Hohmanns Glaube

Wegen seiner antisemitischen Rede wurde Martin Hohmann von der CDU ausgeschlossen. In der Jungen Freiheit gibt er Auskunft über seine Gedankenwelt. von andrea livnat

Was macht eigentlich Martin Hohmann? Sie erinnern sich, der Politiker der CDU, der in einer Rede am 3. Oktober vergangenen Jahres die Juden mit dem Begriff »Tätervolk« in Verbindung gebracht hatte. Im November vorigen Jahres wurde er dafür von der Unionsfraktion im Bundestag ausgeschlossen, im Juli dieses Jahres beschloss das Landesparteigericht der hessischen CDU seinen Rauswurf aus der Union. Dagegen legte er im August Beschwerde vor dem Bundesparteigericht der CDU ein. In der rechtsextremen Zeitung Junge Freiheit gab er nun Auskunft über die Stimmung in der Partei, seine Einsichten zur Affäre und sein Interesse am Judentum.

Glaubt man Hohmann, so muss man sich die Situation der CDU auf dem Höhepunkt der Affäre geradezu tragisch vorstellen. Die Partei habe sich in einer »Angststarre« befunden, niemand sei in der Lage gewesen, ihm zu helfen. Nicht dass der Geschasste wütend darüber wäre, weiß er doch, »wie mächtig und furchteinflößend die Drohung mit der Antisemitismuskeule ist«. Innerlich seien viele Abgeordnete gegen seinen Ausschluss gewesen, auch wenn sie dafür gestimmt hätten.

Verantwortlich für den Skandal und den daraus folgenden Parteiausschluss ist für Hohmann das Diktat der political correctness. Seine Rede hätten die meisten sowieso nicht gelesen, und selbst wenn, hätte das historische Hintergrundwissen gefehlt, um sie zu verstehen.

Unter dem Titel »Gerechtigkeit für Deutschland« hatte Hohmann in seiner Rede im hessischen Neuhof die Verbrechen der Nationalsozialisten und die Verbrechen der Bolschewisten in Russland verglichen. Unter den Bolschewisten seien zahlreiche Juden gewesen, sodass Hohmann den Schluss zog, man müsse »im Hinblick auf die Millionen Toten dieser ersten Revolutionsphase nach der ›Täterschaft‹ der Juden fragen. Juden waren in großer Anzahl sowohl in der Führungsebene als auch bei den Tscheka-Erschießungskommandos aktiv. Daher könnte man Juden mit einiger Berechtigung als ›Tätervolk‹ bezeichnen. Das mag erschreckend klingen. Es würde aber der gleichen Logik folgen, mit der man Deutsche als Tätervolk bezeichnet.«

Als Grundübel bezeichnete Hohmann damals, dass sich diese Juden, aber auch die Nazis, von Gott abgewandt hätten. Er plädierte für »eine Rückbesinnung auf unsere religiösen Wurzeln und Bindungen. Nur sie werden ähnliche Katastrophen verhindern, wie sie uns Gottlose bereitet haben.«

Im Interview der Jungen Freiheit erinnert Hohmann die CDU daran: »Der Standpunkt, die Abwendung von der Religion und Hinwendung zu aggressiven, menschenfeindlichen Ideologien sei das Übel des letzten Jahrhunderts gewesen, war das Ethos der Gründergeneration der CDU.«

Er wendet sich den »Strippenziehern der Kampagne« zu, einer Kampagne, die gegen die ganze CDU gerichtet gewesen und deren Langzeitschaden noch nicht abzusehen sei. Angela Merkel habe »Krisenmanagement« betrieben »mit katastrophalen Folgen: Nach dem Fall Hohmann stand die Union vor den Linken als Partei mit ›Antisemiten‹, vor den Rechten als Zeitgeist-Partei und vor der Mitte als Partei ohne innere Überzeugung da, weil sie auf halbem Wege ihren Standpunkt gewechselt hatte.«

Als Verursacher des Ganzen sieht Hohmann die »linken Journalisten«, die schon seit Jahren gegen ihn angingen. »Die beständige Wühlarbeit war schließlich von einem Erfolg gekrönt, den sie sich vermutlich selbst nicht zu träumen gewagt hatten.« Hohmann sendet sogar sportliche Glückwünsche an seine Gegner und attestiert ihnen, dass sie eine Steilvorlage der Internetseite hagalil.com optimal ausgenützt hätten.

Von hagalil selbst, dem eigentlichen Auslöser der Affäre, hat er ein eher vages Bild: »Alle Welt glaubt, der Fall Hohmann habe mit einem Bericht in den ARD-Tagesthemen begonnen. Weit gefehlt, es war die Internetseite hagalil.com, eine Art Antifaseite, die meine Rede lancierte und unerwartet einen Volltreffer landete. Erst daraufhin nahmen die Berichterstatter von ARD und ZDF den Ball auf und berichteten vor allem in ihren Online-Ausgaben über den Fall.«

Hagalil jedoch ist keine Antifaseite, sondern Europas größtes jüdisches Internetmagazin. Entweder kennt Hohmann hagalil nicht, oder er scheut sich, das Wort »jüdisch« in diesem Zusammenhang auszusprechen und einzugestehen, dass eine jüdische Internetseite seine Rede entdeckt und öffentlich gemacht hatte. Auf den ersten Blick mag dies widersprüchlich erscheinen, ist Hohmann doch der Überzeugung, dass eine jüdische Gruppe in diesem Land über eine moralisch unangreifbare Autorität verfügt. Die Rede ist vom Zentralrat der Juden in Deutschland, der nach der Auffassung Hohmanns in gewissen gesellschaftlichen Bereichen eine absolute Deutungshoheit innehabe: »Der Papst in Rom hat nicht einmal annähernd diese Macht.«

Schließlich wiederholt Hohmann seinen Vergleich der Täter des Nationalsozialismus und der jüdischen Bolschewisten. Auf die Frage, ob er nicht absichtlich provoziert habe, indem er den entscheidenden Satz, dass weder Deutsche noch Juden ein Tätervolk seien, erst am Ende seiner Rede gesagt habe, antwortet er, ein drastischer Effekt sei nötig gewesen, um den Vorwurf plastisch zu machen.

Sein Interesse am Judentum scheint groß zu sein. Deswegen folgte er am 1. Juli auch einer Einladung nach Wien, zur so genannten Internationalen Rabbinerkonferenz. Dort konnte er den »Oberrabbiner« Moishe Friedman bei der Eröffnungsrede sagen hören: »Wir tragen an die Bundesrepublik Deutschland und insbesondere an die CDU/CSU-Fraktion die herzliche Bitte heran, das ungeheure Unrecht, das gegenüber Dr. Martin Hohmann begangen wurde, wiedergutzumachen, seinen hervorragenden Namen wiederherzustellen und ihn als Politiker und Repräsentanten seines Heimatkreises voll zu rehabilitieren.«

Nun gibt es viele verschiedene jüdische Gruppen, Richtungen, Meinungen, und selbstverständlich gibt es auch unter den Juden Extremisten. Zum Oberrabbiner hat sich Moishe Friedman selbst ernannt, seine Mitstreiter sind Anhänger der ultraorthodoxen Sekte Naturei Karta, die den Staat Israel ablehnt. Welch eine angenehme Gesellschaft, um sein Interesse am Judentum zu bekunden!

Aber Hohmann spricht auch mit, wie er meint, »liberalen Juden«, etwa mit Michel Friedman. In seinem Wahlkreis habe er sich auch für jüdische »Belange« eingesetzt, sagt er im Interview. »Engagiert« habe er die Restaurierung eines jüdischen Friedhofes betrieben.

Seine politische Heimat sieht er nach wie vor in der CDU. Darum wird er vor dem Bundesparteigericht kämpfen. In der Zwischenzeit hilft wohl nur der »Glaube ans Vaterland«, aber davon scheint Martin Hohmann ja genug zu haben.

Die Autorin ist Mitarbeiterin bei hagalil.com