zusammen üben.

Profilneurosen

FDP. Lange nichts mehr gehört von den Freidemokraten! Seit ihr enfant terrible Jürgen W. Möllemann mit seinem Fallschirm auf Irrflug ging, ist es bedenklich ruhig um das Thomas-Dehler-Haus, die Parteizentrale in Berlin, geworden.

Dies führt inzwischen auch zu sachter Kritik aus den eigenen Reihen. Der Fraktionsvorsitzende der FDP im Kieler Landtag, Wolfgang Kubicki, kritisierte in der vorigen Woche, dass das rechtsstaatliche Profil der Partei nicht mehr wahrnehmbar sei. Deshalb forderte er, dass sich die Partei u.a. gegen die Videoüberwachung öffentlicher Plätze, gegen die Ausweitung der DNA-Analysedatei auch auf Bagatelldelikte und gegen die geplante Schleierfahndung zur Verhütung von Straftaten ausspreche.

Am Samstag ging der Parteivorsitzende Guido Westerwelle dann gegen seine Kritiker in die Offensive. Er und die lebende Sprechblase, die Generalsekretärin der FDP, Cornelia Pieper, wollen vor allem das asoziale Profil der Partei schärfen. In einer von Westerwelle ausgearbeiteten Schrift mit dem Titel »Für eine freie und faire Gesellschaft«, die dem Parteitag am 5. und 6. Juni in Dresden vorgelegt werden soll, wird u.a. die vollständige Überführung der gesetzlichen Krankenkassen in die private Gesundheitsversicherung und die Ausweitung des Niedriglohnsektors gefordert.

Aufschwung ohne Aufschwung

SPD. Keine Arbeit in Sicht, der Sozialstaat verschwindet, allenthalben macht sich Depression breit, aber die SPD steigt wieder in der Wählergunst. Versteh’ einer die Deutschen! Vielleicht liegt es ja an den schicken schwarz-rot-gold eingefärbten Wahlplakaten der Partei, auf denen gegenwärtig zu lesen ist: »Friedens Macht«. Mit Außenpolitik von der Innenpolitik ablenken, das kennen wir doch schon seit »Adolf Nazi« (Herta Däubler-Gmelin), oder?