Film gerissen

Warnstreiks in Berliner Kinos

Die Beschäftigten des Kinos in der Kulturbrauerei müssen sich vorkommen wie in einem B-Movie aus frühkapitalistischen Zeiten.

Als sie sich im vergangenen Monat an einem Warnstreik beteiligten, konnte niemand von ihnen ahnen, welche Konsequenzen das nach sich ziehen würde. Sie streikten in der Hoffnung, einen gültigen Tarifvertrag aushandeln zu können und am Ende mehr Geld statt weniger in der Tasche zu haben. Doch beim Kinobetreiber »Neuer Filmpalast«, der zur Lübecker Kieft-Gruppe gehört, riss der Film. Anstatt eines neuen Tarifvertrages musste die Belegschaft mehrere Abmahnungen und den Versuch, ihrem Betriebsratsvorsitzenden fristlos zu kündigen, hinnehmen. Die geforderte Gehaltserhöhung blieb aus wie das Happy End in einem Horrorfilm.

Nachdem die bisherigen Tarifverträge bereits vor über einem halben Jahr ausgelaufen waren und es in den Verhandlungen zu keiner Annäherung gekommen war, rief die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in der ganzen Republik zu Warnstreiks auf, um den Druck auf die Kinobetreiber zu erhöhen. Man wollte die Kieft-Gruppe dazu bringen, die Tarifverhandlungen nach einer Pause fortzusetzen und die Gehaltsforderungen von Verdi zu akzeptieren. In Berlin wurden zwei Kinos bestreikt, neben dem in der Kulturbrauerei auch das Cinemaxx am Treptower Park, welches nicht zur Kieft-Gruppe gehört.

Jetzt droht die Kieft-Gruppe stattdessen, dem Betriebsratsvorsitzenden des Kinos in der Kulturbrauerei wegen seiner Beteiligung am Streik fristlos zu kündigen. Alle anderen Angestellten, die ebenfalls streikten, erhielten Abmahnungen, in denen ihnen arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht werden. Abmahnungen von Beschäftigten und die Androhung von Schadensersatzansprüchen hat es nach Angaben von Verdi auch in Kinos der Kieft-Gruppe in Frankfurt am Main, Hamburg und Kassel gegeben. So beantragte der Kinobetrieb Ufa-Palast in Kassel Anfang Juli beim Betriebsrat die Zustimmung zur fristlosen Kündigung der Betriebsratsvorsitzenden des Kinos. Sie hatte sich am Warnstreik beteiligt.

»Wie in einem schlechten Gangsterfilm«, kommentierte Andreas Köhn, der Fachbereichsleiter Medien beim Verdi-Landesbezirk Berlin-Brandenburg, das Verhalten der Kieft-Gruppe. Verdi fordert von den Kinobesitzern in Berlin, Kassel und den anderen Städten, sowohl die Kündigungsdrohungen als auch sämtliche Abmahnungen von Streikteilnehmern umgehend zurückzunehmen. Wie wichtig verbesserte Tarifverträge für die Kinoangestellten seien, machte Köhn mit dem Hinweis auf ihre derzeitigen Monatseinkommen deutlich, die sich »am absolut unteren Rand« des Einkommensspektrums bewegten. Ein Platzanweiser verdient nach Tarif maximal 1307 Euro brutto im Monat, ein Filmvorführer – ein Ausbildungsberuf – kommt auf 1 500 bis 1 850 Euro Bruttoverdienst.

Was Köhn positiv bewertet, ist die Beteiligung am Streik. Große Teile der Belegschaft seien dem Aufruf zum Warnstreik gefolgt, nach Angaben der Gewerkschaft über 80 Prozent der Beschäftigten. Zurückzuführen sei dies auf ihren sehr hohen Organisationsgrad.

ralf fischer