Einseitige Öffnung

Freihandelsabkommen in Lateinamerika von wolf-dieter vogel

»No al Alca« – ob in Bogotá, Santiago de Chile oder Mexiko-Stadt, die Parole gegen die geplante Gesamtamerikanische Freihandelszone von Alaska bis Feuerland (Alca) fehlt auf keiner linken Demonstration in Lateinamerika. Und das mit gutem Grund. Denn wohin ein über Grenzen hinweg liberalisierter Markt unter ungleichen Partnern führt, hat das Handelsabkommen zwischen Mexiko, Kanada und den USA (Nafta) vorgemacht.

Den Sprung in die erste Welt hatte sich der damalige mexikanische Präsident Carlos Salinas de Gortari erhofft, als das Abkommen im Januar 1994 in Kraft trat. Doch die Bilanz sieht schlecht aus. Zwar hat sich das Außenhandelsvolumen verdreifacht, von den Exporten profitieren aber nur einige Konzerne. Der erwartete Aufschwung durch eine Zuliefererindustrie blieb aus, da die exportorientierten Unternehmen ihre Komponenten fast nur außerhalb des Landes einkaufen. Subventionierte Agrarprodukte aus dem Norden überschwemmen den Markt und lassen der kleinbäuerlichen Konkurrenz keine Chance.

Eine ähnliche Entwicklung droht auch den mittelamerikanischen Staaten, mit denen die USA jüngst das Freihandelsabkommen Cafta vereinbart hat. Jenseits von Nafta und Cafta sieht es allerdings für die US-Amerikaner weniger gut aus. Bis Anfang 2005 wollte man den Alca-Vertrag unter Dach und Fach haben. Doch das wird immer unwahrscheinlicher. Längst ist nur noch von »Alca-light« die Rede. Demnach sollen lediglich sehr allgemeine Regeln festgelegt und dann mit jedem Alca-Mitglied eigene Bedingungen ausgehandelt werden. Der Grund: Brasilien, Argentinien und Venezuela wollen keine Zugeständnisse machen, solange sich die USA weigern, ihre Agrarsubventionen zu streichen.

Aus demselben Grund stocken auch die Verhandlungen der Mercosur-Staaten – Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay – mit den Europäern. Die EU setzt ebenfalls auf den Abschluss eines Freihandelsabkommens im amerikanischen Süden, und zwar möglichst bevor der Alca-Vertrag unterschrieben ist. Schließlich will man das Feld nicht den USA allein überlassen. Und während etwa Mexiko immer noch 90 Prozent seines Außenhandels mit dem Nachbarn aus dem Norden abwickelt, sind die Europäer längst der wichtigste Handelspartner des Mercosur.

Illusionen über den EU-Mercosur-Vertrag sind freilich nicht angebracht. Schließlich waren es vor allem europäische Unternehmen, die mit Billigprodukten und dem Aufkauf von Staatsbetrieben zum wirtschaftlichen Zusammenbruch Argentiniens im Jahr 2001 beigetragen haben. Die Argentinier warten indes bis heute darauf, ihr Rindfleisch konkurrenzfähig in Europa absetzen zu können.

Dennoch gilt der Zorn reformistischer Linker weniger den Europäern als den USA. Während die US-Amerikaner rein kommerzielle Abkommen abschließen würden, lege die EU Wert auf die Einhaltung der Menschenrechte, heißt es. Schließlich finde sich beispielsweise im Freihandelsvertrag Mexikos mit der EU vom Jahr 2000 eine Klausel, in der sich beide Partner auf »die Achtung der demokratischen Prinzipien und der grundlegenden Menschenrechte« verpflichten.

Der deutsche Reifenkonzern Continental hat sich jedoch nicht um »demokratische Prinzipien« geschert, als er kurzerhand sein Werk in Mexiko schloss und 1 000 Arbeiter auf die Straße setzte, weil diese gegen die Verlängerung des Arbeitstages von acht auf zwölf Stunden in den Streik getreten waren. Auch die Folterungen von 19 Globalisierungskritikern, die im Mai in Guadalajara gegen einen Gipfel lateinamerikanischer und europäischer Staatschefs demonstriert hatten, führte nicht zu Störungen in den europäisch-mexikanischen Beziehungen.