Mein Wahlkampf

Vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein arbeiten die NPD und freie Kameradschaften eng zusammen. von jörg meyer

Die Neonazis fühlen sich verfolgt. »Jeder hat das Recht auf Notwehr. Wir müssen also nicht zuschauen, wenn wir angegriffen werden«, sagte der Vorsitzende der NPD, Udo Voigt, im ARD-Magazin Kontraste. Wie das gemeint sein könnte, zeigte eine Gruppe von Neonazis, die am Mittwoch voriger Woche in Flensburg Flugblätter verteilte. Als sie zwei Antifas bemerkten, von denen sie beobachtet wurden, riefen sie offenbar Verstärkung. Denn wenig später seien die Antifas von Vermummten aus einem Bus der NPD angegriffen worden, berichtet »Beat them back«, eine Flensburger Initiative gegen Rechtsextremismus. Eine ähnliche Szene habe sich in der Innenstadt später noch einmal wiederholt, dieses Mal sei ein Schüler von Neonazis gejagt worden, sagt Henning Rathmann von der Initiative. »Da waren wir schon mit so vielen Kampagnen-Mitgliedern vor Ort, dass die Nazis damit aufhörten. Die sind dann gleich zur Polizei gegangen, weil sie sich bedroht fühlten«, erzählt er weiter . Offiziell distanziert sich die NPD von Gewalt, gibt vor, sich ans Grundgesetz zu halten, und geriert sich als demokratische Partei. Am 4. Februar erstattete sie sogar Anzeige gegen den Leiter des Verfassungsschutzes in Schleswig-Holstein, Michael Wolf, weil dieser auf einer Veranstaltung gesagt hatte, dass die NPD letztlich die Diktatur wolle. In einer Pressemitteilung der Partei heißt es, »dass die NPD das Gewaltmonopol des Staates ohne Einschränkung anerkennt und Gewalt als politisches Mittel generell ablehnt«. Hingegen erklärte Holger Apfel, heute Fraktionsvorsitzender der NPD im sächsischen Landtag und stellvertretender Vorsitzender der Partei, im Jahr 1998: »Jawohl, wir sind verfassungsfeindlich.« Blickt man darauf, wer denn da eigentlich gesetzestreu und ohne Gewalt am kommenden Sonntag in den Landtag in Kiel einziehen möchte, drängt sich ein anderes Bild auf als das von der NPD propagierte. Auf Listenplatz eins in Schleswig-Holstein steht Uwe Schäfer, Kaufmann, 67 Jahre alt und Landesvorsitzender. Er zeigte in der Vergangenheit keine Berührungsängste mit militanten Neonazis. Bereits im Jahr 1996 war er als Redner auf rechtsextremen Veranstaltungen zu sehen, u.a. mit dem Alt-Nazi Manfred Roeder, der 1982 wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung zu 13 Jahren Haft verurteilt wurde, und mit Ingo Stawitz, der Listenplatz zwei in Schleswig Holstein innehat. Dieser wiederum saß von 1992 bis 1996 für die DVU im Kieler Landtag, bevor er 1997 zur NPD wechselte. Er war nach Angaben von Antifas wie Schäfer Redner auf rechtsextremen Veranstaltungen und Aufmärschen und zeigte sich dort mit bekannten Anführern der Kameradschaftsszene. Im Dezember 2004 beteiligte er sich an Angriffen auf Antifas, die gegen ein Treffen der NPD protestierten. Wie in einem Beitrag des Fernsehmagazins Panorama zu sehen war, warf er Steine auf Gegendemonstranten. Zudem beteiligte er sich der Aussage einer damals verletzten Frau zufolge auch an körperlichen Angriffen auf sie (Jungle World 2/05). Stawitz dementierte das und erklärte nach der Schlägerei, dass es sich nicht um Kämpfe gehandelt habe, sondern um den Versuch, Straftäter festzunehmen und der Polizei zu übergeben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn. Auf Platz drei der Liste steht der 26jährige Jens Lütke, dem nicht nur von Antifas enge Verbindungen zur Kieler Kameradschaft nachgesagt werden. Er wurde im Jahr 2001 bei einem Konzert aus der Reihe »Rock gegen Rechts« festgenommen, weil er versuchte, auf die Bühne zu stürmen, berichtet Enough is enough, ein Antifa-Magazin aus Schleswig-Holstein. Auf Listenplatz sechs findet sich ein weiteres Mitglied der Kieler Kameradschaft. Peter von der Born, der smart und im cremeweißen Pulli mit V-Ausschnitt auf dem Wahlkampffoto lächelt, ist nach Angaben von Panorama mehrfach vorbestraft, u.a. wegen Körperverletzung. Der Letzte auf der Liste ist Heino Förster, ein 77 Jahre alter Rentner, der als Direktkandidat im Kreis Lauenburg aufgestellt ist. Er wurde 1993 wegen versuchten Mordes und Brandstiftung zu vier Jahren Haft verurteilt, damals war er an einem Anschlag auf ein Asylbewerberheim in Mecklenburg-Vorpommern beteiligt. Nachdem das Verbotsverfahren gegen die NPD im Jahr 2003 gescheitert war, ging die Partei wieder verstärkt auf die freien Kameradschaften zu. Das zeigt sich nicht zuletzt darin, dass mit Torsten Heise im vorigen Jahr ein Kameradschaftsfunktionär in den Bundesvorstand der Partei gewählt wurde. In Schleswig-Holstein ist eine ähnliche Entwicklung zu beobachten. Auf dem Landesparteitag im Jahr 2003 wurden mit von der Born und Lütke zwei langjährige Kameradschaftsangehörige in den Landesvorstand gewählt. So entstand eine »relativ ausgewogene Mischung aus ›radikalem‹ und ›gemäßigtem‹ Flügel«, heißt es im Magazin Gegenwind. Die Unvereinbarkeitsbeschlüsse der Partei sind ebenfalls aufgehoben. Udo Voigt sagte, dass die NPD auch eine Heimat für bekennende Nationalsozialisten sein müsse. »Beat them back« sieht nach den jüngsten Auseinandersetzungen in Flensburg eine direkte Verbindung zwischen der NPD und militanten Neonazis. Die Initiative beklagt: »Während sich die Bundespolitik mit gegenseitigen Schuldzuweisungen über Ursachen der Popularität rechter Parteien und die Sinnhaftigkeit eines erneuten Verbotsverfahrens gegen die NPD beschäftigt, betreibt diese verstärkt aggressiv ihren Wahlkampf in Schleswig-Holstein.« Das habe die Zusammenarbeit von Kameradschaftern aus verschiedenen Bundesländern bei der versuchten Verteilung von Flugblättern in Flensburg gezeigt. Auch Peter von der Born sei bei der Aktion gesehen und fotografiert worden, berichtet »Beat them back«. »Wir sind entsetzt über die Gewaltbereitschaft und offene Einschüchterungspolitik der NPD-Anhänger«, betont die Initiative. Und die NPD? Sie gibt sich weiter selbstbewusst. Nachdem ein kleines Flugzeug mit einem Werbebanner über Lübeck seine Kreise gezogen hat, spricht Spitzenkandidat Uwe Schäfer von der »Lufthoheit« über der Stadt und erwartet ein »eindrucksvolles Wahlergebnis«. Nach den letzten Umfragen des Meinungsforschungsinstitutes Infratest kommt die NPD auf 2,5 Prozent.