Mysteriöser Goldschatz

Michel Fourniret und die »Kriegskasse« der Action Directe

Ein wahrer Schatz muss es gewesen sein, antike spanische Münzen und »Louis d’or«, pures Gold also, der dem Sexualstraftäter Michel Fourniret sein malerisches Schloss Sautou in den französischen Ardennen bescherte. Der mittellose Förster, der vor seiner Festnahme in der Kantine einer wallonischen Schule arbeitete, konnte sich 1988 unerklärlicherweise dieses prachtvolle Anwesen leisten, das die Kulisse für mehrere seiner Verbrechen gewesen sein soll.

Der in Belgien lebende Franzose ist auf dem besten Weg, seinen Vorgänger Marc Dutroux zu übertreffen, und die Gräuel, die er und seine Frau Monique Olivier gestehen, schockieren die belgische Bevölkerung aufs Neue. Neun Morde hat Fourniret bereits gestanden, die Ermittler fürchten weit mehr Opfer. Nun tritt noch ein weiterer brisanter Zusammenhang zu Tage. Das Gold für den Kauf des Schlosses soll aus der »Kriegskasse« der Action Directe stammen, erbeutet bei diversen Banküberfällen. Der linken Organisation, die sich Anfang der achtziger Jahre in Frankreich zum bewaffneten Kampf entschloss, werden unter anderem die Morde an General René Audran und Renault-Chef Georges Besse zur Last gelegt. Noch heute sitzen ehemalige Mitglieder der Gruppe im Gefängnis.

Michel Fourniret wurde 1987 von einem Schwurgericht wegen Entführung und Vergewaltigung Minderjähriger zu sieben Jahren Haft verurteilt, kam aber nach Anrechnung der Untersuchungshaft wenige Monate später wieder frei. Während der Jahre, die er in Haft verbrachte, soll er nach Angaben seiner Frau den ehemaligen »Schatzmeister« der Action Directe kennen gelernt haben. Jean-Pierre Hellegouarch, der heute jeden Kontakt zu dieser Gruppe dementiert, habe Fourniret vor der Entlassung gebeten, gemeinsam mit seiner Frau, Farida Hamiche, die Kasse der Organisation zu verwalten. Farida aber verschwand 1988 spurlos. Ein Jahr später informierte Hellegouarch die Staatsanwaltschaft von Créteil über den Schlosskauf Fournirets, eine Untersuchung des Falles wurde jedoch ohne Folgen abgeschlossen. Mittlerweile hat Fourniret zugegeben, Farida Hamiche ermordet zu haben.

Hellyette Besse, ein ehemaliges Mitglied der Action Directe, bestreitet, dass der angebliche Kassenwart Hellegouarch der Gruppe je angehört hat: »Er war der Freund einer Freundin einer Freundin. Ich habe ihn einmal getroffen, aber danach nur noch wenig über ihn gehört.« Und sein Anwalt erklärte: »Er gehörte immer der linken Bewegung an, hatte aber mit der Organisation absolut nichts zu tun.« Schwer zu glauben, dass ausgerechnet er über das Geld der Organisation verfügt haben soll. Allerdings fanden Polizisten nach Hinweisen Monique Oliviers am vergangenen Samstag in Belgien Reste des Schatzes, Goldstücke im Wert von 25 000 Euro, versteckt in Schuhkartons.

Hellegouarch erhielt im März eine Gefängnisstrafe von sechs Jahren wegen Drogenhandels, befindet sich aber wegen des laufenden Berufungsverfahrens auf freiem Fuß. Noch ist nicht entschieden, ob er im Fall Fourniret als Nebenkläger auftritt.

Erst am 16. Juni wurde Joelle Aubron, ehemaliges Mitglied der Action Directe, wegen ihrer schweren Krankheit aus dem Gefängnis entlassen. Linke Gruppen und Sympathisanten kämpfen für die Freilassung bzw. Verbesserung der Haftbedingungen der früheren Genossen. Die merkwürdigen Verwicklungen und wilden Spekulationen, die jetzt in der Öffentlichkeit verbreitet werden, erleichtern ihnen diese Aufgabe nicht.

steffi metzler