Die FDP-Connection

Jahrzehntelang kontrollierte die FDP die deutsche Außen- und Wirtschaftspolitik. Für die deutsch-arabischen Beziehungen war das sehr fruchtbar. von jörg kronauer

Die Ghorfa trauert. Im August ist der FDP-Politiker Günter Rexrodt gestorben, mit ihm hat die Arabisch-Deutsche Vereinigung für Handel und Industrie (Kurzname: Ghorfa) ihren Präsidenten verloren. Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister habe »mit großem persönlichem Einsatz zur Bereicherung der deutsch-arabischen Beziehungen beigetragen«, erklärte der Wirtschaftsförderverein. Ein einflussreicher FDP-Mann als Lobbyist für deutsch-arabische Wirtschaftsbeziehungen, das ist nichts Ungewöhnliches. Tatsächlich zogen FDP-Politiker schon vor Jahrzehnten die Fäden bei der deutschen Wirtschaftsexpansion in die arabischen Staaten und den Iran.

Die Kooperation deutete sich bereits in den fünfziger Jahren an. Damals versuchten arabische Länder, die »deutsch-arabische Freundschaft« wieder zu beleben, die bis in die NS-Zeit hinein gegen die britische Kolonialmacht und gegen den Zionismus gerichtet war. Empört reagierten sie 1953 auf das deutsch-israelische Wiedergutmachungsabkommen, drohten im Falle der Ratifizierung gar mit einem Boykott deutscher Waren. »Wir möchten nicht, dass das ganze Maß von Vertrauen und Freundschaft, das Deutschland seit langer Zeit in der mohammedanischen Welt genießt, unüberlegt verspielt wird«, erklärte der FDP-Abgeordnete Walther Hasemann im März 1953 im Bundestag. Einige in der FDP-Fraktion lehnten das Wiedergutmachungsabkommen deshalb ab.

Proarabische Politik aus Prinzip? Natürlich nicht. Die Bundesrepublik sei exportorientiert und brauche Absatzmärkte, die arabischen Länder hingegen könnten Rohstoffe liefern und mit den Erlösen deutsche Waren kaufen, schrieb Aziz Alkazaz 1981 in einer Publikation der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Alkazaz, Mitarbeiter des vom Auswärtigen Amt finanzierten Deutschen Orient-Instituts (DOI), forderte: »Diese Konstellation macht den Aufbau einer dauerhaften partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik und den arabischen Ländern unabdingbar notwendig.«

Und tatsächlich: In den siebziger Jahren nahmen die deutsch-arabischen Wirtschaftsbeziehungen einen sprunghaften Aufschwung. Möglich war das nicht zuletzt wegen der Tätigkeit einflussreicher FDP-Politiker. Ende der siebziger Jahre leitete der liberale Außenminister Hans-Dietrich Genscher Schritte ein, die auf eine politische Annäherung an die arabischen Staaten zielten. Die operative Durchführung übernahm der damalige FDP-Bundestagsabgeordnete Jürgen Möllemann. 1979 besuchte er in enger Abstimmung mit Genschers Auswärtigem Amt Yassir Arafat im Libanon und veröffentlichte dort einen »Acht-Punkte-Friedensplan«. Das war ein Affront gegen Israel. Der Plan »begründete meinen guten Ruf in Arabien«, schrieb Möllemann später in seinem Buch »Klartext«.

Seine Aktion war bedeutsam. Die Begründung lieferte Prof. Udo Steinbach, der Direktor des DOI, zwei Jahre später nach. »Das Anwachsen des Stellenwerts der Region« verlange eine »Zunahme des politischen Engagements«, schrieb der Politikberater. Das bedeute, man müsse dort »mit Regimen zusammenarbeiten (…), die von ihren Grundlagen oder ihren Praktiken her« zu humanen Prinzipien »in Widerspruch« stünden. An den »auf Veränderung drängenden ›modernisierenden‹ Kräften« hingegen müsse man »vorbeigehen«. Rund 20 Jahre später, im Januar 2003, forderten der damalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Alexander Brenner, und das Simon-Wiesenthal-Center wegen der Verharmlosung palästinensischer Selbstmordanschläge Steinbachs Rücktritt. Doch der Professor leitet nach wie vor das DOI und ist auch heute noch der Lieblingsexperte der FDP, die ihn als ihren Sachverständigen in eine Bundestagsanhörung über Islamismus in Deutschland lud, die am Montag stattfinden sollte.

1979 wurde Klaus Kinkel Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND). Kinkel war damals noch nicht FDP-Mitglied, hatte aber fast zehn Jahre für Hans-Dietrich Genscher gearbeitet, zunächst als sein persönlicher Referent, seit 1974 im Auswärtigen Amt. Sein neuer Arbeitgeber, der BND, verfügte schon seit den fünfziger Jahren über gute Kontakte in arabische Länder, erklärt der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom. Dort »war er immer weit besser als die Amerikaner oder auch als europäische Konkurrenten«. Eine seiner ersten Amtshandlungen führte Kinkel gemeinsam mit dem Leiter des Bundeskriminalamts, Heinrich Boge, nach Bagdad, den deutschen Einfluss im Irak galt es zu erhöhen. Dort boten die beiden, so schreibt Schmidt-Eenboom in seinem Buch »Schnüffler ohne Nase«, deutsche Rüstungslieferungen, die Ausbildung von Polizei und Geheimdiensten sowie die Überwachung in der BRD lebender Exil-Iraker an.

Das Geschäft mit der irakischen Regierung vermittelte ein dubioser, in rechten Kreisen um Jörg Haider und Jean-Marie Le Pen agierender Geheimdienstoberst namens Abdul Moniem Jebara. Der später zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilte Waffenhändler galt als enger Freund von Saddam Hussein und dolmetschte Gespräche zwischen Kinkel und irakischen Regierungsmitgliedern. Die von Kinkel und Boge angebotene Polizeiausbildung fand, das berichtet Hans Branscheidt von medico international, im Jahr 1982 statt. Sie umfasste auch die »Anwendung verschiedener Arten von Kampfgasen«.

Die politische erleichterte die ökonomische Kooperation. Vor allem mit den Rüstungslieferungen ging es in den nächsten Jahren rasant voran. Schon »seit etwa 1975«, schrieb die taz vor zwei Jahren, wurden aus der BRD »ganze Anlagen, Bauteile, Grundsubstanzen und technisches Know-How für die Programme Saddam Husseins zur Entwicklung atomarer, chemischer und biologischer Massenvernichtungswaffen sowie von Raketen und kompletten konventionellen Waffen geliefert«. Mehr als die Hälfte aller ausländischen Unternehmen, die während der gesamten achtziger Jahre zur Aufrüstung des Irak beitrugen, stammte aus der Bundesrepublik.

Als einige der Waffengeschäfte später aufflogen, kamen unangenehme Fragen auf. So wusste Schmidt-Eenboom, dass die von Kinkels BND angeleitete Firma Telemit Rüstungsgüter für rund 100 Millionen DM in den Irak exportiert hatte – mit Genehmigung der Bundesregierung. Möllemann, 1982 bis 1987 Staatsminister im Auswärtigen Amt, musste während seiner Zeit als Wirtschaftsminister (1991 bis 1993) einen peinlichen Bericht über die Affären vorlegen. Dem Geschäftsbereich des Wirtschaftsministers ist übrigens das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in Eschborn zugeordnet, das eigentlich illegale Waffenexporte verhindern soll. Das Wirtschaftsministerium war zwischen 1972 und 1998 – ebenso wie das Auswärtige Amt zwischen 1969 und 1998 – durchweg in der Hand der FDP.

Möllemann hatte 1981 die Präsidentschaft der Deutsch-Arabischen Gesellschaft (DAG) übernommen, einer Vereinigung, die sich die Pflege der deutsch-arabischen Wirtschaftsbeziehungen auf die Fahnen schreibt. Er behielt das Amt mit einer kurzen Unterbrechung bis zu seinem Tod. Für eine Weile war er auch Ghorfa-Präsident, bis er den Job aus Ärger über deren Stempelgebühren schmiss: Ein teurer Ghorfa-Stempel garantiert, dass kein Teil des Produkts aus Israel stammt, und ermöglicht so den Export in die Golfstaaten.

Ghorfa-Schatzmeister Axel Gühl, Abteilungsleiter beim sachsen-anhaltinischen Finanzminister Karl-Heinz Paqué (FDP), versucht derzeit, mit dubiosen Staatsanleihen (»Islamic Bonds«), die Wirtschaftskontakte zu den Golfstaaten auf Länderebene zu intensivieren. Die auf besonders strenggläubige Muslime ausgerichteten Fonds orientieren sich am Zinsverbot des Koran. Sie entsprechen der langfristigen Strategie liberal-deutscher Außen- und Wirtschaftspolitik und verfestigen die Bindungen zu den Feudaldiktaturen am Golf. Bedenken gegenüber der Weltanschauung der Geschäftspartner und speziell dem antisemitischen Subtext des Zinsverbots in Deutschland würden da nur stören.