Drei schwarze Blöcke

Die Göttinger Autonome Antifa (M) hat sich in drei neue Gruppen gespalten. Die Gründe bleiben unklar, aber der Kampf soll weitergehen. von jan langehein

Das Ende war unspektakulär. Nach vierzehn Jahren Politik in Göttingen, dem Versuch, eine bundesweit tätige Organisation aufzubauen, einem Verfahren wegen »Bildung einer kriminellen Vereinigung« und Demonstrationen mit 4 000 Teilnehmern gab die Autonome Antifa (M) ihre Auflösung schlicht in Form einer Presseerklärung bekannt. Entsprechend unaufgeregt fiel auch das Resümee der Gründe aus, die zu der Auflösung geführt hatten. Ihr Vorhaben, verschiedene Auffassungen linksradikaler Politik unter einem Dach zu vereinen, sei keineswegs gescheitert, aber »an seine Grenzen gestoßen«, schreibt die Antifa (M). Es habe sich gezeigt, dass »seit über einem Jahr die Standpunkte innerhalb der Gruppe erhebliche Differenzen aufwiesen«. Dies habe zur Folge gehabt, dass »eine gemeinsame, von der gesamten Gruppe getragene Politik kaum bis gar nicht mehr möglich war«.

Über die konkreten Spaltungsgründe schweigt sich die Antifa (M) aus. Die ehemaligen Aktivisten Mirko und Felix* sagen nur, dass es immer schwieriger geworden sei, zu wichtigen politischen Themen eine gemeinsame Haltung zu finden. Über den Irakkrieg habe man lange diskutieren müssen, schließlich aber noch einen Kompromiss entwickelt, sagt Mirko. Auf die Frage, ob man an der Seite der Gewerkschaften bei den Protesten gegen den Sozialabbau mitmischen solle, habe es dann bereits keine gemeinsame Antwort mehr gegeben. Ein ähnliches Problem gab es auf dem Gebiet der Globalisierungskritik. Über Jahre hinweg habe die Antifa (M) versucht, in diese Bewegung hineinzuwirken, inhaltlich jedoch keine Akzente setzen können. Am Ende stritten sich die Gruppenmitglieder darüber, ob ein Bezug auf die Antiglobalisten überhaupt sinnvoll sei.

Die Auswirkungen dieser Auseinandersetzungen waren in der Göttinger Linken deutlich zu spüren. Von der Gruppenpolitik war kaum noch etwas zu vernehmen. Bisweilen wurden von verschiedenen Gruppenmitgliedern öffentlich konträre Meinungen vertreten. Am deutlichsten wurde die Krise auf einer Veranstaltung mit Clemens Nachtmann, einem Redakteur der antideutschen Zeitschrift Bahamas, im Frühjahr. Während sich einige Aktivisten die Thesen Nachtmanns anhören wollten, beteiligten sich andere an einer Störaktion.

Überregional wurde die Antifa (M) Anfang der neunziger Jahre bekannt. Sie trat mit einer verbindlichen Organisationsform auf, betrieb eine strukturierte Öffentlichkeitsarbeit und setzte ganz auf das Aktionsfeld »Antifa«. Auch die Gründung der Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO) trieb sie maßgeblich voran.

Diese Politik brachte der Antifa (M) in der Linken heftige Kritik ein. Vor allem die »breiten Bündnisse«, die auch das linksbürgerliche Lager einschlossen, waren umstritten. Auf den von diesen Bündnissen organisierten Demonstrationen trat die »(M)« stets vermummt und behelmt im schwarzen Block auf, ging aber der direkten Konfrontation mit der Polizei aus dem Weg. Das sei alles nur Show, warfen ihr Kritiker vor, dieser Auftritt diene der Selbstdarstellung und vereinnahme die Bündnispartner. Die Antifa (M) selbst konnte diese Kritik anfangs gelassen hinnehmen, weil sie mit ihrem Konzept immer wieder mehrere tausend Menschen zu Demonstrationen bewegen konnte.

Wohl auch dieser Erfolge wegen geriet die Gruppe im Sommer 1994 ins Visier des Staatsschutzes. Nach monatelangen Überwachungs- und Abhörmaßnahmen wurden 17 Personen wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Ein Prozess mit 131 Verhandlungstagen sollte in einer eigens umgebauten Reithalle durchgeführt werden.

Die bürgerliche Öffentlichkeit reagierte mit Dämonisierung. »Auf den Straßen herrscht uneingeschränkt die Autonome Antifa (M)«, schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung und bezeichnete die Antifas als »rund achthundert Köpfe zählende Privatarmee«, die das beschauliche Göttingen in eine Art autonome befreite Zone verwandele. Die Linke übte sich dagegen in Solidarität. An der Demonstration unter dem Motto »Stoppt den Staatsterrorismus – schlagt zurück!« nahmen 1994 fast 4 000 Menschen teil.

Zum Prozess kam es letztlich nicht. Von den Vorwürfen blieben nur Verstöße gegen das Versammlungsrecht übrig, die Hauptverhandlung wurde gegen die Zahlung von 51 000 Mark abgeblasen.

An ihre früheren Erfolge konnte die »(M)« danach jedoch nicht mehr anknüpfen. Vermummung wurde nicht mehr geduldet, die Anziehungskraft ließ nach. Im Jahr 2000 stellte der »Aufstand der Anständigen« das Konzept der Antifapolitik als »Kampf ums Ganze« in Frage. Auch die auf dem Antifakongress 2001 in Göttingen vollzogene Auflösung der AA/BO und die Öffnung zur Antiglobalisierungsbewegung bewirkten keine Erneuerung.

Drei neue Gruppen haben jetzt die Nachfolge der Autonomen Antifa (M) angetreten. Was sie allerdings wollen, ist bisher unklar. Einzig die Antifa Aktion & Kritik kann ein konkretes Tätigkeitsfeld benennen: Sie wird die Göttinger Redaktionsgruppe der Zeitschrift Phase 2 beherbergen. Von den anderen Gruppen, der redical M und der Antifaschistischen Linken International (Ali), ist bisher noch weniger bekannt. Vermuten lässt sich aber, dass sich die Ali wohl verstärkt an sozialen Protestbewegungen orientieren wird, während redical M noch am ehesten das alte Konzept fortführen will.

Mirko und Felix hoffen derweil, dass der Verfassungsschutz mit seiner Prognose daneben liegt, die Auflösung der Antifa (M) werde zu einer Schwächung der radikalen Linken in Göttingen führen. Sie bauen sogar auf eine Wiederbelebung, nachdem die Selbstblockade der letzten Zeit überwunden ist. Zu Depressionen bei den ehemaligen Mitgliedern führte die Auflösung nicht. Die szeneinterne Bekanntgabe geriet zu einem Happening, als die ehemalige »(M)« geschlossen zum »Imperial March« in eine Szenekneipe einmarschierte und mit einer Kranzniederlegung ihr Ende zelebrierte. Vermummt, mit Helm und mit Wunderkerzen in der Hand legten sie das Gebinde auf der Bühne ab und sangen »Bella Ciao«. Die Kranzaufschrift lautete mit altem Pathos und neuer Tendenz zur Selbstverarschung: »Jetzt wird nachgeladen!«

*Namen von der Red. geändert