Gasprom statt Yukos

Schröder in Moskau

Als »politisch-justizielle Guerilla« bezeichnet Le Monde das Vorgehen des russischen Staates gegen den Ölkonzern Yukos. Letzte Woche wurde mit den Pfändungen wegen milliardenschwerer Steuerschulden begonnen. Der Vorsitzende des Ostaussschusses der Deutschen Wirtschaft, Klaus Mangold, stieß am Mittwoch vergangener Woche heftige Warnungen aus. Eine Pleite von Yukos könnte »ein Schock für die Märkte sein«. Ein »Schock« nicht zuletzt für das deutsche Kapital: Schließlich hat ein Konsortium unter Beteiligung von Deutscher Bank und Commerzbank dem russischen Ölkonzern ein Darlehen über eine Milliarde Dollar gewährt und fordert nun das Geld zurück, berichtete die SZ und zitierte Mangolds Erklärung, »natürlich« werde bei den Gesprächen zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und Spitzenvertretern des deutschen und russischen Kapitals das Thema Yukos angeschnitten.

Das wurde es auch. Nur anders, als von Mangold erwartet. Munter erklärte Schröder zum staatlichen Vorgehen gegen Yukos, es gebe »keine Anhaltspunkte, dass das nicht mit rechtsstaatlichen Mitteln vor sich geht«. Das stand in einem auffälligen Widerspruch zu einer Erklärung der OECD, die darin einen »klaren Fall selektiver Strafverfolgung« erblickte.

Der Firmengründer Michail Khodorkowski, der an Yukos direkt und indirekt mit rund 50 Prozent beteiligt ist, sitzt seit Oktober in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm und seinem mitangeklagten Mitgesellschafter Platon Lebedejew unter anderem Betrug, Steuerhinterziehung und Veruntreuung vor, was die beiden bestreiten. 1995 hatte Khodorkowski das Unternehmen im Zuge der »wilden Privatisierungen« der neunziger Jahre für den Spottpreis von rund 350 Millionen Dollar von der Regierung übernommen, 2003 belief sich der Marktwert von Yukos auf etwa 30 Milliarden. Im Unterschied zu anderen aus der Riege der so genannten Oligarchen aber meldete Khodorkowski politische Ambitionen an, die ihn ins Visier des Kreml brachten. Er spendete Geld an die liberaldemokratische Partei Jabloko und an die Kommunistische Partei der Russischen Föderation und prangerte öffentlich die Korruption in den höheren Rängen der russischen Staatsbürokratie an. In einem gewissen Sinne profilierte er sich damit als Gegenfigur zu Putin. Und ohne Rücksprache mit dem Kreml zu halten, wollte er ein großes Aktienpaket von Yukos an Exxon-Mobil verkaufen, was ihm als potenzielle »Schädigung nationaler Interessen« angekreidet wurde. Für diese Verfehlungen büßt er nun.

Was aber treibt Schröder, diesen offensichtlichen Hintergrund kalt lächelnd zu ignorieren? Die Interessen der deutschen Wirtschaft im russischen Ölgeschäft sind im Verhältnis zu den britischen und US-amerikanischen vergleichsweise gering. Das deutsche Kapital ist, sozusagen traditionsbewusst, in erster Linie an Gas interessiert. Beim Besuch Schröders in Moskau wurde in der vergangenen Woche ein milliardenschwerer Deal zwischen der Düsseldorfer Eon AG und dem russischen Konzern Gasprom eingefädelt, der zu 38 Prozent in der Hand des russischen Staates ist. Eine Gaspipeline durch die Ostsee ist eines der projektierten Joint Ventures. Wichtiger noch ist die geplante Zusammenarbeit bei der Ausbeutung eines gigantischen Gasfeldes in Westsibirien, mit dem der deutsche Konzern direkten Zugriff auf russische Gasvorkommen bekommen würde. Und dafür sieht die Deutschland AG aus Staat und Kapital gerne über einige sicherlich bedauernswerte autoritäre Tendenzen in Putins Russland hinweg.

wladimir n. popow