Staatenlos im Nirgendwo

Die Familie Codreanu lebte seit ihrer Abschiebung aus Deutschland zwei Jahre lang auf dem Bukarester Flughafen. Die Behörden haben sie nun auf die Straße gesetzt. von roland ibold

Um die Mittagszeit wurde unsere Familie von über 30 Polizisten mit Gewalt aus der Wartehalle entfernt.« Gabriela Codreanu beschreibt die Zwangsverweisung ihrer Familie aus dem Bukarester Flughafengebäude Otopeni, vor dem sie nun seit über zwei Wochen unter freiem Himmel leben muss. Die Flughafenpolizei setzte die Familie bei Minusgraden auf die Straße, das gesamte Eigentum wurde konfisziert, das Postfach wird überwacht. Unter ständiger Überwachung, ohne Papiere, bedroht von Verhaftung und erschöpft durch Schlafentzug, sieht die Familie keinen Ausweg mehr.

Zwei Jahre lebte sie in dem Flughafengebäude und protestierte damit gegen ihre Abschiebung aus Deutschland. Die Familie weigert sich, die rumänische Staatsbürgerschaft bzw. den Status von Asylbewerbern anzunehmen, wie es die Behörden fordern, ansonsten würden sie jeglichen Anspruch auf Rückkehr verlieren, die Verantwortung des deutschen Staates wäre damit aufgehoben.

Unterstützer sehen einen Zusammenhang zwischen der Ausweisung aus dem Flughafen und einer Klage, die die Familie Codreanu vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strasbourg im September vergangenen Jahres eingereicht hat. Sie klagt dagegen, dass 1998 in internen Verhandlungen deutsche Finanzhilfen für Rumänien zugesichert wurden, wenn das Land auf die Rückschiebung der Staatenlosen verzichtet. Damit würde das Rücknahmeabkommen unterlaufen und problemlose Massenabschiebungen wären garantiert – zwischen 1993 und 1995 wurden über 80 000 Menschen abgeschoben –, so die Argumentation in der Klageschrift. Eine Entscheidung steht noch aus.

Gabriela Codreanu äußerte auch die Vermutung, dass die brutale Ausweisung aus dem Flughafen mit ihrer Bitte um eine Audienz beim Innenminister zu tun habe.

Die Familie wurde vor zwei Jahren in ihrer Koblenzer Wohnung verhaftet und unter Berufung auf das deutsch-rumänische Rücknahmeabkommen von 1992 abgeschoben. Sie war 1990 aus Rumänien nach Deutschland geflohen und hatte 1993 wie viele andere die rumänische Staatsbürgerschaft abgelegt. Seitdem gilt sie als staatenlos. 1994 wiesen die deutschen Behörden sie das erste Mal aus, aber Rumänien schob sie unter Berufung auf das Abkommen zurück.

Neun Jahre später – Gabriela studierte mittlerweile Jura in Bonn, ihr Bruder besuchte das Gymnasium – funktionierte die Kooperation europäischer Behörden reibungslos. Das deutsche Innenministerium legte den rumänischen Kollegen eine Abschiebeliste mit etwa 700 Namen Staatenloser rumänischer Herkunft vor, die rumänischen Behörden strichen einige Namen, dann konnte die Ausweisung der Menschen beginnen.

Bei der polizeilichen Willkommenszeremonie im Bukarester Flughafen wurde den Menschen nahe gelegt, die rumänische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Nur elf Staatenlose, unter ihnen die Codreanus, widerstanden dem Druck, der Aufforderung nachzukommen. Sie verlangten die Rückkehr nach Deutschland und beriefen sich dabei auf das Rücknahmeabkommen. »Die deutschen Behörden werden Personen zurücknehmen, bei denen die Nachprüfung durch die rumänischen Behörden ergibt, dass sie bei der Übernahme nicht mehr im Besitz der rumänischen Staatsangehörigkeit waren«, ist dort zu lesen.

Vier Mitglieder der Naturfreundejugend Berlin reisten nach der Ausweisung aus dem Flughafen nach Bukarest. Sie unterstützten die Codreanus bei der Kontaktaufnahme zur deutschen Botschaft und einer Protestaktion vor dem Botschaftsgebäude am vergangenen Donnerstag. Gleichzeitig campierten Aktivisten einige Tage auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld.

Gabriela Codreanu versichert im Internet, dass sie nicht aufgeben werden. Ihr Erfolg wäre eine Niederlage für die deutsche Abschiebepraxis.