Gute Seiten, schlechte Seiten

Die Volksstimme schweigt, der Falter interessiert sich für gutes Essen. Österreichs Hoffnungen ruhen auf Malmoe. Vierter Teil einer Serie über linke Medien in Europa. von martin schwarz

Nur ganz selten hat das pubertäre Zentralorgan der Linken, das Wiener TATblatt es in die Schlagzeilen geschafft. Nur einmal, 1995, berichtete der große Rest der österreichischen Medienlandschaft von dem zweiwöchentlich erscheinenden Magazin, das bis dahin kaum Beachtung fand. Damals nämlich, im Frühjahr 1995, sprengten linke Aktivisten in der Nähe Wiens einen Strommast in die Luft. Welchen politischen Zweck das Happening haben sollte, wird wohl nie geklärt werden, denn die beiden Sprengmeister versagten und wurden selbst Opfer des Anschlages.

Im Zuge dieses realpolitisch ziemlich folgenlosen Bombenanschlages wurde auch bekannt, dass der damalige sozialdemokratische Innenminister Caspar von Einem zwei Mal kleinere Geldbeträge an das stets vom Ruin bedrohte TATblatt gespendet hatte, woraufhin die damals rechte Opposition und heutige Regierung dem Innenminister vorwarf, Medien zu unterstützen, die irgendwie der Nährboden für Terrorismus seien. Inzwischen ist die Popularität des TATblatts wieder verpufft, nicht einmal die rechtskonservative Regierung in Wien beschäftigt sich noch mit dem Heftchen. Dabei geben sich die ehrenamtlich arbeitenden Redakteure alle Mühe, ein für ein Nischenpublikum anspruchsvolles Blättchen zu bauen. Wer bspw. wissen möchte, welche antifaschistische, antirassistische, antipatriarchale, globalisierungskritische Demo in irgendeinem österreichischen Kaff er nun schon wieder versäumt hat, der wird an den beinahe legendären Demoberichten des TATblatts nicht vorbeikommen: »Zur guten Laune der KundgebungsteilnehmerInnen dürfte aber nicht nur das Wetter beigetragen haben, sondern, dass auch durchwegs interessante Redebeiträge, die an der lokalen Situation in Wöllersdorf orientiert waren und einmal nicht die ›Welt erklären‹ wollten, dominierten, was alles andere als selbstverständlich ist«, heißt es in einem Bericht über eine 40 Teilnehmer starke Kundgebung im Süden von Wien. So ähnlich berichten Österreichs Lokalzeitungen auch über Stierschauen, Frühschoppen oder Landwirtschaftsmessen. Sehr sympathisch. Aber leider ungelesen.

Wie dem TATblatt, bei weitem einem der professionellsten Produkte auf dem kaum existierenden linken Medienmarkt in Österreich, ergeht es auch den anderen Nischenmedien des Landes. Linke Gegenkultur hat sich hierzulande nie von dem stillen Einverständnis losgesagt, erfolg- und wirkungslos bleiben zu wollen; die Folge ist ein piefiger Hinterhofjournalismus, den zu ertragen selbst denjenigen Überwindung kostet, der mit bestimmten politischen Werten kongruent geht.

Komplett sinnentleert – und manchmal in einigen Spelunken der Innenstadt verteilt – vegetiert der Klassiker österreichischer linker Medien, Akin dahin. Akin, das steht für »aktuelle Informationen«, das Blatt ist aber vor allem eine ziemlich bizarre mediale Deponie für die Presseaussendungen und öffentlichen Ankündigungen jeder auch noch so eigenartigen Gruppierung. Da wird die Reinhaltung der Donau ebenso gefordert wie die Verdrängung rassistischer Gruppierungen aus Europas Fußballstadien. Alles wichtig, alles für den Erhalt der Menschheit von großer Bedeutung, der thematische Wirrwarr aber macht die Lektüre zu einem intellektuellen Abenteuer. Eher lesbar sind noch die Nachdrucke von Artikeln aus der linken Schweizer Wochenzeitung woz zu weltpolitisch mehr oder minder relevanten Themen.

Während Akin niemals den qualitativen Sprung in einen gewissen Professionalismus geschafft hat, gibt es in Wien ein durchaus hoffnungsfrohes Projekt linker Medienschaffender: Malmoe heißt die Zeitung, deren Layout und Internet-Auftritt bereits andeuten, dass hier linker Journalismus nicht als Gegenkonzept zu publikumswirksamem Journalismus und Professionalität begriffen wird. »Wenn Wolfgang Schüssel bei seinem Amtsantritt berechtigterweise die Internet-Generation gegen sich sah, ist Malmoe deren Zentralorgan«, definiert man sich unter Bezugnahme auf des österreichischen Kanzlers Vermutung, diejenigen, die ihn bei seinem Amtsantritt im Februar 2000 mit Eiern und Tomaten bewarfen, hätten wohl auch einen Internet-Anschluss. Malmoe will im Gegensatz zu den in echsenartiger Gleichgültigkeit gegenüber den Mechanismen des Medienmarktes verharrenden linken Konkurrenzblättern ein Magazin sein, das auch lesbar und konsumierbar ist. »Auch aus Eigennutz«, sagt die Redaktion. Eigennutz und die Erkenntnis, dass auch linke Medien irgendwie Kapital brauchen, haben wohl auch dazu geführt, dass Malmoe, wie jedes andere Printprodukt um Inserate buhlt. 1 750 Euro kostet eine ganze Seite in Malmoe, für den Preis könnte man die gesamte Redaktion von Akin und TATblatt ein Jahr lang finanzieren. Den Zeitungsmachern von Malmoe scheint klar zu sein, dass man die Mechanismen des Medienmarkts nicht neu erfinden kann, wenn man sein Blatt lebensfähig halten will.

Wahrscheinlich hat Günter Hopfgartner, einer der Gründer von Malmoe, auch aus den Fehlern der Volksstimme, der ewigen Verliererin unter den linken Blättern, gelernt. Dort war Hopfgartner bisher Außenpolitik-Redakteur, doch die Volksstimme musste vor wenigen Monaten dicht machen, weil die Betreiberin der Zeitung, die Kommunistische Partei Österreichs, pleite gemacht hat. Nicht nur politisch, sondern eben auch finanziell. Die Volksstimme war jenes Organ eines organisierten Proletariats, das es in Österreich seit dem Zweiten Weltkrieg praktisch nicht gab, weil sich das organisierte Proletariat faktisch zur Gänze in die österreichische Sozialdemokratie, die bis vor wenigen Jahren herrschende politische Gruppierung in Österreich, integriert hat. Und sie hat eine bewegte Geschichte hinter sich, die Volksstimme. Bis zum Ende des Kalten Krieges war sie die Tageszeitung der KPÖ, konnte sich später als Wochenzeitung Salto ein wenig aus der Umklammerung der Partei lösen; zuletzt erschien sie wieder unter dem Titel Volksstimme und war eine Wochenzeitung ohne Zukunft. Parteimedien oder zumindest parteinahe Medien nämlich haben in Österreich eher auf der konservativen Seite des politischen Spektrums Bestand: Die Österreichische Volkspartei übt erheblichen Einfluss auf die Regionalblätter der Republik aus. Auf der linken Seite dagegen sind Parteimedien trotz der vorherrschenden Sozialdemokratie eher Rohrkrepierer.

Malmoe versucht derzeit wohl einen ähnlichen Weg zu gehen wie das Stadtmagazin Falter, die einzig alternative Zeitung des Landes, die es geschafft hat, den revolutionären Anspruch mit den Wünschen ihrer zusehends wohlhabender werdenden Zielgruppe nach gutem Essen, teuren Weinen und hippen Locations zu versöhnen. Der Falter steht für gute Themen und Texte, doch der Renner des Verlages sind mittlerweile Gourmet-Fibeln wie »Wien, wie es isst …«, ein großartiger Lokalführer. Und ganz ehrlich: Niemand kauft sich den Falter wegen der Unverzichtbarkeit der Artikel. Aber jeder kauft ihn sich wegen seines wirklich kompletten Wien-Programms. Österreich ist, zumindest bisher, ein Land ohne linke Presse. Das zu ändern, wird alleine Malmoe zugetraut.