Warten auf Einlass

Im Jahr 2007 soll Bulgarien Mitglied der EU werden. Vom geplanten Beitritt erwartet die Bevölkerung vor allem den freien Zugang zum europäischen Arbeitsmarkt. von jutta sommerbauer

Nach langem Suchen hat ihn Mira endlich gefunden: einen Job im Ausland. Die 25jährige Bulgarin arbeitet in einer Fabrik auf der schottischen Insel Lewis. Von Montag bis Freitag reinigt sie Fische und entfernt Gräten. Am Wochenende sitzt Mira auf der Insel fest, weil die Fähre Pause macht. »Viel ist hier nicht los«, meint sie. Das Klima mache ihr zu schaffen, aber sonst sei es gar nicht so schlimm. Insgesamt 1 300 Euro musste sie einer Agentur in Sofia für Visum, Arbeitserlaubnis, Ticket und Vermittlungsgebühren bezahlen. Erst nach einigen Monaten wird sie diese Ausgaben wieder hereingearbeitet haben.

Für Bulgaren bleibt auch nach der EU-Osterweiterung legale Beschäftigung in Westeuropa überwiegend auf kurzfristige Saisonarbeit begrenzt; eine Hand voll zwischenstaatlicher Vereinbarungen regelt den mageren Rest. Einzig in Großbritannien und Irland können auch »Drittstaatenangehörige« in der Lebensmittelindustrie oder in der Gastronomie einen einjährigen Vertrag mit Verlängerungsmöglichkeit erhalten.

Doch seit dem 1. Mai ist auch das schwieriger geworden. Der Grund ist die starke Konkurrenz um die Billigjobs. Für Unternehmer ist es mittlerweile unkomplizierter und günstiger, Bewerber aus den neuen Beitrittsländern zu rekrutieren. Während beispielsweise ein irischer Unternehmer 500 Euro für die Arbeitsgenehmigung eines Bulgaren hinterlegen muss, entfällt diese Summe für Beschäftigte aus den neuen EU-Ländern. »Kein Inhaber eines Unternehmens, der dringend Arbeiter benötigt, wird sich mit Gebühren herumschlagen, wenn vor seiner Tür sprichwörtlich Massen von Polen und Slowaken warten«, bringt es Kostadin Todorov, Leiter der bulgarischen Arbeitsvermittlungsfirma Global Services, auf den Punkt.

Die Abschottungspolitik der EU-Staaten ist ein unangenehmes Thema für die bulgarische Regierung von Ministerpräsident Simeon Sakskoburggotski. Die Bevölkerung erwartet vom für das Jahr 2007 geplanten EU-Beitritt nicht zuletzt den freien Zugang zum europäischen Arbeitsmarkt. Doch auch für Bulgarien sind Übergangsfristen im Gespräch. Im vergangenen Jahr wurden die Beitrittsverhandlungen mit der EU abgeschlossen. Derzeit hofft die bulgarische Regierung auf einen konkreten Termin für die Unterzeichnung des Beitrittsvertrages. Dem Parlamentspräsidenten Ognjan Gerdzhikov zufolge ist dieser bereits auf Mitte April 2005 festgesetzt. Von der EU sind freilich keine konkreten Angaben zu hören. Tatsächlich ist zu vermuten, dass auf der Tagung des Europarats Mitte Dezember in Brüssel ein Termin bestimmt wird.

Unmut erregte bei der rechten Oppositionspartei SDS zuletzt eine »Schutzklausel«, die mit Zustimmung der bulgarischen Delegation dem Abschluss der Verhandlungen beigefügt worden war: Sie besagt, dass sich die EU-Mitgliedschaft Bulgariens um ein Jahr verzögern könnte, falls auch nur eines der Beitrittskriterien nicht erfüllt wird. Eine ähnliche Klausel wird für Rumänien bei Verhandlungsabschluss erwartet. Der im Oktober veröffentlichte jährliche Bericht der Kommission über die Fortschritte Bulgariens wiederholt sämtliche Kritikpunkte, die bereits in den letzten Jahren auf der Tagesordnung standen: Das Gerichtswesen arbeite nach wie vor ineffizient, Korruption sei weit verbreitet, und die Integration der Roma lasse zu wünschen übrig. Für die bulgarischen Bürger hatte zuletzt Premier Sakskoburggotski einen schlauen Hinweis parat: Die von der Regierung »vorgegebene Dynamik« solle bis zum 31. Dezember 2006 andauern, damit man sichergehen könne, dass Bulgarien tags darauf auch wirklich der EU beitreten werde. Ob der Wunsch des Ministerpräsidenten in Erfüllung geht, werden die Parlamentswahlen im kommenden Frühling zeigen.