Diese Stadt hat Kerzen satt

raucherecke

Viele Leute, die man in Dresden trifft, meinen, dieser 13. Februar sei ein ganz besonderer. Es geht schon früh beim Bäcker los. Auf der Titelseite der Dresdner Morgenpost liest man die Schlagzeile, dass Hacker das wichtigste sächsische Naziportal lahm gelegt haben. Pünktlich zum Wochenende steht auf dem so genannten Heimatschutznetzwerk kein Aufruf für den Trauermarsch mehr. (Siehe Seite 7)

Das hält die Nazis natürlich nicht davon ab, von überall nach Dresden zu reisen. Noch nie waren so viele Neonazis in der Stadt. Der Zug mit mehr als 5 000 Teilnehmern bewegt sich unter klassischer Musik durch die Stadt, vorweg fahren zwei Wasserwerfer und laufen unzählige Polizisten, die die Antifas von der Strecke drängen. Aber auch von diesen waren an einem 13. Februar noch nie so viele in Dresden.

Noch bevor der Aufmarsch zu Ende ist, lösen sich erste Gruppen von erlebnisorientierten Nazis heraus. Ihr Ziel ist eine Kundgebung an der Synagoge. Insgesamt drei Mal versuchen sie, diese anzugreifen. Da die Polizei derweil im Stadtgebiet damit beschäftigt ist, Platzverweise an Linke zu verteilen, kann sie es offensichtlich nicht verhindern. Das braucht sie aber auch nicht, denn die Antifas schlagen die Angreifer jedes Mal recht schnell in die Flucht.

Währenddessen versuchen Linke, offizielle Gedenkveranstaltungen zu stören. Aber an einem Tag wie diesem ist das in Dresden eine undankbare Aufgabe. Als bei der Übergabe des Nagelkreuzes aus Coventry an der Frauenkirche einige Leute ein Transparent entrollen, dauert es nur wenige Sekunden, bis es ihnen von Polizisten in Zivil und empörten Bürgern wieder entrissen wird. Die Protestierenden verbringen den Rest der Nacht im Polizeigewahrsam. Auch die wenigen Gegner des Gedenkens, die während des Glockenläutens Feuerwerkskörper entzünden, werden sofort festgenommen. Lediglich eine Gruppe kommt ungeschoren davon. Sie verteilt dezent Taschentücher, in die kleine, kritische Flyer eingelegt sind.

Der Rest des Tages gehört den Bürgern. Überall leuchten Kerzen und werden weiße Rosen gezeigt. An der Semperoper wird mit Kerzen eine riesige Kerze nachgebildet, die allerdings vom Schneesturm ausgeblasen wird. Am Altmarkt formen die Bürger aus Teelichtern den Schriftzug: »Diese Stadt hat Nazis satt.« Das erinnert an die Lichterketten Anfang der neunziger Jahre. Damals hielten viele auch die Kerze in den Wind, um gegen die Nazis »ein Zeichen zu setzen«. Für eine Beschränkung der Zuwanderung war man trotzdem.

arthur leone