Viele Züge standen still

In Frankreich streikten Beschäftigte des öffentlichen Dienstes gegen Arbeitsplatzabbau und für Lohnerhöhungen. von bernhard schmid, paris

Als weitgehend erfolgreich kann die zurückliegende Streikwoche in Frankreich bewertet werden. In diesen Tagen streikten nacheinander die Angestellen der Post, die Eisenbahner und die Lehrer sowie sonstige öffentlich Bedienstete. Am Ende der »schwarzen Woche«, wie die rechte Boulevardzeitung France Soir sie bezeichnete, gab es bereits neue Termine für den sozialen Protest.

Der Protest der Streikenden richtete sich einerseits gegen die Politik des Kahlschlags, der in diesem Jahr über 7 000 Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst zum Opfer fallen sollen. Bei der Eisenbahn, die derzeit Gewinne einfährt, sollen 3 600 Stellen wegfallen, vor allem im defizitären Gütertransportbereich, obwohl dessen Entwicklung ökologisch dringend geboten wäre. Seit 1995 wurden bereits 15 000 Arbeitsplätze bei der Bahn abgebaut. Auch über 3 000 Lehrerstellen sollen im Jahresverlauf wegfallen, vor allem im sozialen Krisengebiet Nord-Pas de Calais.

Andererseits forderten die Streikenden auch Lohnerhöhungen, da die öffentlich Bediensteten seit Beginn des Jahrzehnts fünf Prozent ihrer Kaufkraft eingebüßt haben. Die konservative Regierung beharrt auf ihrer Entscheidung, die Löhne im öffentlichen Sektor in diesem Jahr nur um ein Prozent zu erhöhen und damit lediglich die Teuerung auszugleichen, was einer offenen Provokation der Gewerkschaften gleichkommt.

Bei der Post wurde zudem auch gegen das Gesetz zur Regulierung der postalischen Aktivitäten gestreikt, das am Dienstag vergangener Woche in die Nationalversammlung kam und am Donnerstag in erster Lesung verabschiedet wurde. Es sieht die Öffnung aller Ebenen der Dienstleistungen für Konkurrenzunternehmen aus der ganzen EU bis 2009 vor. Ferner soll die Postbank aus dem öffentlichen Konzern herausgelöst und mit einem autonomen Statut ausgestattet werden. Damit, so befürchten viele, wird auch die bisherige Sozialbindung entfallen, aufgrund der die Postbank bislang auch Sozialhilfeempfängern und anderen »unrentablen« Kunden kein Konto verweigern darf. Ein offizieller Bericht sieht zudem vor, im Namen der notwendigen Rentabilität 20 Prozent der Personalkosten einzusparen und die Hälfte der Postbüros, vor allem in ländlichen Zonen, zu schließen.

Dennoch verlief die Arbeitsniederlegung bei der französischen Post am Dienstag eher schleppend. Die Beteiligung im Land betrug rund 15 Prozent. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass von derzeit knapp 320 000 Bediensteten gegenwärtig noch 200 000 verbeamtet sind, während rund 100 000 bereits nach diversen privatwirtschaftlichen Verträgen, von unbefristeten Arbeitsverträgen bis zu Zeitarbeit, beschäftigt sind. Der Streikaufruf richtete sich nur an die Erstgenannten, da für die privatrechtlich Beschäftigten Streiks mit einem höheren Risiko verbunden sind und die Forderungen nach Lohnerhöhungen im öffentlichen Dienst nur die verbeamteten Postler betreffen.

Wirksamer war der Ausstand einen Tag später bei der Bahngesellschaft SNCF; so mussten drei Viertel aller im Fahrplan vorgesehenen Fernzüge und zwei Drittel der TGV-Hochgeschwindigkeitszüge still stehen. Am Streik beteiligten sich knapp 40 Prozent der Bahnbeschäftigten. Ähnlich hoch war die Beteiligung am Streik am Donnerstag bei den Lehrern – im Raum Paris waren es sogar 60 Prozent – und in den Finanzämtern. Auf einer Vollversammlung streikender Lehrer wurde beschlossen, Anfang Februar erneut zu streiken. Kurz darauf kommt das neue Gesetz über die Zukunft des Schulwesens zur Beratung ins Parlament. Am ersten Samstag im Februar werden einige Gewerkschaften zudem gegen die Angriffe der Regierung auf die Wochenarbeitszeit von 35 Stunden demonstrieren.