Freunde am Golf

Die USA erhöhen ihre Präsenz in Katar und sichern die Macht des autokratisch regierenden Emirs. von nicolas agoston

Islamistische Terroristen benutzen den Satellitensender al-Jazeera regelmäßig, um ihre Videos ausstrahlen zu lassen, aber auch der südkoreanische Außenminister Ban Ki-moon appellierte auf diesem Kanal an die Geiselnehmer im Irak, Kim Sun-il freizulassen. Nabil al-Hamr, der Informationsminister Bahrains, behauptet, al-Jazeera sei »von Zionisten infiltriert«, US-Außenminister Colin Powell unterstellte dem Sender »falsche und anheizende Berichte«.

In der Region sind Medien mit einer kontroversen Berichterstattung noch immer eine Ausnahme. Deshalb ist die von der Halbinsel Katar sendende Station al-Jazeera auch für ihre Kritiker kaum verzichtbar, wenn sie die arabische Welt ansprechen wollen. Auch die Regierung Katars, die al-Jazeera eine relativ unabhängige Berichterstattung gestattet, bedient sich der TV-Station, um ihre Politik zu rechtfertigen. Er selbst habe Saddam Hussein noch kurz vor der Invasion aufgesucht und beschworen, der Macht zu entsagen, erklärte etwa Außenminister Sheikh Hamad bin Jassem al-Thani.

Die Duldung al-Jazeeras wird der von Emir Hamad Ibn Khalifa al-Thani regierten Golfmonarchie vor allem von anderen Herrschern der Region übel genommen, brisanter für den Emir ist die Kritik an seiner proamerikanischen Politik. Katar ist einer der engsten Alliierten der USA am Persischen Golf. Die Halbinsel beherbergt nicht nur US-Militärbasen, sondern wahrscheinlich auch Saddam Hussein. Diversen Medienberichten zufolge ist er in einem Gefängnis auf dem US-Stützpunkt al-Udeid inhaftiert.

Zumindest Saddam Husseins Ehefrau, Sayida Hussein, hält sich derzeit in der Hauptstadt Doha auf; allerdings nicht als »Gast« der Amerikaner. Sie durfte auf Intervention einer der Frauen des Emirs einreisen. Doch ungeachtet solcher Gesten droht das Land zwischen die Fronten zu geraten.

Seit Saudi-Arabien nicht mehr als zuverlässiger Verbündeter gilt und die Truppen dort stark reduziert wurden, bauen die USA ihre Militärpräsenz in Katar aus. Die 1995 in Betrieb genommene Hauptbasis al-Udeid im Norden der Halbinsel verfügt über eine 4 500 Meter lange Landebahn, die als die längste im Nahen Osten gilt. Hier befindet sich auch das regionale Hauptquartier des Centcom-Kommandostabes.

Möglich wurde die enge Anlehnung an die USA erst durch die Absetzung des Emirs Khalifa Ibn Hamad durch seinen Sohn Hamad Ibn Khalifa al-Thani im Juni 1995. Die Vorgänger des derzeitigen Emirs waren berüchtigt für ihre Korruption, 1970 floss ein Drittel oder sogar die Hälfte der Öleinnahmen direkt in die Schatulle des Herrscherhauses. Emir Ahmad hielt es nicht einmal aus Anlass der Unabhängigkeitsfeiern im Jahre 1971 für nötig, seine Wahlheimat Genf zu verlassen.

Emir Hamads Regierung bemüht sich um die Erschließung neuer Geschäftsfelder, um die Einkommensquellen zu diversifizieren. Denn die Ölreserven schwinden. Noch ist Katar mit elf Millionen Tonnen pro Jahr nach Algerien der zweitgrößte Erdgasexporteur der Nahostregion. Durch verschiedene Kontrakte ist man bedacht, langfristige Lieferabkommen wie das Dolphin-Projekt abzuschließen, das den Bau einer 440 Kilometer langen Pipeline für Flüssiggas zu den Nachbarn Vereinigte Arabische Emirate und Oman vorsieht.

Um die Abhängigkeit vom Rohstoffexport zu reduzieren, soll Doha neben Dubai zu einem zweiten großen Drehkreuz im Asien-Pazifik-Verkehr avancieren. Außerdem forciert die Regierung die Etablierung eines weit gefächerten Tourismusangebots. Die Vorschrift, dass katarische Investoren an touristischen Projekten beteiligt sein müssen, wurde aufgehoben.

Weniger reformfreudig zeigt sich der Emir in politischer Hinsicht. Die Absetzung seines Vaters hat Emir Hamad mit dessen despotischem Verhalten gerechfertigt, viele Kataris hofften deshalb, endlich demokratisch legitimierte Regierungsstrukturen zu erhalten. Sie bekamen einen relativ unabhängigen Fernsehsender, doch die Demokratisierung ist kaum vorangekommen. Die politische Opposition kann als marginalisiert betrachtet werden, ein Großteil der aus dem Land geflohenen Oppositionellen hält sich in den Niederlanden auf.

In der Innenpolitik scheint die Formel zu lauten: ein bißchen Pluralismus, ein bißchen Autokratie. Im vergangenen Jahr ließ man die 700 000 Staatsbürger des Landes über die Annahme einer Verfassung abstimmen. Darin ist freilich an keiner Stelle von einer Übertragung der Souveränität auf die Bürger die Rede. Stattdessen werden eine formale Gewaltenteilung, Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie das Frauenwahlrecht und ein Konsultativrat festgeschrieben. Zwei Drittel seiner 45 Mitglieder darf die Bevölkerung wählen, ein Drittel wird vom Emir ernannt.

Dass man auf dem Weg zur pluralistischen Gesellschaft seine eigenen Vorstellungen hegt und sich bei deren Umsetzung äußeren Einflüssen zu widersetzen gedenkt, erläuterte Außenminister Sheikh Hamad bin Jassem al-Thani in einem BBC-Interview. Zwar sei die Entwicklung der Demokratie essenziell für die Verbesserung des politischen Systems, doch auch die Demokratien in Europa und den USA hätten eine gewisse Zeit zu ihrer Entwicklung gebraucht.

Drängeln lassen möchte sich der Emir nicht, intensivem Druck der USA ist er ohnehin nicht ausgesetzt. Für die US-amerikanische Klientelpolitik am Persischen Golf ist er ein willkommener Verbündeter. Sie folgt traditionell dem Muster, ein neues Beziehungsgeflecht aufzubauen, wenn ein ehemals zuverlässiger Despot ausfällt. Da das Misstrauen gegenüber Saudi-Arabien gewachsen ist und der Irakkrieg zu chaotischen Verhältnissen geführt hat, stützt man sich nun auf das vergleichsweise stabile Katar. Das Emirat zeigt sich auch großzügig in der Irakpolitik und sagte dem US-Unterhändler James Baker bei seiner Rund-reise durch diverse arabische Staaten zu, dem Irak einen Großteil der Schulden in Höhe von 3,8 Milliarden Dollar zu erlassen.

Für den Emir ist das eine Investition in die Sicherung seiner Herrschaft. Das Bündnis mit den USA ist ein Geschäft im beiderseitigen Interesse. Ein Autokrat versucht, unter den schützenden Rock der letzten verbliebenen Supermacht zu schlüpfen. Man lässt die US-Armee vom eigenen Territorium aus operieren, im Gegenzug garantieren die USA die Macht des Herrscherhauses.

Diese Protektion soll Oppositionelle und potenzielle Putschisten abschrecken. Doch scheinen nicht alle Kataris davon beeindruckt zu sein. Insbesondere die im Nordosten gelegene Stadt Khor war wiederholt Schauplatz gewaltsamer Aufstände, welche die Legitimität der al-Thanis in Frage stellten.