Kasper aus der Kiste

RAF sells von oliver tolmein

Eine Gruppe von Künstlern, Zeitgeschichtlern und sonstwie Interessierten organisiert eine Ausstellung über die RAF – und schon sind alle zur Stelle: die Kommentatoren, Publizistinnen, die elektronischen Medien und Politiker, die ständigen Begleiter dieser Organisation, die vor allem in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts in Deutschland Strafjustiz und Staatsschutz in Atem gehalten hat. Sie erinnern sich, reflektieren und räsonieren, grübeln über Sinn und analysieren die tiefere Bedeutung, wie sie es schon zu anderen Anlässen getan haben: Sei es der Breloer-Film, »Blackbox BRD«, das 25jährige Jubiläum des Deutschen Herbstes oder das 30jährige der »ersten Schüsse«. Und sie werden auch in den nächsten Jahren bei jeder Gelegenheit zur Feder greifen.

Die Themen, die aus solchem Anlass bearbeitet werden, ähneln einander, und auch die Argumente, Erkenntnisse und Polemiken sind nur selten neu. Das liegt weniger am Gegenstand – auch wenn man feststellen muss, dass die RAF nicht gerade für subversiven Witz und Formenreichtum stand. Es hat wohl mehr mit den Betrachtern selbst zu tun, die nur selten auf neue Fakten zurückgreifen können. Und ihre Meinungen zum Thema haben sich in all den langen Jahren des publizistischen Ringens mit dem bewaffneten Kampf und seinen KämpferInnen ziemlich verbraucht.

Bücher und Filme über die RAF verkaufen sich gut. Und auch die Ausstellung wird sicher, unabhängig von ihrer Qualität, ein Publikumserfolg. Mit dem »Konzept Stadtguerilla« hat das so wenig zu tun, wie die Diskrepanz zwischen dem allgemeinen Desinteresse an der Lage der real existierenden ehemaligen Mitglieder der RAF, die bis auf weiteres gefangen gehalten werden, und der Neugier, ob Andreas Baader in Stammheim ein Kind gezeugt haben könnte, Zufall ist. An der RAF interessiert die Macher der öffentlichen Meinung heute nicht ihr »Konzept Stadtguerilla«, sondern biografische Details ihrer Aktiven und der Abschreckungsfaktor.

Die öffentliche Auseinandersetzung mit den Anschlägen ist wenig mehr als eine Selbstvergewisserung, dass eine bis zum Letzten gehende politische Fundamentalopposition jedenfalls keine Alternative zum widerstrebenden Mitmachen in den oftmals schwer erträglichen Verhältnissen ist. Die Beharrlichkeit, mit der dieses durchaus richtige Ergebnis wiederholt und damit zum Mantra gemacht wird, signalisiert, dass es dabei auch um etwas anderes geht: Die siebziger und auch die achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts waren trotz allem nicht die Jahrzehnte der RAF. Die außerparlamentarischen Bewegungen aber, die damals ihre großen Auftritte hatten und die zeitweise erheblichen politischen Einfluss nehmen konnten, die Hausbesetzer, die Anti-AKW- und die Friedensbewegung sind ja nicht von der Bildfläche oder in der Bedeutungslosigkeit verschwunden, weil die Anschläge der RAF erfolglos waren oder deren Kader verhaftet wurden.

Wer sich wirklich mit der Phase des politischen Aufbruchs in der Bundesrepublik befassen und den Niedergang der emanzipatorischen Ansätze verstehen will, der muss seinen Blick auf die neuen sozialen Bewegungen richten. Die siebziger Jahre sind nicht durch die RAF, sondern die RAF ist durch die siebziger Jahre zu verstehen.