Die Halabja-Industrie

in die presse

Im Irak steht der Prozess gegen Ali Hassan Majid (»Chemical Ali«) bevor. Viele arabische Nationalisten meinen nun, dass zumindest der Hauptvorwurf gegen den ba’athistischen General zurückgewiesen werden müsse: die Verantwortung für das Giftgasmassaker im kurdischen Halabja im März 1988. Da die Fakten in zahlreichen Untersuchungen der Uno und diverser Menschenrechtsorganisationen dokumentiert sind, bleibt als Angriffspunkt nur die Diskreditierung derer, die die Informationen sammelten und verbreiteten.

Dieser Aufgabe widmet sich Mohammed al-Obaidi, Sprecher der irakischen Partei al-Kifah al-Shabi (Volkskampf) auf der Internet-Nachrichtenseite des Satellitensenders al-Jazeera. »Es ist eine Tatsache, dass wichtige kurdische Führer mit Hilfe der CIA und des Mossad ein weites Netzwerk von PR-Firmen und Medien benutzt haben, um die Wahrheit zu manipulieren.« Ausführlich belehrt Obaidi seine Leser über die von »einem Moti Zaken genannten jüdischen Kurden« begonnene Kampagne im Bündnis mit der »amerikanisch-zionistischen Lobby«. Ein weiterer »Champion des Völkermordvorwurfs« ist zum Beispiel Jeffrey Goldberg vom New Yorker. Was aber auch kein Wunder ist, denn der Mann ist Jude: »Was Goldberg seinen Lesern nicht sagte, ist dass er eine doppelte israelisch-amerikanische Staatsbürgerschaft hat und vor einigen Jahren in der israelischen Armee diente.« Auch der aus einem anderen Kontext bekannte Vorwurf, es werde »das Thema des Völkermordes vermarktet«, fehlt bei Obaidi nicht.

Angefangen hat al-Jazeera 1996 mit dem Anspruch, eine unabhängige Berichterstattung in der arabischen Welt zu etablieren. Möglicherweise war das nicht profitabel genug, vielleicht haben al-Aqsa-Intifada und Irak-Krieg bei vielen Redakteuren zu einer nationalistischen Regression geführt. Al-Jazeera bedient in wachsenden Maße die mutmaßlichen Ressentiments seines Publikums und schreckt nun auch vor der Präsentation antisemitischer Verschwörungstheorien nicht mehr zurück.

maxim kammerer